NRW muss Impulsgeber und Avantgarde für die Gigabit-Gesellschaft werden – Mit Glasfaser-Offensive digitale Netze der Zukunft schaffen
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem fraktionslosen Kollegen Schwerd das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren beidseits der digitalen Spaltung! Herr Minister Duin, manchmal wünscht man sich, man hätte nicht recht behalten.
Er hört gar nicht zu. Schade. – Es ist ja nicht so, als hätte die Opposition nicht jahrelang auf Sie eingeredet, dass es schlecht um den Breitbandausbau steht, dass die Ausbauziele in diesem Tempo niemals erreicht werden können, dass es dringend nötig ist, die Anstrengungen zu verstärken. Es ist ja nicht so, als wären Ihnen nicht zahlreiche konkrete Vorschläge dazu unterbreitet worden, oder? Sie haben immer geantwortet, dass alles im Lot ist, und auf Breitbandagentur, runde Tische, kommunale Verantwortlichkeit hingewiesen.
Herr Duin, nicht mal Ihr Ministerkollege Herr Remmel glaubt Ihnen mehr. Der findet sich schon mit Ihrem Versagen ab und senkt die Messlatte vorsorglich auf Limboniveau. Dabei war das Ziel nicht mal hochgesteckt: Es war stets nur von 50 Mbit pro Sekunde die Rede. Auch Brückentechnologien wie Vectoring oder Mobilfunk waren in den Ausbauplänen akzeptiert – bei allen damit verbundenen Nachteilen. Dass sich bei exponenziellem Wachstum der benötigen Bandbreiten das Ende der Fahnenstange sehr schnell zeigen wird, das haben Sie schon akzeptiert.
Aber nicht einmal das haben Sie geschafft. Stattdessen sollen jetzt nur noch 85 % ausgebaut werden. Damit hängt man sich die Trauben so tief, dass sie einem beim Vorbeigehen von selbst in den Mund fallen. Das ist verdammt bequem. Denken Sie an die Pareto-Regel: Jeder weiß, dass die letzten 15 % des Ausbaus die schwersten sein werden und anteilmäßig den höchsten Aufwand erfordern werden.
Damit verschieben Sie den größten Teil der notwendigen Aufwendungen in eine ungewisse Zukunft nach dem Motto: Nach mir die Sintflut! – Damit bricht die Landesregierung leichtfertig ihre Ausbauversprechen. Herr Duin, Sie verspielen gerade unsere digitale Zukunft.
Vom Einstieg in das Gigabitnetzwerk war da noch gar nicht die Rede. Dabei wäre das jetzt dringend notwendig. Statt Ziele von gestern anzupeilen, sollten wir uns den Herausforderungen von morgen stellen. Glasfaserausbau muss bis in jedes Gebäude reichen. Das wäre jetzt erforderlich.
Schon jetzt haben wir es mit einer digitalen Spaltung zu tun. Fehlender Ausbau auf dem Lande, mangelhafte Übertragungskapazitäten in Randlagen sind schon jetzt ein Standortnachteil. Zur sozialen Spaltung in unserem Land kommt oft noch eine digitale Benachteiligung, wenn Menschen vom schnellen Internet ausgeschlossen sind – sei es aus finanziellen Gründen, sei es, weil sie in der falschen Gegend wohnen.
Die Versorgung mit Breitbandinternet ist eine materielle Lebensgrundlage. Sie erschließt gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe, Bildung und die Möglichkeit zur Arbeit. Dies sicherzustellen ist ganz klar eine staatliche Aufgabe. Wer diesen Zugang nicht hat, ist diskriminiert.
Herr Duin, erinnern Sie sich an den Antrag zum Masterplan Breitbandausbau, an den mit dem Bekenntnis zur Glasfaser, an den mit der Ablehnung von Vectoring, an den über das Digitalministerium? Davon hören Sie hier im Plenum schon seit Anfang der Legislaturperiode von mir. Darin kann ich nicht müde werden. Sie können nicht behaupten, Sie hätten davon nichts gewusst. Sie haben das sehenden Auges ignoriert.
Dankenswerterweise greift die FDP in ihrem Antrag diese Vorschläge sämtlich wieder auf. Ich begrüße das sehr.
