Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Stahlstandort NordrheinWestfalen befindet sich zurzeit in einer massiven Krise. Es gibt weltweit Überkapazitäten. Die Konsolidierung der Stahlbranche macht Unternehmenszusammenschlüsse notwendig, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Bei ThyssenKrupp stehen rund 27.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel, davon alleine 20.000 in NordrheinWestfalen. Deswegen führt das Unternehmen derzeit in verschiedene Richtungen Gespräche.
Meine Damen und Herren, welche Lösungen hier gefunden werden – das sage ich in aller Deutlichkeit –, muss ausschließlich Angelegenheit der Unternehmen sein.
Wenn die Landesregierung, wie in der vergangenen Woche im Wirtschaftsausschuss mitgeteilt, sich lediglich informiert ohne einzugreifen, dann gibt es daran aus meiner Sicht auch nichts zu mäkeln.
Aber eine Landesbeteiligung bei ThyssenKrupp, wie vom Konzernbetriebsratschef vorgeschlagen, kommt für uns Freie Demokraten nicht infrage. Sie wäre die schlechteste aller Lösungen; denn – auch das ist klar – die Gespräche mit Salzgitter laufen doch nur deshalb so schleppend, weil das Land Niedersachsen eine Beteiligung hält und den Zusammenschluss ablehnt, weil er zulasten der eigenen Mitsprachemöglichkeiten ginge. Dies macht einmal mehr deutlich: Die Politik war und ist nie der bessere Unternehmer.
Meine Damen und Herren, zu dieser bedrohlichen Lage kommen die Stahleinfuhren aus China zu Dumpingpreisen hinzu, ebenso die drohenden höheren Klimaschutzkosten in Europa infolge der Reform des Emissionshandels. Die europäischen Stahlmärkte sind die offensten der Welt und deshalb auch besonders anfällig für chinesischen Dumpingstahl. Hier muss Brüssel schnellstmöglich tätig werden.
Nicht minder gefährlich für den Stahlstandort sind die Pläne der EU für die Neufassung der CarbonLeakage-Schutzmaßnahmen beim Emissionshandel. Wenn die Maßnahmen so für die Jahre 2020 bis 2030 beschlossen werden, muss man klar sagen, dass wir im Jahr 2030 keine Stahlindustrie mehr in Nordrhein-Westfalen haben werden.
Meine Damen und Herren, beide Anträge von CDU und Rot-Grün springen aber an dieser Stelle zu kurz. Deswegen haben wir einen Entschließungsantrag eingebracht, über den wir formal leider erst heute richtig mitberaten können.
Auch wenn sich China kürzlich beim G20-Treffen dafür ausgesprochen hat, gegen Stahlüberkapazitäten vorgehen zu wollen, was ich natürlich begrüße, ist dies letztlich kein Grund zur Entwarnung. Hier muss die EU wachsam bleiben.
Anders als die CDU denken wir daher, dass auch der Landtag eine Position zum Billigstahl aus China beschließen muss, Herr Kollege Hovenjürgen. Das können wir mit dem größten europäischen Stahlstandort in Duisburg nicht allein Berlin und Brüssel überlassen. Deshalb wird sich die FDP-Fraktion auch bei der Abstimmung über den Antrag Ihrer Fraktion enthalten.
Meine Damen und Herren, in der Sache machen es sich CDU, SPD und Grüne deutlich zu einfach – allen voran die Grünen, Frau Kollegin Beisheim, die in der Sommerpause nichts Besseres zu tun hatten, als eine Studie zur Vergünstigung und Befreiung von Steuern und Abgaben auf Strom und CO2 zu veröffentlichen und damit die Stahlbranche an den Pranger zu stellen.
Insofern sind auch Ihre eben gemachten Ausführungen obsolet. Jeder Arbeitsplatz, so beklagen Sie, sei durchschnittlich mit 17.000 bis 18.000 € subventioniert. Das zeigt, dass Sie die Probleme, vor denen wir stehen, überhaupt nicht erkannt haben, Frau Kollegin Beisheim. Weitere Belastungen beim Stahl würden zu volkswirtschaftlichen Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe führen und wären ein Desaster.
Auch klimapolitisch wäre es Unsinn: Bereits heute importiert die EU jährlich ca. 7 Millionen Tonnen Walzstahl aus China. Das führt zu zusätzlichen CO2Emissionen in Höhe des Jahresverbrauchs von zwei Millionen Mittelklasse-Pkws, meine Damen und Herren.
