Protocol of the Session on September 14, 2016

Der Antrag verweist auf die Kritik von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die über „mangelnde Transparenz und eine Blockadehaltung der“ – man

höre: „der“, bestimmter Artikel und damit wohl allumfassend – „Exekutivvertreter beim Zugang zu Bildungsdaten“ klagen.

Insbesondere die Kultusministerkonferenz gerät in den Fokus der Beschwerde. Aber dabei scheint der Antrag der FDP ins Leere zu laufen. Die KMK spricht sich für die Erhebung von Daten aus und lässt auch ländervergleichende Studien zu.

Auch das Land NRW unterstützt im Rahmen transparenter Verfahren diese Studien, indem es seine Daten für Analysen zur Verfügung stellt.

Nachvollziehbar ist das allgemeine Interesse an Bildungsforschung und ihren Ergebnissen. Dafür aber braucht es Maß und Mitte. Vorrangig muss der Schutz der Individualdaten gesichert sein. Der Datenschutz darf auch im Hinblick auf wissenschaftliche Interessen nicht verletzt werden.

Die Schulen dürfen mit wissenschaftlichen Anfragen auch nicht überfordert werden. Eine empirische Untersuchung ist für alle Beteiligten, auch für die Untersuchten, mit Arbeit verbunden. Sie bedeutet ein Addon neben allen sonstigen Aufgaben in Unterricht und der Organisation des Schullebens.

Insofern ist es richtig, dass laut Schulgesetz die Schulleitung nach Beteiligung der Schulkonferenz eigenständig entscheidet. Ein Anspruch auf Zustimmung zu einer wissenschaftlichen Untersuchung besteht meines Wissens nicht.

Eine Ablehnung eines Forschungsvorhabens ist sicherlich für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler enttäuschend. Aber die Möglichkeit der Ablehnung durch eine Schule halten wir für ebenso wichtig.

Die Berücksichtigung schulinterner Gründe für die Ablehnung einer wissenschaftlichen Untersuchung lässt der Antrag anscheinend zu. Dann heißt es aber,

„dass Schulen oftmals nicht nur unter nachvollziehbaren Aspekten wie Organisationsfragen Wissenschaftler abschlägig bescheiden. Es

herrscht offenbar bisweilen die Sorge vor, dass auch Defizite bekannt werden könnten.“

Unter welchen Generalverdacht stellen Sie, Frau Schmitz, denn hier die Schulen?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir denken, dass Schulen heute durchaus in der Lage sind, sich über Schulentwicklung auseinanderzusetzen. Wenn dann wirklich Defizite festgestellt werden, sollte dies einhergehen mit einer Analyse der Situation und der Entwicklung von Verbesserungsvorschlägen.

Im Text heißt es weiter, dass die Sorge verbunden ist mit der Befürchtung – Zitat –,

„eine solche Transparenz, gerade auch bei möglicher Offenlegung von Defiziten, sei vom Dienstherrn nicht gewollt.“

Hier nähert sich Ihr Antrag einer Verschwörungstheorie. Doch die Realität zeigt anderes: In NRW gibt es keine schulbehördlichen Genehmigungsvorbehalte. Somit können wissenschaftliche Forschungen in und über Schule durchgeführt werden. Das ist gängige Praxis, da brauchen Sie auch nicht den Kopf zu schütteln, Frau Schmitz.

Erst jüngst im Schulausschuss des Landtags, am 29. Juni, wurden uns die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung des islamischen Religionsunterrichts in Nordrhein-Westfalen von Prof. Dr. Uslucan vorgestellt.

Abschließend stellt sich uns die Frage, welches Erkenntnisinteresse Sie wirklich bewegt, diesen Antrag zu stellen. Auch hier zeigt sich wieder Ihre Beschränkung auf die Frage eines Rankings. Schulen aber sind keine Institutionen, die fortlaufend Daten liefern sollten. Das alleine führt nicht zu einer qualitativen Weiterentwicklung unseres schulischen Bildungssystems.