Vielleicht sollte Sie das, Herr Duin, auch langsam beeindrucken – spät, vielleicht noch nicht zu spät. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Nehmen Sie die digitale Verantwortung für unser Land bitte endlich ernst! – Herzlichen Dank.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren! Es ist bereits mehrfach angesprochen worden: Vor etwa drei Wochen sind wir Zeuge eines eigentlich ganz bemerkenswerten Vorgangs bei der Landesregierung geworden; denn der grüne Umweltminister Remmel und sein Staatssekretär haben erklärt, dass eines der zentralen Versprechen der Landesregierung, der flächendeckende Ausbau mit Breitband bis zum Jahr 2018, nicht zu halten sein wird.
Auf diese Ankündigung folgten einige Tage der Beschwichtigung, der Dialektik, Berichte über freundschaftliche Umarmungen auf dem NRW-Fest. Angeblich soll das alles nur ein Missverständnis gewesen sein. Das Problem bei der Geschichte ist, dass all das nicht über eine Befürchtung hinwegtäuschen kann, meine Damen und Herren: Die Vermutung liegt sehr nahe, dass der Umweltminister ganz offen und ehrlich ausgesprochen hat, was die gesamte Landesregierung bereits denkt und weiß – die Breitbandpolitik dieser rot-grünen Landesregierung ist gescheitert.
Erstaunlich waren somit nicht so sehr der Inhalt der Äußerungen des Umweltministers, sondern lediglich die Offenheit und der Zeitpunkt. Wir haben eher damit gerechnet, dass in ziemlich genau einem Jahr offen ausgesprochen wird, dass dieses Ziel der flächendeckenden Breitbandversorgung nicht zu halten sein wird, meine Damen und Herren.
Diese Prognose bedarf aber eigentlich gar keiner politischen Interpretation; es reicht ein einfacher Blick auf Daten und Fakten. Die Regierungserklärung der Ministerpräsidentin zu Anfang des Jahres 2015 und die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zur Digitalisierung zeigen, dass die schnelle Breitbandversorgung in einem Zeitraum von rund anderthalb Jahren gerade einmal um gut 5 Prozentpunkte auf knapp 76 % zugenommen hat.
Bis 2018 haben wir noch einmal anderthalb Jahre. Zu einer flächendeckenden Versorgung fehlen demnach aber noch über 20 %. Das heißt, die Ausbaugeschwindigkeit müsste sich vervielfachen, wenn man sich nicht durch irgendwelche halbseidenen Interpretationsversuche bemüht, dieses Ziel abzusenken.
Es ist ganz klar und wahr: Diese Landesregierung ist mit ihrer Breitbandpolitik krachend gescheitert, meine Damen und Herren.
Auch wenn der Wirtschaftsminister im letzten Wirtschaftsausschuss freundlicherweise angekündigt hat, sich um den Breitbandausbau einzelner Ausschussmitglieder höchstpersönlich bemühen zu wollen, der individuelle Einsatz von Herrn Duin, den wir durchaus zu schätzen wissen, und den ich übrigens auch im Generellen bei diesem Thema gar nicht infrage stelle, kann diese Ideenlosigkeit und das fehlende Engagement der Landesregierung in diesem Bereich nicht kompensieren.
Gefahren für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes drohen allerdings nicht nur durch die Aufgabe dieser Breitbandziele für 2018. Nein, das Problem reicht ja viel weiter: Inhaltlich ist es so, dass das Ziel von 50 MBit/s inzwischen viel zu unambitioniert ist. Gegenden, in denen wir bereits eine hohe Breitbandversorgung haben, sowie die Städte, die Ballungsräume, diskutieren bereits über ganz andere Bandbreiten, aber auch die Anwendungen, die erkennbar nötig sind, werden mit ganz anderen Breitbandversorgungen kalkuliert.
Das bedeutet, dass die Lücke immer größer wird. Wir können uns nicht leisten, uns hier länger hinzusetzen und abzuwarten und mit irgendwelchen Beschwichtigungsformulierungen zu arbeiten. Wir müssen dringend Gas geben. Wenn wir als Nordrhein-Westfalen digitaler Spitzenstandort sein und wir die Grundlagen für die Gigabit-Gesellschaft setzen wollen, dann schaffen wir das nur mit flächendeckenden Glasfasernetzen.
