Protocol of the Session on June 9, 2016

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

In dem Brief, den der bayerische Finanzminister gemeinsam mit unserem Finanzminister geschrieben hat, wird nicht gefordert, dass der Bund alles übernehmen soll und wir überhaupt nichts mehr machen, sondern es steht ein fairer Vorschlag mit einer Kostenübernahme von 50 % im Raum.

Wenn Bayern und NRW in Finanzfragen einer Meinung sind, dann muss das richtig sein. Es ist den Leuten aber nicht zu vermitteln, dass wir hier mit Nachtragshaushalten alles bewegen. Den Leuten vor Ort, die in den Flüchtlingsunterkünften arbeiten, sowie den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, welche die Aufgaben managen müssen, ist nicht zu erklären, dass sich der Bund so – in dieser Art und Weise – aus der Verantwortung stiehlt, meine Damen und Herren!

Herr Kollege Abel, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Dr. Optendrenk?

Wenn es zum Thema ist, sehr gerne.

Das entscheidet dann der Fragesteller. Bitte schön.

Herr Kollege, herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich möchte Sie fragen, ob Sie mit mir der Meinung sind, dass es Voraussetzung dafür, dass wir entsprechend tätig werden können – wie auch beim Thema Bund-Länder-Finanzbeziehungen allgemein –, ist, eine ausreichende Datengrundlage dazu zu bekommen, wie sich die Verhältnisse zwischen Bund und Ländern in Bezug auf die Finanzbelastungen bei der Flüchtlingsfrage konkret darstellen. Und sind Sie mit mir der Meinung, dass der Minister dazu noch eine Antwort schuldig ist?

Herr Kollege Optendrenk, wir haben beim Länderfinanzausgleich – das haben Sie völlig zu Recht gesagt – in diesem Hause einen Konsens. Wir haben dem Minister in diesem Hause ein breit getragenes Mandat für die Verhandlungen gegeben.

Und wenn Sie das schon ansprechen: Wir haben auch beim Länderfinanzausgleich die Situation, dass es einen konkreten Vorschlag der Bundesländer – da sind sich alle 16 Bundesländer einig – gibt und dass der Bund bis heute diesem Vorschlag nicht beigetreten ist.

Das ist ein weiterer Punkt, wo wir von der Bundesregierung bzw. vom Bundesfinanzminister erwarten, dass er das, was seine Länderfinanzkollegen sagen – ich könnte jetzt noch andere Punkte anführen, zum Beispiel den Kampf gegen Steuerhinterziehung, will aber beim Punkt Länderfinanzausgleichs bleiben –, aufnimmt. Da ist aber immer noch nichts passiert. Es ist fast ein Jahr her, dass diese Einigung erreicht wurde. Seitdem ist nichts geschehen. Das ist den Leuten nicht zu vermitteln.

Natürlich brauchen wir Daten. Ich habe die Datenbasis für die Kosten der Integration aber eben genannt. Die Länderfinanzminister – darunter sind auch Ihre Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern – sprechen seit geraumer Zeit von Kosten in Höhe von 20 Milliarden € bis 25 Milliarden €.

Es ist nicht akzeptabel, dass Herr Schäuble mit Staatsekretär Spahn – er gehört Ihrer Landesgruppe an – eine Pressemitteilung nach der anderen herausgibt und Sie hier immer so tun, als wenn wir nicht haushalten könnten, und bei allen Mehrausgaben sagen: Das hätten Sie woanders hernehmen müssen. Dabei ist es so, dass sich der Bund seit Monaten weigert, in die Verantwortung zu gehen und den Überschuss, den es auf Bundesebene gibt, anzuzapfen. Das ist nicht akzeptabel, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich – wir haben auch ja beim vorigen Tagesordnungspunkt darüber geredet – noch erwähnen: Wir sehen 11,5 Millionen € für über 500 zusätzliche Stellen in den Schulen vor. Davon sind zur Stärkung der Inklusion 300 Stellen für Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen gedacht. Es wird mehr Geld für Weiterbildung und Familienbildung ausgegeben. Des Weiteren sind rund 1 Million € für zusätzliche Stellen im Bereich des Justizvollzugs vorgesehen. Für die Finanzverwaltung gibt es einen Zuwachs von 3,2 Millionen € für Sachmittel und zusätzliche Stellen für das wichtige Projekt „Finanzverwaltung der Zukunft“.

