Protocol of the Session on June 10, 2016

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir machen mit diesem sehr umfassenden Antrag deutlich, dass für uns die Umsetzung der UNKinderrechtskonvention eine ganz hohe Bedeutung hat und dass es unser politischer Wille ist, sie in allen gesellschaftlichen Bereichen umzusetzen.

Grundrechte müssen durch Implementierung, Monitoring und Evaluation nachgehalten und sichergestellt werden. Das muss passieren – auch das beschreiben wir in unserem Antrag – in sehr enger Abstimmung mit zivilgesellschaftlichen Kontrolleuren, die uns begleiten und darauf achten, dass das, was wir beschließen, auch umgesetzt wird.

Die drei Säulen der Konvention sind Förderung, Beteiligung und Schutz. Sie bilden den Rahmen, innerhalb dessen wir denken und handeln. Das bedeutet vor allen Dingen – das ist ganz wichtig –, eine andere Haltung einzunehmen. Kinder sind keine Objekte, die wir erziehen, sondern sie sind Träger von Rechten.

Diese Haltung muss in allen gesellschaftlichen Bereichen, nicht nur in der Kinder- und Jugendhilfe, sondern in allen Politikbereichen immer wieder deutlich werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Auch in Deutschland – das hat Frau Kollegin Hack angesprochen – werden die sozialen und wirtschaftlichen Rechte nicht ausreichend umgesetzt. Kinderarmut ist in Deutschland viel zu hoch. In keinem anderen OECD-Land ist der Bildungserfolg von Kindern so eng verknüpft mit dem Portmonee der Eltern. In keinem anderen OECD-Land haben es Kinder so schwer, aus der Armutsspirale auszubrechen.

(Zuruf von der CDU)

Genau deshalb – und das machen wir in NordrheinWestfalen, lieber Kollege – müssen Kinder von Beginn an gefördert werden.

Wir fangen bei der Elementarbildung, beim Fundament für Bildung an. Es ist klar: Benachteiligte Kinder brauchen mehr Förderung. Das machen wir in unseren „plusKITAs“, die wir – Rot-Grün – mit dem zweiten KiBiz-Änderungsgesetz auf den Weg gebracht haben. Das ist hierfür ein wichtiges Instrument. Ebenfalls haben wir die Beteiligung der Kinder im KiBiz fest verankert. Mit dem Programm „Kein Kind zurücklassen“ wirken wir präventiv den Folgen von Armut entgegen.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist auch klar: Das können wir hier in Nordrhein-Westfalen nicht allein. Dafür brauchen wir endlich ein nationales Präventionskonzept. In Deutschland sind wir immer noch zu sehr darauf ausgerichtet, Feuerwehr zu spielen, statt von Anfang an allen Kindern gleiche Start- und Entwicklungschancen zu ermöglichen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir wollen in diesen Zeiten natürlich besonders die Kinder mit Fluchterfahrung und die Kinder mit Migrationshintergrund in den Blick nehmen. Wir müssen und wollen ihnen die gleichen Chancen geben, damit Integration gelingen kann. Deshalb fördern wir in Nordrhein-Westfalen die Brückenprojekte, um so schnell wie möglich diesen Kindern den Einstieg in unser Bildungssystem zu ermöglichen.

Wir wollen, dass es Teil des Kinder- und Jugendberichtes wird, dass die Rechtssituation der Kinder und die Umsetzung der Kinderrechte dort aufgenommen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, wir haben einen sehr umfassenden Antrag vorgelegt. Ich würde mir wünschen, dass dieser Antrag die Grundlage für eine gemeinsame und konstruktive Debatte zwischen den Fraktionen wird. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Schulze Föcking.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zeiten, in denen Kinder widerspruchslos ausschließlich das zu tun und zu lassen hatten, was Eltern, Lehrer und andere Autoritätspersonen vorgaben, sind Gott sei Dank vorbei. Auch wir hier im Landtag haben uns immer wieder mit dem Thema „Rechte von Kindern und Jugendlichen“ beschäftigt und mit unseren Mitteln vorangetrieben.

Einen neuen Impuls hat zweifellos die UN-Kinderrechtskonvention gebracht, die in Deutschland seit dem Jahr 1992 gültig ist, und seither ist viel geschehen: Die Rechte der Kinder in Deutschland wurden in vielfältiger Weise gestärkt und ausgebaut. Das gilt sowohl für den rechtlichen als auch den sozialen Bereich.

Der Jugendschutz wurde mehrfach verbessert. Die Straftatbestände zum sexuellen Missbrauch von Kindern wurden mehrfach überarbeitet und verschärft. Im Jahr 2012 wurde mit dem Bundeskinderschutzgesetz gleich ein ganzes Gesetzesbündel novelliert. Das Ziel war es, das Kindeswohl zu stärken und die körperliche und geistige sowie die seelische Entwicklung von Kindern zu fördern. Gesetzgeberisch waren wir daher auf vielen Gebieten aktiv. Vieles wurde neu geregelt und aktuellen Entwicklungen angepasst.

Tatsache ist und bleibt aber: Es gehört auch und vor allem zu den Rechten der Kinder, ohne Armut aufzuwachsen,

(Beifall von der CDU)

denn eines ist klar: Arme Kinder aus armen Familien sind bei der gesellschaftlichen und sozialen Teilhabe massiv benachteiligt. Arme Kinder haben laut dem Armutsbericht des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes einen schlechteren Zugang zu Bildung, einen schlechteren Zugang zu außerschulischer Bildung wie Musikschule oder Sportverein, ein schlechteres Wohnumfeld, und sie sind häufiger krank. Jedes arme Kind sollte für uns also Ansporn sein, politisch aktiv zu werden.

