Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der Piraten dem Kollegen Schmalenbach das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Die Bürgerenergiewende steht an einem Scheideweg. In der neuen Novelle werden die falschen Parameter gesetzt, die dafür sorgen, dass die Energiewende für den Bürger uninteressanter wird.
Der Fokus liegt klar darauf, die großen Player, die das Spiel in der ersten Halbzeit komplett verpennt haben, wieder ins Spiel zu bringen. Im Spiel um die Energiewende schlägt sich der Schiedsrichter Politik auf die Seite der Konzerne. Schauen Sie sich einmal in den Stadien an, welche Atmosphäre bei parteiischen Schiedsrichtern herrscht! So sieht es auch draußen aus.
Der Politik mag das augenscheinlich sogar Vorteile liefern. Für die SPD sind das zum Beispiel, wie als Zwischenruf einmal hier im Hause angemerkt, bessere Arbeitsplätze oder aber auch große Unternehmen, die am Leben erhalten werden, am Ende gar künstlich beatmet.
Das halten wir für falsch. Wir würden die unvermeidliche Veränderung lieber planen und politisch begleiten. Wie wir bereits mehr als einmal angemerkt haben, wäre ein Braunkohleausstiegsgesetz ein adäquater Weg.
Wir verspielen die Energiewende, wenn wir sie in die Hände der Industrie übergeben. Wir verpassen die einmalige Chance, das Netz zu demokratisieren. Wir verpassen die Chance, das Netz solidarisch zu gestalten, wenn wir an den für die Industrie notwendigen Strukturen festhalten. Der Bürger muss wie bisher fester Bestandteil der Energiewende sein. Nur so ist sie zu stemmen; denn nur so findet sie die notwendige Akzeptanz.
Eine Energiewende, die gelingen soll, muss gerade das fördern, was aktuell von der Politik eher bekämpft wird, nämlich den Eigenverbrauch.
Eine Energiewende, die gelingen soll, verzichtet auf große Teile des Übertragungsnetzes. Sie verzichtet auf die Sterntopologie und setzt auf ein vermachtes Netz.
Eine Energiewende, die gelingen soll, besteht aus vielen Selbstversorgern und systemdienlichen Einzelanlagen.
In unserem Antrag orientieren wir uns an eben diesen Zielen und bitten daher um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Antrag der Piraten sind noch eine Menge offene Fragen zu klären – zum Beispiel: Welchen Beitrag können sogenannte Prosumer tatsächlich leisten? Welche technischen Voraussetzungen sind notwendig, und wann stehen diese tatsächlich zur Verfügung? Was sind die volkswirtschaftlichen und die gesellschaftlichen Kosten?
Es ist weiter zu beachten, dass Lastmanagements – darum geht es hier ja weitestgehend – im Wettbewerb mit anderen Flexibilisierungsoptionen stehen, die teilweise günstiger und leichter umsetzbar sind.
Beim Sektor Haushalte haben wir es typischerweise mit einer großen Vielfalt von Akteuren mit eher kleinerem Stromverbrauch zu tun. Wie weit sind hier Lastverschiebungspotenziale tatsächlich erschließbar, zum Beispiel bei Waschmaschinen, Wäschetrocknern, Geschirrspülern, Nachtspeicherheizungen und anderen energieintensiven Geräten wie Fernsehern usw.?
Was wir nicht wollen, ist eine weitere umlagegeförderte Markteinführung zum Beispiel von noch nicht ausgereiften Stromspeichertechnologien; denn das haben die Stromkunden, wie wir ja beim EEG sehen, dann jahrzehntelang als Kostenposten auf der Stromrechnung stehen.
Batteriespeicher für die Sekundenreserve sind bereits Stand der Technik und wegen der Spannungsschwankungen bei der Einspeisung von erneuerbaren Energien auch weitestgehend wirtschaftlich – aber auch nur wegen der Wirkmechanismen des EEG.
Für leistungsfähige Großspeicher brauchen wir noch intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeit, bis diese technisch darstellbar und wirtschaftlich bezahlbar werden. Darum sollten wir eher in Forschung und Entwicklung investieren, als weitere Umverteilung durch immer neue Anreizsysteme in Gang zu setzen.
