Protocol of the Session on September 14, 2016

Meine Damen und Herren, neben der Möglichkeit, aus der vermeintlichen demografischen Falle zu entkommen und für einen Konjunkturaufschwung zu sorgen, werden sich vor Ort in den Quartieren zahlreiche neue Freundschaften ergeben. Es wird geredet, diskutiert, gemeinsam gelernt und gelacht werden. Mit einer glücklichen und wachsenden Bevölkerung ergeben sich auch neue Chancen für die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte.

Es ist unerlässlich, dass wir als Gesellschaft zunächst ordentlich investieren müssen. Dafür werden wir jedoch doppelt und dreifach belohnt werden. Wir werden es doppelt und dreifach zurückbekommen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brand. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Löhrmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist es so ergangen wie einigen Rednerinnen und Rednern – Herr Laschet, Herr Römer, Herr Mostofizadeh und Kollege Schmeltzer haben das gesagt –, dass ich mich bei der Diskussion erinnert gefühlt habe an den 70. Geburtstag unseres Landes und an die Aussagen, die dort getroffen worden sind. Wenn ich die Situationen vergleiche, erzeugen hier einige das Bild, dass man sich bei besonderen historischen Herausforderungen erst einmal hinsetzt, Gesetze und Pläne schreibt und dann mit der Arbeit anfängt.

Nein, 1945 hat Nordrhein-Westfalen das anders gemacht. Nordrhein-Westfalen hat das auch im letzten

Jahr und im vorletzten Jahr anders gemacht. Wir haben nämlich unter humanitären Gesichtspunkten pragmatisch und zielgerichtet mit den Menschen in diesem Land die Ärmel aufgekrempelt und haben sofort geguckt, wie wir das hinbekommen – das ist der kategorische Imperativ, der humanistische Imperativ der Kanzlerin, den auch ich immer noch für richtig halte, dass wir das schaffen –, zu sagen und zu zeigen: Wir wollen beweisen, dass wir das schaffen können. Dann haben Menschen an den unterschiedlichsten Orten genau dazu beigetragen, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dafür möchte ich den Menschen, unabhängig davon, ob sie in Kirchen, Unternehmen, Gewerkschaften, Kitas, Schulen, Weiterbildungseinrichtungen, Ämtern und Behörden gewirkt haben, ausdrücklich noch einmal Dankeschön sagen.

Anders konnte es doch nicht gehen. Lieber Herr Kuper, Sie müssten es zumindest wissen: Wenn Sie sich angucken, dass auch auf Bundesebene nicht mit einem Mal alles feststeht, wenn ich mir in Erinnerung rufe, wie beim BAMF nach und nach mit den Stellen vorgegangen worden ist, dann ist doch klar, dass man immer wieder auf die Situation draufgucken musste, um dann zu entscheiden: Was ist jetzt zu tun? Wie stärken wir jetzt die Situation? Was sind jetzt die richtigen Schritte? – Das ist pragmatisches Vorgehen, Herr Kuper, genauso wie Sie das eben eingefordert haben. Das will ich noch einmal sehr deutlich sagen.

Weiterhin wird zum Teil der Eindruck erweckt, als gäbe es eine Veränderung des Verhaltens der Menschen vor Ort in den Kommunen und Einrichtungen – in den Kirchen, Unternehmen, Kitas und Schulen –, als hätte sich an der Willkommenskultur der Menschen unseres Landes und der Menschen in den Institutionen etwas geändert.

Ich sage ausdrücklich: Nein, daran hat sich nichts geändert. Diese Willkommenskultur ist nach wie vor da; das erlebe ich Tag für Tag. Wir sollten sie stärken, statt denen recht zu geben, die anfangen, sie zu zerreden. Denn es ist der Zusammenhalt unserer Gesellschaft, der Nordrhein-Westfalen stark macht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich will nur drei konkrete Beispiele nennen.

Erstes Beispiel: Es gibt immer noch Schulen, die Projekttage machen und sich auseinandersetzen mit den Fluchtursachen und mit den Flüchtlingen, die neu in die Schule gekommen sind, und mit den Flüchtlingen, die in ihrer Umgebung leben. Das ist Willkommenskultur pur. Das ist mir etwa aufgefallen, als die Europaschulen hier ein besonderes Zeichen setzen wollten – beispielhaft für viele andere.

Denken Sie an die vielen Schulen – Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage –, die deutlich machen: Wir wollen unser Land zivilgesellschaftlich und demokratisch mit den Menschen gestalten, die zu uns kommen!

