Dahinter steht der Gedanke eines modernen Parlamentarismus, der im Unterschied zur Verfassungslehre des 19. Jahrhunderts durch einen Dualismus von Regierung und regierungstragenden Fraktionen einerseits und Opposition andererseits geprägt wird.
Schließlich wird von der Kommission vorgeschlagen, verfassungsrechtliche Abläufe effizienter zu gestalten. Zu diesem Zweck werden die parlamentslose Zeit nach einer Landtagsauflösung abgeschafft und das Amt des Alterspräsidenten eingeführt.
Der strittig gestellte politische Korb umfasste die Themen „Parlamentsquoren“, „Wahlalter und Wahlrecht“, „direkte Demokratie“, „Schuldenbremse“ und „Individualverfassungsbeschwerde“. Alle Punkte
wurden inhaltlich weitgehend ausverhandelt. Nur im Gesamtzusammenhang konnte kein Konsens erreicht werden.
Bis zum Schluss war umstritten, ob nach einer konsensual möglichen Herausnahme des Wahlalters aus der Verfassung bereits der 16. oder erst der 17. Landtag die Entscheidung über eine einfachgesetzliche Regelung treffen soll.
Ebenso ungelöst blieben die Fragen zur kommunalen Selbstverwaltung. Sie betrafen die Konnexität und die Stellung der Kommunen im Gesetzgebungsverfahren sowie die Kommunalverfassungsbe
Meine Damen und Herren, an diesen Beispielen werden die Grenzen der Kommissionsarbeit deutlich. Die Einrichtung einer Verfassungskommission und der breit angelegte Prüfauftrag sind als Versuch zu verstehen, Konsens herzustellen und Verhandlungslösungen herbeizuführen. Das ist in diesem Fall nur teilweise gelungen. Denn Verfassungspolitik findet in einem Spannungsfeld von Konsens und Konkurrenz in der Demokratie statt. An die Stelle einer Win-winSituation, von der alle Akteure profitieren, kann aufgrund tages- und parteipolitischer Einflüsse, wie wir lernen mussten, auch schnell eine Verhandlungsblockade treten.
Zum Schluss möchte ich als Vorsitzender allen danken, mit denen ich in der Kommission zusammenarbeiten durfte.
Für die Mitglieder, die Zeit und Arbeit investiert haben, hoffe ich, dass es eine gute Investition war.
Den Sprechern der Fraktionen, den Kollegen Körfges, Lienenkämper, Engstfeld, Dr. Wolf und Sommer, danke ich für die konstruktive Zusammenarbeit.
Die Diskussionen mit den juristischen Sachverständigen, den Professoren Dieckmann, Löwer, Gusy, Wißmann und Pieroth, waren für mich als Politikwissenschaftler eine Bereicherung.
Last, but not least bedanke ich mich bei meiner Assistenz, Frau Hielscher und Herrn Dr. Ost, für das stets vertrauensvolle Teamwork.
Erlauben Sie mir noch eine persönliche Bemerkung. Die Medien haben in den letzten Wochen das Bild vom Scheitern der Verfassungskommission gezeichnet. Ich denke, dass das der Arbeit und den Ergebnissen nicht gerecht wird. Gerade noch rechtzeitig zum 70. Jubiläum des Landes wird die umfangreichste Reform seit Inkrafttreten der Verfassung 1950 auf den Weg gebracht.
Ja, auch ich hätte mir mehr gewünscht, vor allem im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Die Botschaft,
dass die Zusammenarbeit der demokratischen Kräfte im Landtag über Fraktions- und Parteigrenzen hinweg möglich ist, hätte noch stärker ausfallen können. Ebenso wäre es wünschenswert gewesen, die Landesverfassung würde aus dem Schatten des Grundgesetzes heraustreten und mehr Beachtung finden.
