Den nächsten Widerspruch haben Sie auch nicht aufgeklärt. Sie fordern auf der einen Seite weniger verbindliche Vorgaben, auf der anderen Seite aber deutlich mehr Tempo beim Hochwasserschutz, deutlich mehr Tempo beim Grundwasserschutz und deutlich mehr Tempo beim Schutz vor PCB. Wie soll das denn gehen, ohne dass es auch entsprechende Regelungen und Vorschriften gibt?
Was mich aber besonders irritiert, ist, dass Sie die Besonderheiten unseres Bundeslandes ignorieren. Bisher hatte ich gedacht, in dieser Hinsicht gibt es so etwas wie einen Konsens zwischen Regierung und Opposition. Es war jedenfalls Allgemeingut, dass wir in Nordrhein-Westfalen etwas Besonderes sind. Es gibt kein anderes Land mit 18 Millionen Einwohnern, was so dicht besiedelt ist, meine sehr verehrten Damen und Herren. 60 % des Trinkwassers werden aus Oberflächengewässern gewonnen.
Deshalb gibt es an dieser Stelle die besondere Bedeutung des Trinkwasserschutzes. Kein anderes Bundesland hat diese Vorsorge so zu treffen.
Dann kommt noch dazu, dass kein anderes Bundesland so viele industrielle Anlagen hat. Das ist gut so. 1.300 Anlagen leiten ihr Abwasser in unsere Gewässer und Kläranlagen ein.
Deshalb ist hier eine besondere Vorsorge zu treffen. Das ist etwas Besonderes in diesem Bundesland. Deshalb muss es hier auch ganz spezielle Regelungen geben. So hatten wir jedenfalls in der Vergangenheit einen Konsens unter denjenigen, die das wichtigste Lebensmittel, das Lebensmittel Nummer eins – Wasser –, schützen wollten.
Um es noch einmal in Zahlen auszudrücken: In Nordrhein-Westfalen sind nur 6 % der naturnahen Fließgewässer und 60 % des Grundwassers in einem guten ökologischen Zustand. Das ist ein Problem, was zukünftig noch stärker angegangen werden muss.
Wir müssen einfach feststellen, dass die Pflichtaufgaben, insbesondere die Umsetzung der Gewässerrahmenrichtlinie der EU, in der Vergangenheit nicht stattgefunden hat. Es ist eine Pflichtaufgabe. Deshalb muss es auch als Pflichtaufgabe wahrgenommen werden.
Wir wollen die Qualität der Gewässer verbessern. Wir wollen sauberes Trinkwasser und einen hohen ökologischen Wert auch für die nachfolgenden Generationen. Deshalb stärken wir die kommunale Wasserversorgung. Die kommunalen Spitzenverbände haben im Übrigen auch deutlich gemacht, dass sie diesen Schritt richtig finden.
Die Wasserversorgung liegt in Nordrhein-Westfalen mit einem tradiert hohen Anteil an privaten Versorgern in der kommunalen Verantwortung. Deshalb ist Wasser kein Handelsgut. Das stelle ich an dieser Stelle noch einmal für die Landesregierung klar. Der Brunnen gehört allen, und er gehört in die Mitte des Dorfes. Das wird mit dem Gesetz auch noch einmal deutlich unterstrichen.
Herr Deppe, man kann nicht auf der einen Seite mehr Hochwasserschutz fordern und dann die Ergebnisse dessen, was wir in den letzten zehn Jahren erlebt haben, einfach ignorieren. Wir haben ein Problem, wenn es darum geht, Flächen für Hochwasserschutz und Gewässerschutz verfügbar zu haben. Was ist Schlimmes daran, für diesen Allgemeingutzweck ein Vorkaufsrecht der Allgemeinheit zu vereinbaren, wenn es darum geht, konsequenten Hochwasserschutz zu betreiben? Nach den Erfahrungen der letzten Wochen und Monate hat dieses Instrument gefehlt.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist heute ein guter Tag für Nordrhein-Westfalen. Mit dem neuen Landeswassergesetz schützen wir nachhaltig, was uns zusammenhält, nämlich das Lebensmittel Nummer eins, unser Wasser.