Es darf auch nicht vergessen werden, dass es nicht allein die Stahlbranche ist, die unter den Alleingängen in der Energie- und Klimapolitik von Bundes- und Landesregierung leiden. Die steigenden Energie- und Klimakosten werden auch für die übrigen energieintensiven Industriezweige mehr und mehr zu einem bedrohlichen Standortfaktor.
Angesichts der Stahlproteste in der vergangenen Woche muss vor allem die Landesregierung endlich auf den Weckruf der Traditionsbranche „Stahl“ reagieren. Das heißt, die SPD muss sich endlich ehrlich machen.
Ich habe bereits in der Plenardebatte darauf hingewiesen, dass es nicht sein kann, dass sich Ministerpräsidentin Kraft mit den Stahlarbeitern solidarisiert und die Pläne der EU kritisiert, während die aus Nordrhein-Westfalen stammende Bundesumweltministerin Hendricks die Auflagen als „ausgewogen“ tituliert.
Letztendlich geht es um mehr als allein um die Stahlbranche: Es geht um den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen. Dieser leidet unter den hausgemachten Lasten von Rot-Grün, nach sechs Jahren haben wir Nullwachstum. Deshalb ist es dringend notwendig, dass hier umgesteuert wird. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die Fraktion der Piraten spricht jetzt Herr Kollege Rohwedder.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer hier im Saal
und draußen im Stream! Seit im Frühjahr drei Anträge zum Bereich Industrie, Klimaschutz und Emissionshandel eingebracht und inzwischen auch im zuständigen Ausschuss behandelt wurden, hat sich an den Anträgen selbst nichts Wesentliches geändert.
Deshalb ist auch immer noch keiner dieser Anträge für uns zustimmungsfähig. Alle drei Anträge der vier anderen Fraktionen humpeln in die verkehrte Richtung: unterschiedlich bizarr, aber rückwärts immer, vorwärts nimmer.
Den ersten Preis für die verschrobensten Vorstellungen bekommt, wer einerseits für TTIP und CETA eintritt, gleichzeitig aber Strafzölle fördert. Hoffen Sie, dass das niemand merkt?
Der EU-Emissionshandel ist ein Politikinstrument, bei dem marktwirtschaftliche Mechanismen ausgenutzt werden, um CO2-Einsparungen zu erreichen. Es werden Verschmutzungsrechte erworben. CO2Emissionen bekommen damit einen Preis, der für alle gleich ist und dadurch einen für alle gleichen Anreiz zur Vermeidung dieser Emissionen schafft. Das funktionierte bei uns bisher nicht wegen zu vieler, teilweise gratis zugeteilter Zertifikate. Die jetzt geplanten Maßnahmen sind das genaue Gegenteil von unnötig und unsinnig.
Ich muss einmal kurz einflechten, dass es in China bereits einen Zertifikatehandel gibt, bei dem die Preise teils bei 100 Dollar pro Tonne CO2 liegen. Die Preise schwanken dort, aber das müssen die chinesischen Stahlwerke bezahlen, während die Stahlwerke hier praktisch gratis die Umwelt verschmutzen können. Da liegt eine Wettbewerbsverzerrung vor.
Dass Firmen bei der durch weltweite Überproduktion verursachten Krise ins Ausland abwandern, ist unwahrscheinlich – sie haben nämlich überall dasselbe Problem mit der weltweiten Überproduktion. Und auch für die besten Unternehmen, die besonders effizienten Stahlwerke, gilt die Notwendigkeit für CO2Zertifikate.
Wer etwas anderes fordert, hat das Instrument nicht verstanden. Den Anreiz für CO2-Einsparungen braucht es immer, nur dass bei den besten sehr viel geringere Kosten anfallen. So ist es natürlich Unsinn, dass hocheffektive Werke durch einen Zertifikatehandel bestraft würden, der endlich einmal vom Kopf auf die Füße gestellt werden soll. Bestraft werden die alten, ineffektiven, die mehr teure Zertifikate brauchen als die neuen.
Neu ist, dass das Mercator Research Institute, der Bundesverband der Deutschen Industrie und Germanwatch in einer gemeinsamen Presseerklärung am 2. September die G20-Länder aufforderten, globalen Klimaschutz orientiert an den Klimazielen des Pariser Abkommens mit einer Initiative für ein starkes Preissignal für CO2 voranzutreiben. So wollen sie
ambitionierten Klimaschutz, Planungssicherheit, fairen Wettbewerb und notwendige Investitionen befördern.