Insgesamt jedoch sind die Ergebnisse vor dem Hintergrund einer bewährten Verfassung zu beurteilen. Eine Stärkung der parlamentarischen Demokratie und ein modernes Verfassungsverständnis sind in Zeiten, in denen der Populismus zunimmt, ein nicht zu unterschätzendes Ergebnis der Verfassungskommission. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Bovermann. Ich darf Ihnen – ich glaube, im Namen des gesamten Hauses – für Ihre sehr umsichtige und sehr zielführende Arbeit als Vorsitzender der Verfassungskommission ganz herzlich danken. Sie haben zu einem Großteil zu dem Ergebnis beigetragen. Herzlichen Dank dafür.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem wir den Bericht zur Kenntnis genommen haben, eröffne ich die Aussprache dazu. Als erster Redner hat Herr Kollege Körfges von der SPD-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns heute mit dem Abschlussbericht der Verfassungskommission. Wir beraten deren Ergebnisse und die gesetzgeberischen Folgerungen daraus.
Mir ist es ein Anliegen – in umgekehrter Reihenfolge, Herr Prof. Dr. Bovermann –, auch als Sprecher der SPD-Fraktion in der Verfassungskommission meinen ganz persönlichen Dank nicht nur dem Vorsitzenden der Verfassungskommission, sondern auch Herrn Dr. Ost und Frau Hielscher abzustatten. Ohne ihre Mitarbeit und Zuarbeit wäre diese qualitätsvolle Arbeit in der Verfassungskommission mit Sicherheit nicht zustande gekommen. Noch einmal herzlichen Dank von mir!
Ich will allerdings an dieser Stelle – das ist mir nicht nur als Politiker, sondern auch als Jurist wirklich ein hohes Anliegen – die Möglichkeit nutzen, mich auch bei den Experten der Fraktionen herzlich zu bedanken – bei Herrn Prof. Dieckmann, Herrn Prof. Dr. Löwer, Herrn Prof. Dr. Gusy, Herrn Prof. Dr. Wißmann und Herrn Prof. Dr. Pieroth. Allein die Aufzählung der Namen zeigt, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir es als Mitglieder der Verfassungskommission –
das ist ein großer Vorzug gewesen – mit den ausgewiesenen Experten für das Verfassungsrecht in unserem Lande zu tun hatten.
Das hat unabhängig vom Ergebnis zumindest für die Teilnehmenden, aber sicherlich auch für diejenigen, die in der Öffentlichkeit an unserer Arbeit teilgehabt haben, und auch auf die Dauer eine ganz besondere Bedeutung; denn das, was wir gemacht haben, ist in vielen Punkten tatsächlich von einer hohen Qualität. Die Ergebnisse können sich, denke ich, auch in allen Punkten, in denen wir uns geeinigt haben, sehen lassen.
Allerdings will ich an dieser Stelle auch an das anschließen, was der Vorsitzende gesagt hat. Substanziellen Änderungsbedarf an den Grundlagen des Zusammenlebens der Menschen in unserem Land haben wir nicht gefunden. Es gibt sicherlich im Einzelnen vieles, was man hätte noch besser machen können. Eines ist aber richtig und klar: Die Verfassung hat sich bewährt, und unsere Landesverfassung ist in vielen Dingen, die sie prägen, womöglich auch ein Punkt der Identifikation der Menschen in unserem Lande mit diesem Lande.
Ich will nur drei Artikel, die individualrechtlich wenig Bedeutung haben, weil das höherrangige Bundesverfassungsrecht ihnen in Punkten entgegensteht, hier zitieren, und einen Punkt erwähnen, der sich im Laufe der Zeit als nicht mehr so wirkungsnotwendig erwiesen hat.
Hier denke ich zum Beispiel an den Art. 24 unserer Landesverfassung, das Recht auf Arbeit. Im Gegensatz zum Grundgesetz findet sich dieses Recht in der Landesverfassung.
Ich denke auch an den Art. 26 unserer Landesverfassung, nämlich das Recht auf qualifizierte Mitbestimmung. Auch dieses Recht ist in der Landesverfassung verankert.
Nicht zuletzt weise ich darauf hin, dass Dinge wie das Kleingartenwesen bei uns in der Verfassung erwähnt sind, und zwar auch unter dem Aspekt der Entstehungsgeschichte dieser Verfassung.