Die Piraten wollen, dass jeder Bürger die Freiheit hat, sich an der Energiewende zu beteiligen. Aber wie sieht das tatsächlich aus? – Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende findet vorrangig auf der Stromrechnung statt, und zwar in Form der zweithöchsten Strompreise in Europa. Sie liegen im Durchschnitt bei ca. 30 Cent pro Kilowattstunde. 1.050 € zahlt eine dreiköpfige Familie im Jahr. Allein für das EEG sind es 230 € – Tendenz steigend. Hinzu kommen noch Netzkosten von ca. 190 €.
Wenn nun weitere Anreize geschaffen werden sollen, um zum Beispiel technische Hilfsmittel attraktiver zu machen, damit beispielsweise private Solaranlagenbesitzer sich netzdienlich in das Energiesystem integrieren, hat das zur Folge, dass für alle anderen auf der Stromrechnung die Posten „Netznutzung“ und „Umlage für abschaltbare Lasten“ größer werden.
Es sollen auch weiter Investitionen angereizt werden und neue Fördertatbestände aufgebaut werden, wenn eine Wirtschaftlichkeit oder Marktfähigkeit technischer Lösungen insbesondere bei kleineren Marktsegmenten sonst nicht erreicht werden kann.
Nun ist nicht jeder Anreiz oder jede Förderung per se schlecht. Aber es gilt doch, auch die soziale Seite der Medaille zu beachten, wenn es um die Frage geht: Wer bestellt die Musik, und wer bezahlt sie?
Insgesamt werden mehr als 25 Milliarden € jährlich nur für die Förderung von Wind- und Solarenergie in Rechnung gestellt. Weitere Kosten der Energiewende in Milliardenhöhe kommen hinzu. Das ist eine gewaltige Subventionierung mit einem gewaltigen Umverteilungseffekt.
Letztlich ist meines Erachtens diese Frage für die langfristige Akzeptanz der Energiewende wichtiger, als immer neue Anreizsysteme zu erfinden, mit denen Dinge oder Tatbestände wirtschaftlich gemacht werden, die sonst einfach zu teuer sind.
Natürlich ist NRW für Lastmanagementstrategien gerade als Industrieland mit einem großen Anteil energieintensiver Betriebe hervorragend geeignet.
Natürlich sind diese Themen hier schon sehr präsent. Zum Beispiel werden im Bereich Forschung und Entwicklung bei den Kopernikusprojekten für die Energiewende oder bei KMU-innovativ Fördergelder des Landes eingesetzt.
Auch in Bezug auf virtuelle Kraftwerke gibt es umsetzungsorientierte Forschungsprojekte und einen intensiven Austausch des Wissens und der Erkenntnisse.
InnovationCity in Bottrop ist vor allem bei Quartierskonzepten zur Energiewende in Verbindung mit Energiespeichersystemen erfolgreich.
Auch bei der Digitalisierung privater Haushalte gibt es weitere offene Fragen. Wollen private Verbraucher eine Offenlegung ihres Verbraucherverhaltens? Was ist mit Datenschutz? Akzeptieren Verbraucher eine Fremdsteuerung ihrer Verbrauchsgeräte? Besteht letztlich ein ausgewogenes Kosten- und Nutzenverhältnis?
Angesichts dieser vielen offenen Fragen ist es gut, dass im Fachausschuss weiter beraten wird. Wir stimmen in diesem Sinne einer Überweisung an den Fachausschuss zu. – Vielen Dank.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt uns ein Piratenantrag vor, in dem auf fünf Seiten einige richtige Dinge zusammengetragen wurden. Für sich genommen gibt es darin interessante Ansätze, die es wert sind, näher beleuchtet zu werden, zum Beispiel dass ein Stromproduzent auch -konsument sein kann,
wenn er seinen Strom selbst verbraucht, oder das Thema „Bürgerenergieprojekte“ oder die Problematik, dass sich Stromproduzenten aus der solidarischen Finanzierung des Strommarktes zurückziehen und die Kosten auf die verbliebenen Kommunen umgelegt werden. So weit, so gut.
Das Problem ist nur, dass der rote Faden in dem Antrag fehlt. Sie benennen zwar einige richtige Themen, stellen diese aber nur dar und verknüpfen sie nicht mit den nötigen Schlussfolgerungen. Auch bei Ihrem Vortrag ist mir nicht klar geworden, was genau Sie eigentlich mit der Demokratisierung des Energiesystems, die Sie sich als Ziel wünschen, meinen.