Das entspricht dem, was wir hier seit 2012 immer wieder vorgetragen haben, dass nämlich Klimaschutz und Energiewende zukunftsfähige Arbeitsplätze, Planungssicherheit, fairen Wettbewerb und notwendige Investitionen schaffen und sichern, dass Widersprüche und Brüche beim stumpfen, reaktionären Festhalten am Alten auftreten und dass sich die Wirtschaft im Energie- und Industrieland NRW nur durch intelligente progressive vorwärtsgewandte Politik den neuen Herausforderungen erfolgreich wird stellen können.
So fordert auch die neue Allianz aus Mercator Research Institute, dem Bundesverband der Deutschen Industrie und Germanwatch wirksame, abgestimmte und allmählich steigende CO2-Preise – begleitet vom Abbau der Subventionen für fossile Energieträger. Der Bundesverband der Deutschen Industrie fordert steigende CO2-Preise – begleitet vom Abbau der Subventionen für fossile Energieträger. Haben Sie das mitbekommen?
Im Prinzip ist es das, was ich hier bei der Einbringung der Anträge schon vortrug und was konsequent in allen Anträgen fehlt.
Dazu kommt, dass die Krise der Stahlindustrie weder vom Emissionshandel verursacht wird noch dass der Emissionshandel zu einer übermäßigen Belastung dieses Industriesektors führen wird. Sonst wäre der Bundesverband der Deutschen Industrie kaum dafür zu gewinnen.
Ich wiederhole, was ich schon im April hier sagte: Der Preis für eine Tonne CO2 muss bei mindestens 30 € liegen, damit Gaskraftwerke mit Braunkohlekraftwerken konkurrieren können. Wir sollten den Anfangspreis in diesem Bereich festlegen.
Nichts von alledem findet sich in Ihren drei Anträgen. Deswegen lehnen wir auch alle drei Anträge ab. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen Dank auch für die nochmalige Beratung dieser Anträge zur Lage der Stahlindustrie.
Ich will an dieser Stelle auf darauf hinweisen, dass es jetzt nahezu ein Jahr her ist, dass die Landesregierung bereits auf dem ersten Stahlgipfel am 21. September letzten Jahres gemeinsam mit der Wirtschaftsvereinigung Stahl und mit der IG Metall genau auf diese Herausforderungen hingewiesen sowie eine gemeinsame Linie besprochen und unterzeichnet haben.
Wir wissen um die Lage der Stahlindustrie. Wir wissen, dass sie um ihre Zukunft fürchtet. Wir stehen ganz eng an der Seite der Stahlarbeiter. Sie haben nicht umsonst schon zum zweiten Mal in diesem Jahr für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstriert – in Duisburg und an anderen Orten. Sie machten eindrucksvoll deutlich, welche bedeutsame Rolle die Stahlindustrie für Nordrhein-Westfalen und damit auch für ganz Deutschland spielt.
Tausende von hochqualifizierten Arbeitsplätzen in der deutschen, in der europäischen und in der nordrhein-westfälischen Stahlindustrie sind in Gefahr.
Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Einerseits – das ist schon in der Debatte angeklungen – bestehen auf den internationalen Stahlmärken und insbesondere in China massive Überkapazitäten. Sie haben zur Folge, dass chinesische Stahlprodukte zu sehr niedrigen und gedumpten Preise in den EUMarkt drängen.
Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene dazu führen könnten, besonders effiziente Stahlwerke mit zusätzlichen Kosten zu belasten. Das wollen wir mit aller uns zur Verfügung stehenden Kraft verhindern.
Die Landesregierung fordert nationale und europäische Unterstützung der Stahlindustrie. Das haben wir, sehr geehrter Herr Hovenjürgen, mit Erfolg im Bundesrat gegenüber der Bundesregierung im Rahmen der Novellierung der ETS-Richtlinie und mit dem Entschließungsantrag „Faire Rahmenbedingungen für die heimische Stahlindustrie schaffen“ erreicht.
Wenn Sie auf andere Länder hinweisen und sagen, Sie hätten vielleicht anderen Ländern zugestimmt, entgegne ich: Diese Länder haben am Ende unserem Antrag zugestimmt. Deswegen kann die Initiative nicht falsch gewesen sein, die wir dort mit auf den Weg gebracht haben.