Meine Damen und Herren, es ist höchste Zeit, sich eindeutig und klar hierzu zu bekennen. Wir müssen den Weckruf endlich hören. Stagnation und das Nullwachstum in diesem Land erfordern dringend, hier den Blick auf die Zukunft zu richten und die entsprechenden Voraussetzungen für Wirtschaft und Gesellschaft zu schaffen.
Wir müssen deswegen – das haben wir in unserem Antrag formuliert – Standort des wettbewerbsfähigsten Mittelstands, des wettbewerbsfähigsten Handwerks und der wettbewerbsfähigsten Industrie in unserem Land werden, und das funktioniert nur mit den innovativsten Start-ups und einer rasanten Aufholjagd, gerade auch im Bereich der digitalen Bildung.
Wir müssen deswegen auch endlich über das Mittel des E-Governments wirklich wirksam zu einer Entbürokratisierung beitragen.
Es ist dringend nötig – und das schlagen wir Freien Demokraten vor –, dass wir mit dem kleinkarierten Kompetenzgerangel in der Landesregierung aufhören. Wir müssen klare Zuständigkeiten schaffen und diese in einem Ministerium bündeln. Wir müssen den Einsatz von Fördermitteln für den Aufbau veralteter
Technologien beenden und die uns zur Verfügung stehenden Fördermittel bündeln und in die Waagschale werfen. Wir müssen mit der Remonopolisierung und der Bevorzugung des Kupferkabels Schluss machen.
Meine Damen und Herren, dafür müssen wir vollen Einsatz auf allen Ebenen bringen – für Glasfaser und die Gigabit-Gesellschaft. Ich freue mich auf die weiteren Diskussionen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, im Hinblick auf die Relevanz des Themas eines schnellen Internetausbaus aus wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten sind wir uns einig. Was diese beiden Anträge von Piraten und FDP angeht, sind wir uns aber sicherlich nicht einig.
Bei diesem Antrag und dem, was Sie hier gerade vorgetragen haben, stelle ich mir schon die Frage, ob Sie mitbekommen haben, was zum Beispiel letzte Woche im Wirtschaftsausschuss gesagt wurde. Im Wirtschaftsausschuss haben Staatssekretär Becker und Minister Duin – Herr Remmel wird hier gleich sprechen – eindeutig erklärt, dass das Ziel dieser Landesregierung weiterhin der flächendeckende Ausbau 50 MBit/s bis 2018 ist. Das ist das gleiche Ziel, das auch die anderen Bundesländer und der Bund haben.
Von daher: Hier Sachen zu behaupten – Herr Bombis, von Ihnen hatte ich das jetzt nicht anders erwartet, aber Sie waren ja mit in der Ausschusssitzung –, die letzte Woche schon klargestellt wurden und die Sie, Herr Schwerd, wenn Sie nicht selber anwesend waren, hätten nachlesen können, finde ich schon ein starkes Stück. – Ihr Antrag ist abzulehnen, und ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie ihn zurückziehen.
Zum FDP-Antrag: Herr Bombis, Sie fordern die Landesregierung auf, tätig zu werden. Wir können Sie beruhigen – und das haben Sie bei einer Reihe von Anträgen, die Sie schon aufgeführt hatten, auch mitbekommen –, die Landesregierung ist auf einem guten Weg. Wir sind bestausgebautes Flächenland. Wir stehen vom Ausbau her vor Bayern und vor Hessen – weil das immer die Länder sind, die Sie als Beispiele und Leuchttürme anführen.
Wenn wir uns ansehen, was alles gemacht wurde: Herr Minister Duin hat den Runden Tisch „Breitband“ einberufen. Daran haben Telekomunternehmen, Kommunalverbände, Verbände aus der Telekommunikationsindustrie und den Kommunen, aber auch Vertreter aus dem Landtag teilgenommen. Wir haben die Breitbandbeauftragten, die in den Kreisen und in den Kommunen den Breitbandausbau koordinieren sollen, und das BreitbandConsulting als Beratung gestärkt. Zudem wurde das Förderprogramm von fast einer halben Milliarde Euro mit bestimmten Schwerpunkten unter anderem im ländlichen Raum und auf Gewerbegebiete aufgelegt.