Protocol of the Session on July 7, 2016

Der ursprüngliche Plan sah eine Kürzung des Sozialgeldes für ein Kind von sechs bis 14 Jahren von 9 € pro Tag vor. Gerade in den Ferien hätte das für eine Gruppe von vornehmlich Frauen, die es ohnehin schwer haben, faktisch eine Kürzung des Existenzminimums bedeutet. Ich darf Sie da vielleicht auf die Presseberichterstattung von heute verweisen, nach der noch einmal deutlich wird, dass Alleinerziehende überdurchschnittlich oft von Armut betroffen sind.

Und nicht nur das – zukünftig sollte bei einer Alleinerziehenden, deren Kinder Umgang mit dem anderen Elternteil haben, regelmäßig auch dann gekürzt werden, wenn der umgangsberechtigte Elternteil nicht selbst hilfebedürftig ist und kein Sozialgeld für das Kind bekommen muss. Das würde faktisch eine Kürzung des gesetzlich festgeschriebenen Existenzminimums bedeuten. Zu Recht haben hier viele Verbände – etwa AWO, Frauenrat, Diakonie und viele mehr – protestiert.

Wir fordern deshalb die Schaffung eines Umgangsmehrbedarfes für den Haushalt, in dem sich das Kind weniger häufiger aufhält; denn die vorgeschlagene strenge Aufteilung des Sozialgeldes nach den Aufenthaltstagen berücksichtigt nicht solche Fixkosten wie Telefon, Strom, Versicherungen und Vereinsbeiträge für das Kind, die in gleicher Höhe im Haushalt der Alleinerziehenden anfallen werden.

Die mit der Verschlankung des Sozialrechts begründeten Einschnitte zulasten der Alleinerziehenden bekämpfen letztendlich nicht die Kinderarmut, sondern gefährden das Kindeswohl.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Mit dem pauschalen Umgangsmehrbedarf würde der Gesetzgeber besonders im Hinblick auf alleinerziehende Frauen den programmatischen Auftrag erfüllen, der eigentlich an den Anfang des SGB II gestellt ist. Ich darf zitieren:

„Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist als durchgängiges Prinzip zu verfolgen.“

Das Existenzminimum von Müttern und ihren Kindern darf nicht gekürzt werden. Nicht weniger fordern wir mit diesem Antrag von SPD und Grünen.

Inzwischen ist dieser zu Recht umstrittene Absatz der tageweisen Kürzung des Sozialgeldes zunächst aus dem Gesetzentwurf gestrichen worden. Es gibt auch Signale aus Berlin, dass die Koalitionäre miteinander diskutieren und sich durchaus für den Umgangsmehrbedarf aussprechen könnten. Bisherige Schätzungen gehen da von Mehrkosten in Höhe von 60 Millionen € aus.

Deshalb unser Appell an den Bundesfinanzminister: Machen Sie den Weg frei für diese Lösung, damit insbesondere für Alleinerziehende nicht noch mehr Hürden errichtet werden! Das bedeutet für uns soziale Gerechtigkeit. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Danke schön, Frau Jansen. – Nun spricht für die grüne Fraktion Frau Grochowiak-Schmieding.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kapitel 1 § 1 Satz 1 SGB II lautet – ich darf zitieren –:

„Die Grundsicherung für Arbeitssuchende soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht.“

Ich muss sagen, damit erschöpft sich dann allerdings auch das dem Menschen Zugewandte in diesem Gesetz. Im weiteren Gesetzestext, aber auch in der nunmehr jahrelangen Umsetzung entsteht der Eindruck, dass da Menschen kleingehalten, gegängelt und gedemütigt werden sollen.

(Beifall von Daniel Schwerd [fraktionslos])

Allein die Möglichkeit, die Leistungen zur Existenzsicherung durch Sanktionen zu mindern, ist für uns Grüne ein Unding. Für alle Beteiligten ist das SGB II mittlerweile zu einem Bürokratiemonster geworden.

Das muss man auch einmal in aller Deutlichkeit und offen sagen.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Inhaltlich kann ich Ihrem Antrag also folgen, verehrter Kollege Schwerd, in der Konsequenz, den gesamten Gesetzentwurf abzulehnen, jedoch nicht.

Auch wenn es kein großer Wurf ist, so sehen wir in den Veränderungen doch positive Ansätze – die Kollegin Jansen hat es eben auch schon erwähnt –: Verlängerung des Bewilligungszeitraums von sechs auf zwölf Monate, verbesserte Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure, Leistungsverbesserungen für Azubis, Nachbetreuung ehemals Leistungsberechtigter. Darin sehen wir durchaus wichtige Punkte, und das ist zugleich eine Weiterentwicklung im SGB II, also der Hartz-IV-Gesetzgebung.

In konsequenter Linie verfolgen wir daher mit unserem Antrag eine weitere Verbesserung. Hierbei geht es um minderjährige Kinder getrennt lebender Eltern, die auch im SGB-II-Bezug, also im Hartz-IV-Bezug stehen.

Darauf muss man erst einmal kommen, die Grundsicherungsleistung des Kindes sozusagen tagesscharf abzurechnen und dann auf zwei Haushalte zu verteilen! Dabei wird komplett außer Acht gelassen, dass eben wegen der zweigeteilten Haushaltsführung mehr Mittel nötig sind, nämlich für Lebensmittel, für die Einrichtung, für Spielzeug usw. Diese Ungerechtigkeit wollen wir beseitigen.

