Protocol of the Session on June 9, 2016

Wir werden heute natürlich der Überweisung Ihres Antrags an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zustimmen. Dort werden wir ihn vertieft inhaltlich beraten. Vorweg möchte ich aber daran erinnern, dass wir in Nordrhein-Westfalen bereits seit Anfang der 90er-Jahre eine kontinuierliche Gesundheitsberichterstattung haben, zu deren wichtigstem Merkmal die geschlechtsspezifische Aufbereitung und Auswertung der maßgeblichen Datenquellen im Gesundheitsbereich gehört.

In Kürze erscheint der aktuelle Landesgesundheitsbericht 2015 mit ebenfalls ausführlichen landesspezifischen Analysen zu Krankheitsbelastungen und -ursachen bei Männern, aber auch bei Frauen. Diese Ergebnisse werden wir sicher in unsere Ausschussberatung einfließen lassen.

Eine Anmerkung möchte ich noch machen, weil Sie ausdrücklich auf den Aufgabenbereich des Kompetenzzentrums Frauen und Gesundheit NRW in Ihrem Antrag Bezug nehmen. Sie beantragen, dass das Kompetenzzentrum um einen ganzheitlichen Genderaspekt erweitert wird.

Gerade diese Einrichtung hat bereits in den Jahren 2000 bis 2006 die Strategie des von Ihnen benannten Gendermainstreamings verfolgt. Unter Ihrer Regierungszeit ist diese Arbeit eingestellt worden.

(Susanne Schneider [FDP]: Das war aber le- diglich Frauen vorbehalten!)

Es freut mich sehr, dass Sie die Arbeit dieser Einrichtung heute nicht nur schätzen, sondern auch zusätzlich erweitert sehen müssen.

(Lachen von Susanne Schneider [FDP])

Susanne lacht jetzt, aber wir diskutieren sicherlich noch einmal intensiv im Ausschuss.

Denn Gendermainstreaming ist aus unserer Sicht der geeignete Ansatz, um den Bedürfnissen von Jungen, Männern und Frauen sowie Mädchen und Frauen gerecht zu werden. Wir müssen eben für beide Geschlechter den richtigen Weg in der Gesundheitspolitik finden.

Frau Kollegin.

Daher freue ich mich auf unsere weiteren Beratungen und lande punktgenau mit dem Ende meiner Rede. – Vielen Dank, Herr Präsident.

(Beifall von der SPD und Josefine Paul [GRÜNE])

Vielen Dank, Frau Kollegin Warden. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Kern.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Gesundheit ist ein hohes Gut – das sagt man so dahin. Es ist gut, dass wir heute über Männergesundheit sprechen. Die Wahrheit ist: Auch beim Thema der konsequenten Förderung von Männergesundheit ist Nordrhein-Westfalen im Verhältnis zu anderen Bundesländern durchaus Entwicklungsland.

(Bernhard Tenhumberg [CDU]: Hört, hört!)

Im Bereich der Frauengesundheit haben wir in diesem Land schon eine gute, 40-jährige Tradition. Deshalb wissen wir, dass es sinnvoll ist, Gesundheit auch unter Geschlechtergesichtspunkten zu sehen. Auch Konzepte zur Männer- und Jungenförderung müssen in Nordrhein-Westfalen stärker in den Fokus genommen werden.

Auch die Antwort auf die Große Anfrage zu Jungen hat gezeigt, dass dort noch Handlungsbedarf besteht. Die Bundesländer Bayern, Bremen und Schleswig-Holstein sind dabei schon auf dem Weg und können durchaus als Vorbilder fungieren.

Männer und Frauen sind unterschiedlich krank. Fachlich kompetent geht der neue DAK-Gesundheitsreport darauf ein. Die Überschrift der Veröffentlichung „Warum Frauen und Männer anders krank sind“ trifft den Nagel auf den Kopf. Ob Krankheitswahrnehmung oder gesundheitliches Verhalten – es gibt deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Das macht sich in der Wahrnehmung gleicher Krankheiten bemerkbar, zum Beispiel beim Herzinfarkt.

Fest steht: Männer haben eine durchschnittlich rund fünf Jahre geringere Lebenserwartung als Frauen. Nur ein Jahr davon ist biologisch-medizinisch begründet. Vier Jahre sind durch Lebens- und Arbeitsbedingungen beeinflusst. Hier gibt es auch für die Politik Ansatzmöglichkeiten.

Fest steht: Männer haben eine ungesündere Lebensweise; der nächste Redner wird dazu vielleicht auch noch etwas sagen. Männer haben andere Ess- und Trinkgewohnheiten.