Schließen möchte ich mit dem Dank an alle Beteiligten, sowohl im Parlament als auch in den verschiedenen Ministerien und in den Verbänden, die daran mitgewirkt haben, dass wir einen so guten gemeinsamen Weg gegangen sind. Ich bin davon überzeugt, das ist gut für das Wasser in Nordrhein-Westfalen, aber vor allem für die Menschen, die davon profitieren. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe deshalb die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar erstens über den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/10799. Der Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in Drucksache 16/12368, den Gesetzentwurf in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung in Drucksache 16/12368.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt gegen die Beschlussempfehlung? – Das sind CDU, FDP, die Piraten und der fraktionslose Abgeordnetenkollege Schwerd. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall.
Damit stelle ich fest, dass die Beschlussempfehlung Drucksache 16/12368 angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache 16/10799 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet ist.
Ich lasse zweitens über den Entschließungsantrag der CDU-Fraktion Drucksache 16/12438 abstimmen. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der CDUFraktion? – Das sind CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die Piratenfraktion und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Enthält sich jemand der Stimme? – Das ist erkennbar nicht der Fall. Damit stelle ich fest, dass der Entschließungsantrag Drucksache 16/12438 vom Landtag Nordrhein-Westfalen abgelehnt ist.
Berechtigte Zweifel am Zustandekommen des neuen Modells für den Länderfinanzausgleich und neue Erkenntnisse zu den Auswirkungen – Scheitert Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans nun mit seinen Vorstellungen für eine angeblich verbesserte Systemreform sowohl inhaltlich als auch prozedural?
Am 4. Dezember 2015 hat Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Einigung der Länder über eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen (MPK-Modell) im Plenum unter anderem mit den folgenden Worten begrüßt (PP 16/99, S. 10257):
„Ich will nur auf die wesentlichen Punkte eingehen, damit es hier auch nicht zu lange dauert. Der Länderfinanzausgleich wird in seiner jetzigen Form abgeschafft. Damit entfällt der Umsatzsteuervorwegausgleich. Für die Erfüllung dieser Forderung
hat sich unser Finanzminister Norbert Walter-Borjans früh eingesetzt. Auch ich habe vehement für diese Lösung gekämpft. Es ist ein großer Erfolg, dass wir uns jetzt mit dieser Forderung durchgesetzt haben. Das ist ein großer Schritt zu mehr Transparenz im Finanzgeflecht von Ländern und Bund. Es wird deutlich, dass Nordrhein-Westfalen Zahlerland ist. Das bisherige System hat hier einen völlig falschen Eindruck erweckt.“
Die Wissenschaft hingegen kritisierte die Einigung der Länder direkt. Laut Prof. Dr. Clemens Fuest, Präsident des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung, „ist der vorliegende Plan zur Reform des Finanzausgleichs für Bürger und Steuerzahler enttäuschend“ (ZEW, 2015). Auch auf Bundesebene gibt es Kritik am Reformvorschlag. Laut dpa-Meldung vom 28. Januar 2016 bewertet der Bundesfinanzminister das Einigungsergebnis kritisch. Das Ländermodell sei zu wenig transparent, es lasse reformerischen Elan vermissen und verfehle das Ziel, mehr Eigenverantwortung für die Länder zu schaffen.
Das Bundesfinanzministerium hat deshalb nun mit einem eigenen Konzept zur Reform der BundLänder-Finanzbeziehungen (BMF-Modell) auf den Stillstand reagiert.
Neben diesen nachvollziehbaren Kritikpunkten an der Einigung der Ministerpräsidenten der Länder über eine Neugestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ist jedoch mit der aktuellen Steuerschätzung aus Mai 2016 ein weiteres Kernanliegen des Landes Nordrhein-Westfalen offenbar gegenstandslos geworden:
Das Land Nordrhein-Westfalen würde ebenfalls nach dem reformierten Finanzausgleichssystem im Jahr 2020 weiter ein Nehmerland sein und somit wohl keine Position als Zahlerland innehaben (vgl. Tagesspiegel vom 8. Juni 2016). Nach aktuellen Berechnung würde das Land NordrheinWestfalen im Jahr 2020 – also bereits im ersten Wirkungsjahr des neuen Systems – rund 130 Millionen Euro erhalten. Bei Zugrundelegung des BMF-Modells wären die Zuweisungen an das Land aus dem bundesstaatlichen Finanzausgleich an das unverändert Nehmerland seiende Nordrhein-Westfalen sogar mit 150 Millionen Euro noch höher.
