Protocol of the Session on July 6, 2016

Wir haben weiter nach der von Wissenschaftlern konstatierten zu geringen Leistungsspitze und nach den rund ein Drittel ausmachenden digitalen Analphabeten gefragt. Die Antwort lautete: Wir haben den Medienpass. – Weitere Aktivitäten gab es keine.

Bei der Frage nach der digitalen Schulausstattung wurde auf das Programm der NRW.BANK und 104 Projekte hier in Nordrhein-Westfalen verwiesen. Schade war nur, dass in der Pressekonferenz weder die NRW.BANK noch Frau Ministerin Löhrmann sagen konnten, ob die Kredite überhaupt in die ITInfrastruktur geflossen sind oder ob sie nicht anderweitig verwendet wurden. – Meine Damen und Herren, so kommen wir in diesem wichtigen Bereich nicht voran.

Frau Ministerpräsidentin Kraft hat in besagter Rede von vergangener Woche auch davon gesprochen, dass die Landesregierung eine Digitalisierungsstrategie aufgelegt habe – ressortübergreifend, in allen Details. Ich sage Ihnen: Diese Strategie können weder meine Fraktion noch ich bei derartigen Antworten erkennen.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Ich möchte am Ende meiner Rede aber auch noch einmal ganz konkret auf den vorliegenden Piratenantrag eingehen. Manche Grundforderungen der Piraten sind richtig, vieles aber ist tatsächlich nicht zustimmungsfähig.

Auch wir als FDP wollen mehr Informatikunterricht. Den naturwissenschaftlichen Unterricht – bei dem NRW im Bundesländervergleich verheerend abgeschnitten hat – aber derart rigoros zusammenzustreichen, lehnen wir vehement ab.

(Beifall von der FDP)

Auch bei einigen Ihrer Formulierungen – meine Kollegin Frau Bunse hat es ja schon angesprochen –

kann ich nur den Kopf schütteln. Ja, die Digitalisierung stellt auch Fragen an die Ausgestaltung des Urheberrechts. Auch wir sehen bei OER große Chancen. Generell vom Überwinden des Urheberrechtes zu sprechen hat aber, meine Damen und Herren, eindeutig einen falschen Zungenschlag.

(Beifall von der FDP)

Noch „besser“ ist die pauschale Formulierung, das Zitat in Ihrem Antrag: „Zugang wird wichtiger als Besitz“.

(Zuruf von Michele Marsching [PIRATEN]: Das passt der FDP nicht, das ist klar!)

Ich möchte einmal auf das eingehen, worüber wir heute Morgen bereits debattiert haben. Es gibt nämlich tatsächlich eine solche Entwicklung hier in Nordrhein-Westfalen; aber die bezieht sich mehr auf die Wohnungseinbrüche und die nicht aufgeklärten Fälle in diesem Land.

(Beifall von der FDP)

Derartige Formulierungen in Ihrem Antrag aber sind nicht richtig. – Es sei mir gestattet, Sie darauf hinzuweisen: Sie müssten das, was diese Formulierung beinhaltet, tatsächlich einmal bis zum Ende durchspielen und schauen, was für Konsequenzen das mit sich bringt.

Sie haben in einer der vorangegangenen Reden von „marxistischer Schwarmintelligenz“ gesprochen. Ja, „marxistisch“ kann man bei solchen Äußerungen sicherlich sagen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Was? Wer hat das gesagt?)

Vielleicht kann man auch „kleiner Schwarm“ sagen. Über den Rest reden wir dann im Ausschuss. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Gebauer. – Der fraktionslose Abgeordnete Schwerd ist der nächste Redner. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“ – Das soll Albert Einstein gesagt haben. Man könnte fast meinen, er habe das Internet vor Augen gehabt. Oder – abseits von meinem Redetext –: Manche der Reden, die heute hier zu diesem Punkt gehalten worden sind, scheinen mir grenzenlos dumm zu sein.

(Beifall von den PIRATEN)

Aber zurück zu meinem Redetext. Die Dummheit, die man im Internet zu lesen bekommt, scheint wirklich manchmal unendlich zu sein. Verschwörungstheoretiker und Hassprediger waren früher isoliert und weit weg von ihren Opfern. Im World Wide Web finden sie ihr Publikum und rücken ihren Opfern auf die Pelle. Technische Mittel helfen gegen diese gesellschaftlichen Probleme jedenfalls nicht.

Außer dem Löschen von tatsächlich illegalem Material an der Quelle hilft hier nur eines: Medienkompetenz. Und deren Vermittlung muss bereits in der Schule beginnen. Damit meine ich nicht technische Medienkompetenz; die haben unsere Kinder ohnehin mehr als wir. Ich meine Punkte wie Mediengestaltung und Medienkritik. Genau dafür bietet sich das bisherige Fach Informatik an. Anstatt den Umgang mit kommerzieller Standardsoftware zu lernen, sollte es doch zunächst um grundlegende Konzepte und Prinzipien der Programmierung gehen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich übrigens Herrn Höttges, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom, entschieden widersprechen, der kürzlich in einem Interview mit der „FAZ“ forderte, in den Schulen sollten mehr Programmiersprachen gelernt werden.

Nein, es ist eben gerade nicht Aufgabe der Schulen, zurzeit angesagte Programmiersprachen zu pauken. Das ist Aufgabe der Unternehmen und nennt sich Ausbildung. Schule ist nicht dafür da, möglichst schnell verwertbare Arbeitskräfte zu produzieren, sondern bei jungen Menschen ein Fundament an Bildung zu legen, zu der in Zukunft auch die Digitale Demokratie gehört.