Natürlich, Herr Kuper, geht es um Rechtsstaatlichkeit. Selbstverständlich geht es um Integrationskurse. Aber wir müssen uns auch Gedanken machen über die Rechte und Pflichten derer, die hier schon wohnen, die Brandsätze zünden, die Menschen diskriminieren und ein Klima des Hasses schaffen wollen. Um deren Integration müssen wir uns auch kümmern, damit sie nicht verloren gehen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zweites Beispiel: Es gibt unzählige Beispiele, dass Kirchen Cafés eröffnen, wo erste Ansprechpartner für Flüchtlinge zu finden sind.

Drittes Beispiel: Unternehmen schaffen Lehrstellen, damit Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden können.

All diese Beispiele zeigen, dass die Willkommenskultur in Nordrhein-Westfalen weiter gelebt und ausgestaltet wird.

Genau die haben wir gestärkt. Mit dem, was wir in Nordrhein-Westfalen gemacht haben, gehen wir weit über das hinaus, was Sie zum Teil in Ihren Anträgen fordern. Ich nenne das KommAn-Paket – Herr Schmeltzer hat es gesagt –, die vielen Mittel, die in Kitas und Hochschulen fließen, und ich nenne auch noch mal die Mittel, die in den Schulhaushalt geflossen sind. Wir haben schon jetzt 6.000 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen, meine Damen und Herren. Wir haben sie fast alle besetzt bekommen. Hören Sie sich doch mal in anderen Bundesländern um!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Laschet – er kann jetzt nicht mehr hier sein; das werfe ich ihm auch nicht vor – hat eben gesagt: Frau Löhrmann, wir möchten, was Bildung angeht, mehr tun.

Ich habe mir einmal die Haushaltsanträge angeguckt: Drucksache 16/12912. Sie ist von Herrn Laschet, Herrn Lienenkämper, Herrn Biesenbach, Herr Kuper, Herr Optendrenk und Herrn Nettelstroth unterschrieben worden. Darin gibt es keinen einzigen Antrag zur Schule. Oder habe ich etwas überlesen? Wenn Sie also sagen, dass Sie in Sachen Bildung mehr machen wollen als wir, dann müsste sich das doch in Haushaltsanträgen niederschlagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Weil das nicht so ist, finde ich es ein bisschen unglaubwürdig.

So, und jetzt wird die Schulpflicht gefordert: Wir müssten erst einmal Gesetze machen und sie umsetzen, es müsste Anhörungen geben und, und, und. Wir sind anders vorgegangen. Ich weiß übrigens, wie lang die Wartelisten in Bayern sind. Auch weiß ich, dass es zum Beispiel in Niedersachsen ein Konzept gibt. Da gibt es also etwas. Es führt aber nicht dazu, dass die Jugendlichen einen Schulabschluss machen. Wir möchten nämlich solche Maßnahmen ergreifen, die dazu führen, dass die jungen Leute einen Schulabschluss machen können. Das ist der Unterschied!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir gehen da pragmatisch vor und haben viel bessere Ansätze entwickelt.

Ich bin den Koalitionsfraktionen dankbar, dass sie noch einmal neue Lehrerstellen schaffen, damit wir hier – natürlich bedarfsbezogen – dem Anspruch „Bildung für über 18-Jährige“ auch gerecht werden. Grundsätzlich ist es übrigens nicht so, dass jemand, wenn er 18 wird, sofort aus der Schule heraus muss. Da können wir pragmatisch vorgehen.

Ich nenne Ihnen ein sehr schönes Beispiel. Fragen Sie bitte Ihren Oberbürgermeister aus Münster. Dort haben wir nämlich – wie in anderen Orten auch – ein Projekt „Angekommen in deiner Stadt“ angelegt. Das gibt es auch noch in Recklinghausen, Dortmund und Bielefeld. Weitere mögen bitte folgen; die Walter Blüchert Stiftung steht bereit.

Da ist die Stadt im Boot, da ist das Land im Boot, und da ist die Stiftung im Boot. In Münster ist sogar noch die Uni mit im Boot. Lauter Win-win-Situationen! Wir schaffen es, durch Kombination verschiedener Mittel – durch schulische Ausbildung und darüber hinausgehende Angebote – jungen Leuten eine Perspektive zu bieten, damit sie sich sehr schnell in unserer Gesellschaft zurechtfinden.

Dabei habe ich etwas sehr Schönes erlebt. Von wegen „Das steht alles nur auf dem Papier“: Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass wir schon konkrete Erfolge sehen.

Da moderierte ein Team, bestehend aus je einem Jungen und Mädchen, eine Veranstaltung. Sie sprachen noch nicht in perfektem Deutsch, aber immer in Deutsch. Ein junger Mann sagte: „Ich kann noch nicht so gut Deutsch, wir sind nämlich erst seit sechs Monaten hier“. – Darauf entgegnete eine Frau aus dem Publikum: „Naja, Sie können aber besser Deutsch als wir Arabisch“. – Daraufhin sagte der junge Mann: „Ja, aber ich lebe jetzt in Deutschland. Arabisch hilft mir jetzt nicht, ich muss Deutsch lernen“. – Das zeigt, wie integrationswillig und leistungsfähig diese jungen Menschen sind, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir sind uns da, glaube ich, was das Ziel anbelangt, auch einig.