Sie fordern ein Förderprogramm für Projekte zur Vernetzung von Energieerzeugern und -verbrauchern sowie für systemdienliche Hilfstechniken. Lassen Sie mich auf das von der Bundesregierung im Februar 2015 gestartete Programm „Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende (SINTEG)“ hinweisen. Ziel dieses Programms ist es, in großflächigen Schaufensterregionen Musterlösungen für eine sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung bei hohen Anteilen fluktuierender Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie zu entwickeln und zu demonstrieren. NRW ist an einem dieser Schaufenster beteiligt, bei dem es sich, kurz gesagt, um ein virtuelles Kraftwerk handelt. Es geht also um das virtuelle Kraftwerk.
Ich stehe ja nicht im Verdacht, die Landesregierung loben zu wollen. Aber Ihre Forderungen scheinen erfüllt zu sein. Dass es Ihnen nicht ausreicht, dass sich die Landesregierung an einem Projekt des Bundes beteiligt, kann man so sehen. Dann schreiben Sie das aber auch beim nächsten Mal in Ihrem Antrag.
Auch über Netzentgelte kann man sich unterhalten. Wir werden das am Freitag etwas handfester tun. Ich lade Sie ausdrücklich ein, sich unserem Antrag anzuschließen, der eine konkrete Hilfe für die meisten Stromkunden in NRW bedeutet.
Liebe Piraten, vor dem Hintergrund der erledigten und unklaren Forderungen ist es gut, dass Sie diesen Antrag in die Fachausschüsse überweisen wollen, denn dann können Sie Ihre Anliegen dort noch einmal genauer erklären und erläutern. Wir stimmen also der Überweisung dieses Antrages zu. Herr Thiel hat ja auch noch einiges Bedenkenswerte dazu gesagt; auch das wird Bestandteil der Diskussion sein. Es wird hochinteressant werden. Und vielleicht sind die Piraten in der Lage, Licht in die Unklarheiten ihres Antrags zu bringen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Hovenjürgen, für diesen fraktionsübergreifenden Ansatz. – Für die Fraktion Die Grünen spricht Frau Kollegin Brems.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Piraten, Ihr Antrag beginnt mit einem vielversprechenden Titel: „Digitalisierung als Chance für mehr Demokratie in der Energiewende“. Aber, ehrlich gesagt, ist der Antrag danach eher ein Sammelsurium von Dingen, die Ihnen anscheinend zur Digitalisierung und Energiewende eingefallen sind. Und das, was Ihnen eingefallen ist, ist auch noch herzlich wenig und wenig Neues.
Ich möchte drei Beispiele nennen. Wir haben uns bereits im Mai 2014 mit einem ausführlichen Antrag zu den virtuellen Kraftwerken beschäftigt und daraufhin auch klare Hinweise für die Landesregierung gegeben, wie weitere Förderprogramme auszudifferenzieren sind. Wir haben uns im letzten Plenum im September dieses Jahres mit Speichern und den von Ihnen erwähnten Aktivitäten beschäftigt, und wir haben uns im März 2016 mit der Bürgerenergie beschäftigt. All das ist also nichts Neues.
Sie sprechen aber natürlich richtige Fragen an. Sie deuten in Ihrem Antrag die wichtige Rolle der Bürgerenergie an, die auch wir sehen. Die Bürgerinnen und Bürger haben die Energiewende, haben die erneuerbaren Energien erst großgemacht. Sie sorgen damit insgesamt in den letzten Jahren für sinkende Börsenstrompreise und für Arbeitsplätze auch in NordrheinWestfalen.
Ganz klar ist: Die erneuerbaren Energien verändern im Grunde genommen das ganze Stromsystem. Sie haben andere Eigenschaften als die großen konventionellen Kraftwerke. Deswegen muss sich natürlich auch der Markt verändern, ein Markt, der auf diese hochsubventionierten konventionellen Energieträger zugeschnitten war.
Liebe Piraten, Sie haben ein Problem richtig erkannt – ein Sternchen dafür –: Die Systemdienlichkeit der Stromverbraucher ist ein wichtiger Aspekt. Die Netze müssen entlastet werden, und die Stromverbraucher sollen eben auch eine Speicherung übernehmen bzw. Strom liefern, wenn das Netz es erfordert.