In dem Maße, in dem Vernetzung und Computer unser Leben immer weiter durchdringen, wird der Umgang mit den Maschinen selbst immer weniger zum Selbstzweck. Immer mehr muss gelehrt werden, mit den Begleiterscheinungen umzugehen. Man muss über Datenschutz und Privatsphäre aufklären, über Cybermobbing und Netiqette. Man muss Mittel der digitalen Selbstverteidigung erlernen. Zusammenhänge in der digitalen Welt müssen erkannt und verstanden werden. Verantwortungsbewusster Umgang mit Medien und Inhalten muss trainiert werden. Nicht zuletzt müssen Maschinen und Algorithmen auf abstraktem Level verstanden und beherrscht werden. – So stelle ich mir ein Fach Informatik vor, kombiniert mit Medienkunde und Digitaler Demokratie.

Auf jeden Fall müssen wir weg von dieser BulimiePädagogik: In kürzester Zeit vollstopfen mit einer Riesenmenge Faktenwissen, bei der nächsten Prüfung wieder auskotzen und anschließend vergessen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke, Herr Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Löhrmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Piratenfraktion fordert die Landesregierung auf, eine Strategie für die schulische Bildung in der digitalisierten Welt zu entwickeln. Ihren Zwischenruf aufgreifend, lieber Herr Marsching, und in Ihren Worten sage ich Ihnen: Schöner Versuch!

Sie wissen doch sehr wohl, dass die Landesregierung bereits im vergangenen November einen Dialogprozess mit dem Ziel eines Leitbildes „Lernen im Digitalen Wandel“ angelegt hat und dass wir uns seit Januar des vergangenen Jahres fokussiert mit den damit zusammenhängenden Themen beschäftigen. Auch dieser Auftakt hat nicht etwa bei null angefangen, sondern hat an verschiedenen Entwicklungsprozessen in Nordrhein-Westfalen angesetzt.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Auch der Berliner Flughafen ist in Bau! – Heiterkeit von den PIRATEN)

Diese Arbeit haben wir nicht hinter verschlossenen Türen verrichtet, auch das wissen Sie. Nehmen Sie die Regierungserklärung der Ministerpräsidentin vom 29. Januar 2015

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Die haben wir schon zerlegt!)

oder aktuell den Dialogprozess „Lernen im Digitalen Wandel“ als Beispiel. Mit einer interessierten Öffentlichkeit diskutieren wir, wie Kitas, Schulen, Jugendarbeit und Hochschulen, aber auch die Fachkräfteausbildung und die gemeinwohlorientierte Weiterbildung noch besser auf die Anforderungen der Digitalisierung vorbereitet werden können.

Für uns ist es bei der Digitalisierung wichtig, die gesamte Bildungskette als zentrales Gestaltungsfeld zu begreifen. Wir betrachten die Schulen nicht isoliert, für uns ist vielmehr klar: Lernen im digitalen Wandel benötigt eine Herangehensweise, die auch die Kinder- und Jugendarbeit, die berufliche Bildung und die Zivilgesellschaft berührt. Wir haben daher eine ganze Reihe von Initiativen ergriffen und verschiedene Prozesse eingeleitet.

Bis Mitte Januar 2016 haben mehr als 1.000 interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer die OnlineDiskussion der Staatskanzlei verfolgt, und es wurden etwa 500 Beiträge und Kommentare abgegeben. Am 11. März 2016 haben mehr als 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Kongress der Landesregierung „Lernen im Digitalen Wandel“ die Zwischenergebnisse des bisherigen Dialogprozesses mit mehreren Kabinettmitgliedern in Fachworkshops diskutiert und mit entwickelt.

Ich kann nur noch einmal betonen: Verschiedene Akteure, die dort aufgetreten sind, haben deutlich gemacht, dass es in keinem Land einen vergleichbaren Kongress gegeben hat, und haben sehr viel Unterstützung für den Ansatz der Landesregierung bei diesem Vorgehen zum Ausdruck gebracht, allen voran Herr Dr. Schuster von der Deutschen Telekom Stiftung, der das Ganze sozusagen von außen in den Blick genommen hat. Auch der EU-Kommissar, Herr Oettinger, hat aus Sicht der EU-Kommission deutlich gemacht, dass es sinnvoll ist, wie Nordrhein-Westfalen hier vorgeht, abgestimmt auf die verschiedenen Bereiche im gesamten Landeskabinett, und dass es sinnvoll ist, zielgerichtet, nachhaltig und nicht aktionistisch vorzugehen.

Von dieser Herangehensweise werden Sie uns auch nicht abbringen, weil wir es richtig finden, genau so vorzugehen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Frau Ministerin, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Kern zulassen?

Gerne.

Danke schön, Frau Ministerin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade die Zahlen zur Beteiligung Ihrer Online-Plattform dargelegt. Ich hätte gern von Ihnen gewusst, wie viele Schülerinnen und Schüler im zweiten Halbjahr 2016 in der Sekundarstufe II anteilsmäßig Informatikunterricht genossen haben. – Danke.

Es dürfte doch selbstverständlich sein, dass ich dazu jetzt keine Zahl abrufen kann.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Über den Dau- men! Ungefähr!)

Ich bitte um Verständnis. Ich bin nicht die oberste Sachbearbeiterin, die hier mal eben die Daten aufruft, sondern ich bin Ministerin für Schule und Weiterbildung dieses Landes.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Aber Sie ken- nen die Zahlen! Sie haben sie schon mehrfach genannt!)

Bei allem Verständnis, ich habe nicht jederzeit alle Daten zur Verfügung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn das Ihre Herangehensweise an eine wertegeleitete Diskussionen ist, die in der Debatte auch deutlich geworden ist, dann tut mir das leid.