Diese Aussage ist zwar kommunikativ von Seiten der amtierenden Landesregierung nicht gewollt, das BMF-Modell wäre aber demnach rein ökonomisch für die Landesinteressen Nordrhein-Westfalens vorteilhafter als die Ländereinigung.
Die aktuellen wissenschaftlichen Befunde und neuen Berechnungen des renommierten Leipziger Finanzwissenschaftlers Prof. Dr. Thomas Lenk sind daher ein Paukenschlag:
Wenn die nach der neuen Steuerschätzung vorliegenden Prognosen so eintreten, hätte die rot/grüne Landesregierung keines ihrer stets kommunizierten Ziele bei dieser Reform des Länderfinanzausgleichs erreicht: Das Land bliebe in der Betrachtung weiter Nehmerland, würde an einer erhöhten Finanzmittelausstattung der Länder nur unterproportional partizipieren und fortgesetzt die politisch gesetzten Fehlanreize und Verzerrungswirkungen zugunsten einiger anderer Länder akzeptieren, die die Landesregierung zuvor selbst kritisiert hat.
Dieser Befund für die künftige Stellung NordrheinWestfalens ist umso ernüchternder, da unser Land bekanntlich im bundesweiten Vergleich westlicher Flächenländer unverändert trotz Bestbedingungen und stark steigender Rekordsteuereinnahmen die größten Haushaltsprobleme aufweist. Derzeit ist noch völlig unklar, ob NordrheinWestfalen im Jahr 2020 überhaupt die Mindestanforderungen an die Schuldenbremse im Grundgesetz erfüllt. SPD und Grüne haben sich aus dieser Interessenlage auch entschieden, bloß keine verbindlicheren Regeln für einen besseren Schuldenstopp auf Landesebene zu vereinbaren, wie dies andere Bundesländer längst beschlossen haben.
Das zähe Ringen um die Neuordnung der BundLänder-Finanzbeziehungen lässt eine politische Verständigung auf das ursprüngliche Ländermodell aus Dezember 2015 ausweislich aktueller Medienberichte als immer unwahrscheinlicher erscheinen. Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans hält dennoch offenbar unbeirrt daran fest.
Es stellt sich deshalb die dringende Frage, ob der Länderansatz grundsätzlich neu überdacht werden sollte, wenn nach aktuellem Erkenntnisstand selbst der von der rot/grünen Landesregierung erstrebte kosmetische Effekt des Zahlerlandes nicht mehr eintreten dürfte. Nordrhein-Westfalen hat sich wohl ergebnislos beim Länderfinanzausgleich verkämpft und steht für die ökonomischen Landesinteressen mit leeren Händen vor den Bürgern.
Der Finanzminister sollte dem Parlament daher ausführlich darlegen, wie er die Auswirkungen seiner Verhandlungen vor dem Hintergrund aktueller Erkenntnisse bewertet, welche Auswirkungen eine denkbare Annäherung der Länder an das BMF-Modell hätte und mit welchen Nachverhandlungen er die Landesinteressen irgendwie wahren möchte.
Scheitert Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans nun mit seinen Vorstellungen für eine angeblich verbesserte Systemreform sowohl inhaltlich als auch prozedural?
Die Landesregierung hat angekündigt, dass Herr Minister Dr. Walter-Borjans diese Frage beantworten wird. – Bitte, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Witzel, ich habe eine Mündliche Anfrage vorliegen, die – das würde ich schon gerne am Anfang mal sagen – von Unterstellungen geprägt ist. Es beginnt damit, dass die Selbstbewertung, dass es berechtigte Zweifel gibt, sich erst mal aus den Fragen und Antworten, die zu geben sind, klären müsste.
Und zweitens: Wenn es hier heißt: „Das Bundesfinanzministerium hat deshalb nun mit einem eigenen Konzept zur Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen auf den Stillstand reagiert“, dann muss man der Richtigkeit halber sagen, dass es seit Herbst letzten Jahres einen Vorschlag der Länder gibt und der Stillstand durch das Bundesministerium verursacht worden ist. Und wenn jetzt etwas vorliegt, ist das gut, aber es handelt sich nicht um den Stillstand der Länder.
„Derzeit ist noch völlig unklar, ob Nordrhein-Westfalen … 2020 überhaupt die Mindestanforderungen an die Schuldenbremse … erfüllt.“