Es gibt also viele gute Beispiele. Dieser Integrationsplan gibt der Landesregierung und den Menschen im Land Rückenwind dafür, weiterzumachen, weiterhin die Ärmel aufzukrempeln und die Willkommenskultur vor Ort weiterzuleben, damit wir unsere Vorreiterrolle, welche uns die Kanzlerin in Sachen Integration bescheinigt hat, gemeinsam weiter ausgestalten können. Das ist eine Gemeinschaftsleistung von Land, Bund, Kommunen und Zivilgesellschaft.

Deswegen ist es auch legitim, dass die Landesregierung – wie im Übrigen alle anderen Landesregierungen auch – einen höheren Beitrag des Bundes fordert, um das weiter und besser ausgestalten zu können.

Wir, meine Damen und Herren, sind gut aufgestellt, und wir können mit Recht – jemand hat von „rühmen“ gesprochen; wir rühmen uns aber nicht – daran arbeiten, dass die Jahrzehnte der Integration, die jetzt kommen, mit Zuversicht angegangen werden können. Denn wir können auch eines – das hat die Ministerpräsidentin in der Tonhalle gesagt –: Wir können Wandel. Und wir werden diesen Wandel erfolgreich zum Wohle aller in diesem Land gestalten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Altenkamp.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure außerordentlich, dass das so ist, aber der Kollege Laschet hat ja dargestellt, woran es vermutlich liegt. Wir befinden uns acht Monate vor der Landtagswahl. Vermutlich war es einfach auch zu ambitioniert, zu glauben, dass wir da einen breiten Konsens – insbesondere in Bezug auf Details – hinsichtlich der Integration von Geflüchteten hier in Nordrhein-Westfalen hinbekommen können.

Ich denke aber schon, dass der Fortschritt tatsächlich darin besteht, dass wir – anders als es 2001 und auch noch 2006/2007 der Fall war – uns jetzt hier im Hause jedenfalls darüber einig sind, dass Integration von Geflüchteten kein Thema ist, das sozusagen innenpolitisch dominiert wird, sondern auch eine Fragestellung darstellt, die sich sozialpolitisch und bildungspolitisch lösen lässt. Es ist also nicht mehr nur eine rein innenpolitische Fragestellung.

Das war anders, und deshalb war es auch notwendig, einen Integrationsplan für diese Zielgruppe aufzulegen. Das bedeutet aber nicht, dass die Integrationspolitik jetzt nur noch für diese Zielgruppe stattfindet. Der erweiterte Schritt liegt vielmehr darin, dass

wir diesen Konsens in konkrete politische Maßnahmen in den einzelnen Politikfeldern umzusetzen versuchen.

Lassen Sie mich zum Schluss – ich komme wieder darauf zurück, dass es vielleicht auch daran liegt, dass wir uns acht Monate vor der Landtagswahl befinden – noch etwas sagen: Es ist für mich sehr interessant, zu sehen, wie die Piraten in den letzten Jahren hier im Parlament im Grunde – ich sage das einmal so – einen Bildungserfolg erzielt haben, den man wie folgt benennen kann: Sie sind hier hereingekommen und haben gesagt, dass sie alles anders machen wollen; Sie wollten uns zeigen, dass es eine moderne Politik gibt.

Am Ende ist doch eine Ihrer Kernforderungen ein Strukturvorschlag, nämlich ein Integrationsministerium einzurichten. Daran hängen Sie alles auf. Das ist – man muss das deutlich sagen – nicht besonders innovativ und auch nicht besonders modern.

Wir dagegen glauben in Bezug auf Integrationspolitik nach wie vor an den Querschnittsansatz.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich komme zu einem anderen Punkt, bei dem man erkennt, warum das, wofür wir heute im Prinzip stehen, vielleicht auch wichtig ist. Das ist die Strategie der FDP. Hinter alldem, was Sie, Herr Stamp, hier im Detail dazu gesagt haben, was Sie am Integrationsplan stört, steht doch der Grundgedanke, dass Sie glauben, dass die AfD vor allen Dingen dadurch stark wird, dass hier im Parlament nicht entschlossen genug Oppositionspolitik beim Thema „Flüchtlinge“ betrieben wird. Deshalb scheuen Sie sich ganz ausdrücklich, sich diesem Konsens der Demokraten anzuschließen, den wir versucht haben, in der Resolution herzustellen. Ich bedaure diese Strategie, die Sie haben, außerordentlich.