Das prägt unsere Landesverfassung und zeigt, wofür Nordrhein-Westfalen insgesamt steht: für ehrliche Arbeit und ehrliche Menschen, die dann ihr Leben und ihr Schicksal auch selbst in die Hand nehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das hat sich im Laufe der Geschichte unseres Landes bewährt, glaube ich. Ich bin froh darüber, dass wir es unterlassen haben, diese guten Erkenntnisse infrage zu stellen.
Lassen Sie mich hier den Sozialdemokraten Dr. Walter Menzel anführen. Er ist einer der Väter des Grundgesetzes und war 1950 Innenminister unseres Landes. Herr Dr. Menzel hat maßgeblich daran teilgehabt, dass unsere Landesverfassung so aussieht,
wie sie aussieht, obwohl Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bei der entscheidenden Abstimmung seinerzeit dieser Verfassung nicht zugestimmt haben.
Das hatte allerdings nichts mit den Dingen zu tun, die ich gerade zitiert habe, sondern im Wesentlichen eher damit, dass es seinerzeit einen erheblichen Streit über die konfessionellen Schulformen gegeben hat. Auch das haben wir in NRW gemeinsam überwunden.
Unsere Aufgabe war jetzt – Herr Prof. Dr. Bovermann hat darauf hingewiesen –, an einigen Punkten, insbesondere bezogen auf die Ausgestaltung der Gewaltenteilung, tatsächlich unsere Verfassung fortzuentwickeln.
Wir haben – darüber bin ich sehr froh – eine Regelung geschaffen, die sich aus der verkürzten Wahlperiode ergeben hat. Wir haben nämlich mögliche parlamentsfreie Zeiten, Zeiten ohne die Kontrolle der Repräsentanten, im Prinzip jetzt für die Zukunft ausgeschlossen. Das ist tatsächlich ein wichtiger Punkt gewesen. Daran konnte man seinerzeit nicht denken.
Aber auch folgende Fragen – und das hat wirklich etwas mit der Ausformung von Gewaltenteilung zu tun – haben wir diskutiert: Wie beteiligen sich Abgeordnete dieses Hauses an EU- und Bundesratsangelegenheiten? Oder aber: Wie sehen die Informationsrechte von Parlamentariern aus?
Im Vorfeld war einmal die Rede davon, dass wir keine „Volkslesebücher“ schaffen wollen. Das haben wir auch nicht gemacht. Gerade bei den Regelungen zu den Aufgaben des Landtages, zu den Aufgaben der Abgeordneten, zu den Aufgaben der Ausschüsse und zu den Funktionen der Fraktionen ist es uns aber gelungen, die Verfassung aus sich selbst heraus verständlicher zu gestalten und auch ein paar Dinge, die notwendigerweise erklärungsbedürftig sind, zu erklären.
Jetzt komme ich schon fast zu dem Teil, bei dem es anfängt, ein wenig spannender zu werden. Denn das war ja von vornherein absehbar. Das Thema „Eidesformel“ ist, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, doch eine Angelegenheit, die womöglich nicht ganz so einfach herüberzubringen ist.
Nur für all die Ewiggestrigen, die sich ab und zu noch einmal elektronisch an uns wenden, sei eines gesagt: Den Bezug zum Staatsvolk geben wir an dieser Stelle, wenn es um die Eidesformel geht, nicht auf.
Lesen bildet. Ich empfehle die Präambel unserer Landesverfassung, in der der Bezug zum deutschen Volk ganz deutlich hergestellt wird.
Und das, was wir gemeinschaftlich vorlegen, ist der klare Wille der Verfassungskommission, einen Bezug zum Land Nordrhein-Westfalen herzustellen.
Wir verpflichten uns dem Wohl unseres Landes und damit dem Wohl aller Menschen in Nordrhein-Westfalen – unabhängig von Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu Minderheiten oder zu Religionsgemeinschaften.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dass das ein längst überfälliger Schritt in der Geschichte unserer Verfassung war.