Ziel wissenschaftlicher Untersuchungen sollte vielmehr die Wirksamkeit der Ergebnisse für die Entwicklung von Unterricht und der Institution Schule als Teil eines ganzheitlichen Bildungssystems sein. Wir brauchen eine Bildungsforschung, die unter Einbeziehung von Praktikerinnen und Praktikern Ergebnisse liefern kann, die unterstützen, Kindern und Jugendlichen eine gelingende Bildungsbiografie zu ermöglichen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schmitt-Promny. – Für die Piratenfraktion spricht der Kollege Bayer.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Studienteilnehmenden! Forschungsfreiheit ermögli

chen – wer würde sich da denn widersetzen? Wir Piraten sicherlich nicht. Die Forschungsfreiheit ist ein hohes Gut, weswegen wir beispielsweise die Entwicklung der Drittmittelforschung an unseren Hochschulen kritisch sehen und dort unbedingte Transparenz fordern.

Wir sind für freien Wissensaustausch, insbesondere zur Überprüfung von Forschungsergebnissen und natürlich als Grundlage für weitere Forschungen. Außerdem sind wir für den freien Zugang zu öffentlichen Daten, gerade denen, die mit Steuergeldern erhoben wurden.

Hintergrund der Initiative der FDP-Fraktion ist das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim

Bundeswirtschaftsministerium „Mehr Transparenz in der Bildungspolitik“. Das wurde bereits am 28. April dieses Jahres präsentiert.

In diesem Gutachten wird bemängelt, dass beispielsweise der Datensatz des Nationalen Bildungspanels, der NEPS-Studie, nur eingeschränkt nach den Bundesländern ausgewertet werden kann. Bemerkenswert dabei ist, dass in den Rohdaten die Landeszugehörigkeit eines Schülers natürlich enthalten ist. Doch diese Information wird aus dem Datensatz bewusst entfernt, um Ländervergleiche unmöglich zu machen – so zumindest das Gutachten.

Klar ist: Die NEPS-Studie als Beispiel hat viele Ziele, aber nicht das Ziel, nur Ländervergleiche zu machen. Aktuell kann ich allerdings nicht sagen, warum etwaige Daten nicht zur Verfügung stehen. Das wird sich bei der Diskussion in den Ausschüssen hoffentlich noch zeigen. Was mich aber verwirrt, ist, dass Sie die Forschungsfreiheit heranziehen, aber Transparenz bei Drittmitteln oder freies Wissen interessiert Sie eigentlich gar nicht, sondern alleine die Ländervergleiche.

Die Gutachter fordern, dass mehr Möglichkeiten für Ländervergleiche zur Leistungsfähigkeit des Schulwesens geschaffen werden. Dazu verlangen Sie ein paar Kriterien. Unter anderem empfehlen Sie auch, wieder PISA-E-Studien durchzuführen.

Es gab und gibt immer wieder Kritik an Ländervergleichsstudien zu Schulleistungen. Zum einen wird darauf hingewiesen, dass anstelle der Bundesländer besser wirtschaftlich und soziokulturell ähnliche Regionen miteinander verglichen werden sollten. Auch wird der Nutzen von Studien, wie zum Beispiel PISAE, relativiert.

Um Aufschluss über Effektivität und Effizienz politischer Handlungen zu erhalten, bedürfe es anderer Untersuchungen als die recht groben Instrumente des PISA-Bundesländervergleichs. So Marianne Demmer, damals Mitglied des Bundesvorstands der GEW, im Jahr 2008. Und weiter: Diese sind Momentaufnahmen; sie beschreiben, was ist, wie einzelne Faktoren zusammenhängen, sagen aber nichts über Ursachen von Leistungsmängeln und wie man Lernprobleme aussichtsreich beheben könnte.

Der Antrag der FDP beschreibt weiter, dass es auch in unserem Land Hindernisse für empirische Untersuchungen an Schulen gebe. Hier ist sicherlich ein tieferer Blick wertvoll, wir haben ja gerade schon einen kleinen Einblick bekommen. Das sollte in den Ausschüssen auf jeden Fall noch einmal betrachtet werden.

Ich komme langsam zum Schluss und fasse zusammen: Die Diskussion über Möglichkeiten, relevante Daten der Bildungsforschung besser zur Verfügung zu stellen, setzen wir sehr gerne in beiden Ausschüssen fort. Aber die Forderung, in Zukunft neben den

IQB-Länderstudien auch noch mit sehr großem Aufwand PISA-E-Studien durchzuführen, scheint uns wenig zweckmäßig.