(Beifall von der CDU)

Möglichst vielen Kindern gute Chancen zu eröffnen, sollte unser Ziel sein. Wie sieht es in NordrheinWestfalen aus? Passen der viel beschworene Anspruch „Kein Kind zurücklassen“ und die Realität überein? Wie haben sich die Zahlen entwickelt?

Die Zahlen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes sprechen eine klare Sprache. Zwischen 2010 und

2014 ist die Armutsquote in Nordrhein-Westfalen um 2,1 Prozentpunkte von 15,4 auf 17,5 Prozentpunkte gestiegen.

(Zuruf von der FDP)

Kein anderes Bundesland zeigt in mehrjähriger Sicht eine schlechtere Entwicklung als Nordrhein-Westfalen. Während 2014 bundesweit jedes sechste Kind unter drei Jahren in Armut lebte, so galt dies in Nordrhein-Westfalen für jedes fünfte Kind. Besonders dramatisch ist die Lage im Ruhrgebiet. Im Jahr 2015 lag dort die Hartz-IV-Quote bei Kindern insgesamt bei 28 %, in Gelsenkirchen erreichte sie den traurigen Spitzenwert von 40 %.

Armut ist für mehr als die Hälfte der betroffenen Kinder ein anhaltender Zustand. Sie ist tagtägliche Normalität, oftmals über Jahre. Die Folgen dieses Mangels sind für die Kinder und Jugendlichen verheerend.

Was glauben Sie, was die Kinder empfinden, wenn sie in der Schule mit ihrer Kleidung auffallen? Was glauben Sie, wie sich die Kinder fühlen, wenn sie aufgrund ihrer Wohnsituation keine Freunde einladen können? Was mögen diese Kinder empfinden, wenn sie nach den Sommerferien die Urlaubsschilderungen der Klassenkameraden hören und selbst nicht einmal ins Schwimmbad gehen konnten?

(Andrea Asch [GRÜNE]: Und wer ist dafür ver- antwortlich?)

Wie würden Ihre Kinder reagieren, Frau Asch? Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie würden Sie sich als Eltern fühlen? – In ihrem Antrag fordern SPD und Grüne Handlungskonzepte …

(Zurufe)

Die Wahrheit tut scheinbar weh. – … gegen Armut und soziale Ausgrenzung. Sie führen zahlreiche Punkte an, sodass der Antrag schließlich 15 Seiten umfasst. Außer Acht lassen Sie dabei jedoch das wichtigste Instrument gegen Kinderarmut, Frau Hack: Kinderarmut ist untrennbar mit Elternarmut verbunden.

(Ingrid Hack [SPD]: Meine Worte, Frau Schulze Föcking!)

Wer Kinderarmut wirklich bekämpfen will, muss bei den Eltern ansetzen. Wir begrüßen daher jede gute Initiative, die uns dem Ziel näherbringt, die Kinderarmut in NRW zu verringern.

(Beifall von der CDU)

Bei dieser Landesregierung fehlt mir allerdings offen gestanden der Glaube daran. Seit sechs Jahren lese und höre ich Ankündigungen. In ihrer Regierungserklärung von 2010 verkündete die Ministerpräsidentin, den Mensch in den Mittelpunkt zu stellen. Sie wollte den sozialen Zusammenhalt stärken, NRW menschlicher machen und vor allem kein Kind zurücklassen.

2012 erklärte sie, über den Tag hinauszudenken, und bezeichnete die Armutsentwicklung, die der Armuts- und Reichtumsbericht der Landesregierung aufgezeigt hatte, als besorgniserregend. Sie wollte diese Entwicklung stoppen und die Schere zwischen arm und reich schließen.

Sehe ich mir diese Ankündigungen und die Zahlen des Paritätischen an, so muss ich feststellen:

Frau Kraft ist gescheitert. Diese Landesregierung ist auf diesem Gebiet komplett gescheitert. Für die Betroffenen bedeutet das sechs verlorene Jahre, und das ist bitter.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Der Paritätische trägt jedoch nicht nur Zahlen zusammen, er weist auch den Ausweg. Ich zitiere aus dem Armutsbericht, Seite 9:

„Damit stellt sich die Frage, was getan werden kann, um Armut zu vermeiden. Wie sowohl die Vergleiche zwischen den Regionen als auch zwischen verschiedenen Einwanderergruppen gezeigt haben, ist die Einbindung in den Arbeitsmarkt entscheidend. Der einfache Grund besteht darin, dass Lohnarbeit für die meisten Familien die einzige Einkommensquelle darstellt, die auf Dauer ein Leben oberhalb der Armutsgrenze ermöglicht.“

Sie müssen daher endlich die richtigen Rahmenbedingungen für mehr Arbeitsplätze schaffen; das ist nach allen Zahlen und Statistiken nachweislich der Fall. Wir brauchen mehr als PR-Modellprojekte. Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die diesen Namen wirklich verdient, und keine Erklärungsversuche für Ihr fortgesetztes Scheitern.

(Beifall von der CDU)

Wir brauchen eine solide und durchdachte Schulpolitik für mehr sozialen Aufstieg durch Bildung. Wir brauchen eine Inklusionspolitik, die Teilhabe ermöglicht und einen echten Fortschritt für alle darstellt, und keine Inklusionspolitik light, die niemandem gerecht wird.

(Beifall von der CDU)

Auch hier gilt es, den Rechtsanspruch mit wirklichem Leben zu füllen – nicht nur heiße Worte zu verbreiten.

Wir brauchen starke Eltern, denn nur das bedeutet auch starke und selbstbewusste Kinder,