Wir fordern daher, den Umgangsmehrbedarf gesetzlich verbrieft zu realisieren. Ich hoffe doch sehr, dass die betreffenden Bundesministerien an dieser Stelle mitziehen und uns als Land nicht hängenlassen, wie sie es bei der Schulsozialarbeit gemacht haben.

Einen Gesetzentwurf, der Verbesserungen für Menschen vorsieht, werden wir nicht ablehnen. Ihrem Antrag, Herr Schwerd, können wir allerdings nicht zustimmen. Wir möchten das SGB II weiterentwickeln; es muss auch in Zukunft besser werden. Ich werbe deshalb um eine breite Unterstützung. – Recht schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Grochowiak-Schmieding. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Kerkhoff.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Grochowiak

Schmieding, als Sie gerade über SGB II gesprochen haben, habe ich mich gefragt: Wer hat dieses Gesetz in Berliner Regierungsverantwortung eigentlich gemacht?

(Torsten Sommer [PIRATEN]: „Verbrochen“ heißt das!)

Da waren die Grünen doch beteiligt.

(Beifall von der CDU)

Insofern kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, wie Sie sich hier eben aufgestellt haben.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Aber zum Antrag: Anscheinend traut es die SPD hier im Haus ihren eigenen Leuten in Berlin nicht zu, die Verhandlungen zum Umgangsmehrbedarf auf Bundesebene zu führen.

(Anhaltende Unruhe – Glocke des Präsiden- ten)

Anders ist der Antrag hier im Landtag von NordrheinWestfalen nicht zu verstehen. Es gibt null Anlass für diesen Landtag, darüber zu debattieren – schon gar nicht zum jetzigen Zeitpunkt.

Zur Sache selbst: Das 9. Änderungsgesetz zum SGB II ist verabschiedet worden. Es hat einen langen Beratungsprozess gegeben: Bundesrat, Bundestag und eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe waren hieran beteiligt. Ich füge hinzu: Es ist richtig, nachzujustieren, wenn Bedarf dazu besteht. Deshalb ist es gut, dass dieses Gesetz verabschiedet wird. Es sorgt für mehr Rechtssicherheit und weniger Bürokratie. Daran sollten wir alle ein Interesse haben.

Veränderungen am SGB II sind im Übrigen kein Anzeichen für ein schlechtes Gesetz – im Gegenteil: Es handelt sich um ein lernendes, um ein lebendes System, das sich regelmäßig selbst überprüfen muss. Und das ist mit diesem Gesetz geschehen.

Einige Punkte, in denen es Klarstellungen und Verbesserungen gegeben hat, sind eben auch genannt worden: passgenauere Leistungen für schwer erreichbare junge Menschen; Integrationsbetriebe öffnen sich für Langzeitarbeitslose mit Behinderung oder von Behinderung Bedrohten; die Sozialpartner in den Beiräten werden gestärkt, weil deren Blick auf den regionalen Arbeitsmarkt von Bedeutung ist. Die Schnittstellen zwischen Ausbildungsförderung und SGB-II-Bezug werden mit dem Ziel entschärft, durch Ausbildung die Hilfebedürftigkeit durchbrechen zu können.

Kurzum: Dieses Gesetz ist gut für die Langzeitarbeitslosen, auch in Nordrhein-Westfalen. Davon haben wir bedauerlicherweise besonders viele, auch weil Ihre Wirtschaftspolitik eben nicht für die nötige Dynamik auf dem Arbeitsmarkt sorgt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Nun ist es unstreitig so, dass die Situation Alleinerziehender eine besonders herausfordernde ist, und diese besondere Herausforderung wird beim SGB-II

Bezug, vor allem, wenn dies beide Elternteile betrifft, natürlich noch einmal verschärft.

Unstreitig ist doch auch, dass man schon aus dem Interesse der Kinder heraus die Lebenssituation so gestalten muss, dass beide Elternteile die Möglichkeit haben, sich zu kümmern. Und es ist klar, dass dies unter den Bedingungen von Hartz IV nicht ganz einfach ist.

Das Bundessozialgericht hat jetzt für die, wie es so schön heißt, temporären Bedarfsgemeinschaften eine Methode der Berechnung entwickelt, die gelebt wird, und die den gerade beschriebenen besonderen Herausforderungen Rechnung tragen soll.

Ob diese Methodik der Weisheit letzter Schluss ist, wage ich mal zu bezweifeln. Deshalb ist es richtig, dass sich die Bundesebene Gedanken dazu macht, was in diesem Bereich einfacher und praktikabler gestaltet werden kann.

Auch die Frage der Finanzierung alternativer Modelle spielt dabei eine Rolle. Nicht alles, was wünschenswert ist, ist auch finanzierbar und machbar. Selbst die Kollegin Griese von der SPD-Bundestagsfraktion sagt – ich zitiere –:

„Wir sind in der Koalition“ – sie meint die in Berlin – „gerade in der Diskussion über die Ausgestaltung und die Finanzierung.“ – Zitat Ende. Sie sollten in der Debatte hier und auch im Antrag nicht so tun, als wären diese Punkte im Hinblick auf Kinder von Alleinerziehenden bisher völlig ungeklärt. Das Beispiel mit dem Bett, das Sie in Ihrem Antrag anführen, ist geklärt. Schon jetzt werden bei Bedarf zwei Kinderbetten bezahlt, wenn sie notwendig sind.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Wie sollen die denn nicht notwendig sein?)

Und wenn Sie mir das nicht glauben, dann aber doch vielleicht der Kollegin Griese in Berlin.