Ein kleiner Exkurs noch zur Netzstudie, auch wenn es nicht nur direkt NRW betrifft: Ich appelliere ganz dringend, an den Erhebungskosten – wie es ab und zu in der Diskussion ist – nicht zu sparen. Denn wenn gerade bei den Langzeitstudien die Finanzausstattung gut ist, wenn so weitergemacht wird wie bisher, werden wir da mit der Zeit sehr, sehr hochqualitative Ergebnisse bekommen, die wir nicht überall finden, die nicht an jeder Straßenecke in einer Studie erhoben werden können. Diese Daten sind für unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehr, sehr wertvoll. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bayer. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Löhrmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, das ist schon ziemlich starker Tobak, was die FDP hier an Behauptungen aufstellt. Deswegen möchte ich das doch in aller Klarheit hier deutlich machen. Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung ist in unserem Land auch im Bildungsbereich fest verankert und selbstverständlich ein hohes Gut. Was Sie fordern, ist vom Grundsatz her verwirklicht und gute Praxis in unserem Land.

Nun zu den einzelnen Aspekten: Wie wir aus Rückmeldungen von Bildungsforscherinnen und -forschern wissen, sind diese sehr erfreut, wenn ein Forschungsvorhaben sie nach Nordrhein-Westfalen führt. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern – und das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen – unterliegen hier wissenschaftliche Untersuchungen im Schulbereich keinem schulbehördlichen Vorbehalt.

Die Behauptung, die Sie aufgestellt haben, die Administration würde etwas unterbinden, ist ein ungeheuerlicher Vorwurf.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das weise ich hier in aller Deutlichkeit zurück.

Die Entscheidung trifft in Nordrhein-Westfalen die Schulleitung nach Beteiligung der Schulkonferenz. Und bei unseren Schulkonferenzen – was Sie abgeschafft hatten – haben ein Drittel die Schülerinnen und Schüler mitzubestimmen, ein Drittel die Eltern und ein Drittel die Lehrerinnen und Lehrer. Auch das möchte ich Ihnen bei der Gelegenheit noch einmal sagen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Natürlich legen wir auf den Datenschutz größten Wert und möchten, dass er gewährleistet ist. Wir informieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausführlich über diese Rahmenbedingungen Auf Wunsch unterstützen wir sie auch, indem wir sie beraten oder im Einzelfall ihr Vorhaben den Schulleitungen empfehlen.

Bei der großen Zahl an wissenschaftlichen Untersuchungen müssen sich solche Empfehlungen jedoch auf Studien beschränken, an denen wir ein besonders Interesse haben. Die Untersuchung computer- und informationsbezogener Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern der achten Klasse durch die internationale Vergleichsstudie ICILS ist ein solches Beispiel. Herr Prof. Boos hat sich bei mir ausdrücklich bedankt, dass wir eines der wenigen Länder waren, welches den Feldzugang für NRW eröffnet hat.

Meine Damen und Herren, der Antrag fordert auch den Zugang der Bildungsforschung zu den Datensätzen der nationalen und internationalen Schulleitungsstudien. – Dieser ist nicht blockiert, wie es im Antrag fälschlicherweise heißt. Im Gegenteil: Die Landesregierung hat sich im Einklang mit allen Ländern dafür eingesetzt, dass diese Datensätze auch für wissenschaftliche Ländervergleiche herangezogen werden können. Man merkt, dass die FDP in der KMK einfach niemanden mehr dabei hat. Das merkt man, aber wir vermissen sie nicht. Das sage ich bei der Gelegenheit dazu.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Daten sind im Forschungsdatenzentrum am Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen in Berlin archiviert und so aufbereitet, dass ihre Nutzung gerade nicht behindert, sondern ermöglicht wird. Transparente Nutzungsbestimmungen wurden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern formuliert, um seriöse wissenschaftliche Bildungsforschung abzusichern. Die Zahlen für die erteilten Nutzungsrechte sprechen eine klare Sprache. In den Jahren 2007 bis 2016 wurden 310 von 323 Nutzungsanträgen genehmigt. Das entspricht ungefähr 96 %.

Meine Damen und Herren, was die Forderung einer Wiedereinführung von PISA-E-Studien betrifft,