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Wie kommst du jetzt darauf? – Gegenruf von Josef Hovenjür- gen [CDU])

Jungen und Männer gehen größere Risiken ein. Männer haben häufig größere berufliche Belastungsfaktoren, zum Beispiel körperliche Arbeit und gefährlichere Arbeit. Männer widmen sich der Gesundheitsvorsorge mit einer geringeren Aufmerksamkeit und oft auch fahrlässig. Männer rauchen mehr.

(Michael Hübner [SPD]: Das hört sich an wie der Grönemeyer-Song!)

Männer geben nicht zu, wenn es ihnen schlecht geht. Wehwehchen werden verschwiegen. Ein Indianer kennt keinen Schmerz, so heißt das Sprichwort.

(Heiterkeit und Beifall von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])

Psychische Erkrankungen sind nicht nur Frauensache; sie nehmen bei Männern dramatisch zu. Aus dem Bericht geht mit Blick auf die Suizidgefährdung eindeutig hervor, dass Jungen eher Selbstmord begehen als Mädchen. Das kann uns nicht egal sein.

Nordrhein-Westfalen braucht deshalb beim Thema „Jungen- und Männergesundheit“ Konzepte mit unvoreingenommener Berücksichtigung dieser Fakten. Deshalb müssen Gesundheitsaufklärung und Präventionsmaßnahmen weiter ausgebaut werden. Männer müssen durch Präventionsmaßnahmen anders angesprochen werden als Frauen, weil sich Männer, was ihren Gesundheitszustand angeht, grundsätzlich gut oder besser fühlen oder vielleicht nicht zugeben, dass es ihnen nicht gut geht.

Für Nordrhein-Westfalen steht fest: Es wird zu wenig für Jungen- und Männergesundheit getan. Da müssen wir noch mehr tun, auch wenn das eine oder andere eben schon erwähnt worden ist.

Meine Damen und Herren, ich zitiere mit Genehmigung der Landtagspräsidentin aus dem Zweiten Gesundheitsbericht des Bundes.

Des Präsidenten!

(Allgemeine Heiterkeit)

Gut, Entschuldigung.

Bitte.

(Allgemeine Heiterkeit)

„In weiten Teil der Medizin und des öffentlichen Bewusstseins geht Männergesundheit noch nicht über die Urologie hinaus.“

(Allgemeine Heiterkeit)

Im gleichen Bericht wird von der Depressionsblindheit bei der gesundheitlichen Beobachtung und Analyse von Männern gesprochen. Das ist ein wichtiger Hinweis, den wir uns merken sollten.

Ich komme zum Schluss. Es gibt zehn Punkte, die wir in Nordrhein-Westfalen gemeinsam im Ausschuss besprechen sollten:

Erstens. Eine weitere Intensivierung der Männerforschung.

Zweitens. Eine bessere Erreichbarkeit von Männern für Gesundheitsthemen.

Drittens. Die Förderung der Motivation von Jungen und Männern zu mehr Eigenverantwortung in Gesundheitsfragen.

Viertens. Den Ausbau und die nachhaltige Etablierung von Männermedizin.

Fünftens. Mehr Wissen über die medizinischen Anlaufstellen für Männer, um gesundheitliche Aufgabenstellungen und Probleme zu lösen.

Sechstens. Auch das soziale Gefüge ist bei der Männergesundheit zu berücksichtigen. Denn es darf nicht sein, dass Männergesundheit ein Thema für Bildungseliten ist.

Siebtens. Es muss ein Ziel sein, die männerspezifischen Gesundheitsrisiken zu reduzieren.

Achtens – noch ein Aspekt für die Frauen –: Die angesprochene Problematik des gendergerechten Forschungsdesigns von Arzneimitteln ist unbedingt zu vertiefen. Da können wir noch mehr für die Frauen tun.

Neuntens. Eine enge Zusammenarbeit mit den Leistungsträgern im Gesundheitswesen, insbesondere mit den Krankenkassen, ist wünschenswert.

Zehntens. Eine Weiterentwicklung des Themas „Frauen- und Männergesundheit“ sollte obligatorischer Tagesordnungspunkt auch der lokalen Gesundheitskonferenzen sein, weil sie vor Ort viel dafür tun können.

Es bleibt also viel zu tun. Vielleicht noch ein kleiner Spaß zum Schluss: Schluss mit Männerschnupfen! In dem Sinne.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Kern. Ich bitte um Verständnis dafür, dass Sie seitens des Präsidiums jetzt mit einem Mann vorliebnehmen mussten.