Bei der Polizei haben wir erneut nachgebessert. Es gibt dort zusätzliche Ausstattung. Ich habe, Herr Kollege Optendrenk – so, wie sich Ihre Fachkollegen hier in der Vergangenheit in den Debatten zur inneren Sicherheit aufgeführt haben –, schon erwartet, dass Sie diese immense Anstrengung zumindest einmal erwähnen. Ich verlange ja nicht, dass Sie sagen, dass das gut ist. Zumindest aber sollten Sie anerkennen, dass wir jetzt erneut im Nachtragshaushalt die Ausstattung der Kolleginnen und Kollegen, die für unsere Sicherheit sorgen, verbessern werden.

Meine Damen und Herren, wir machen das ohne eine Anhebung der Neuverschuldung. Das zeigt wieder: Wir reagieren. Wir halten unser Wort gegenüber den Kommunen. Wir erkennen die wichtige Leistung an, die vor Ort gemacht wird. Und wir helfen da, wo wir als Land die Verantwortung haben. Machen Sie Ihren Einfluss in Berlin deutlich. Es kann nicht sein, dass sich der Bund der Verantwortung weiter entzieht. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Abel. – Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Witzel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Haushalt des Jahres 2016 ist ein besonders wichtiger, denn es ist der letzte ernsthafte Indikator für die Haushalts- und Finanzpolitik dieser Landesregierung vor der Landtagswahl. Der Haushalt des Jahres 2017, der voraussichtlich im Dezember beschlossen werden wird, wird ein Märchenbuch von Versprechungen werden, das bis Mai 2017, was den Vollzug angeht, niemand ernsthaft evaluieren kann.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Dieser Haushalt, Herr Kollege, ist deshalb so wichtig, weil damit die Seriosität dieser Landesregierung auf den Prüfstand gestellt werden kann.

Der Finanzminister bewirbt sich mit diesem zweiten Nachtrag 2016 ganz erkennbar um einen Eintrag als größter Trickser ins Guinnessbuch der Rekorde. Begonnen hat er damit schon Ende letzten Jahres mit dem Stammhaushalt für das Jahr 2016. Da gab es eine gigantische Haushaltskosmetik von über 1 Milliarde €. Beides muss natürlich an dieser Stelle auch zusammen betrachtet werden.

Es gab zwei Maßnahmen der Trickserei. Dabei ging es einmal um die Streichung des Versorgungsfonds im Haushalt des Jahres 2016. Sie haben den Haushalt 2016 durch Umbuchungen zwischen den Jahren um über 600 Millionen € – genauer gesagt: 635 Millionen € – entlastet und umgekehrt den BLB noch einmal 426 Millionen € an den Landeshaushalt zuführen lassen. Das waren zwei Maßnahmen, um den Schuldenstand bzw. die Nettokreditaufnahme dieses Jahres in einer kosmetisch und formal richtigen Darstellung um 1 Milliarde € zu senken. Das geschah aber nicht durch Einsparungen oder durch Gestaltung, sondern in Form eines bloßen Verschiebebahnhofs.

Dieses hat offenbar für Sie, Herr Finanzminister, schön und gut funktioniert. Es ist ja auch so bequem. Dann muss man politisch keine Entscheidungen treffen, sich mit niemandem anlegen und auch gar keine Kreativität aufbringen, was neue politische Lösungsansätze angeht, sondern man verschiebt einfach zwischen Sondervermögen und dem Teil, der formal etatisierter Landeshaushalt ist. Die Beträge werden wie auf einem großen Verschiebebahnhof verschoben. Und siehe da: Auf einmal sind wieder fast 200 Millionen € da. Die können Sie ausgeben und trotzdem im strengen haushaltsrechtlichen Sinne sagen: Die Nettokreditaufnahme ist dadurch aber, formal betrachtet, nicht gestiegen, weil ich das Geld aus Sondervermögen herausgezogen habe, um entsprechend Mehrausgaben zu finanzieren – so, wie man ja auch gerne Gelder des Bundes einstreicht.

Das ist nicht in Ordnung in der Darstellung. Dieser Haushalt hier in Nordrhein-Westfalen mit den Maßnahmen, die Sie für das Jahr 2016 im zweiten Nachtrag beabsichtigen, würde bei realer und fairer Betrachtung, ohne die Skalen ständig zu verschieben,

zu einer Neuverschuldung von über 3 Milliarden € führen. Das ist fast das Doppelte von dem, was Sie nach Ihrer Haushaltstrickserei formal ausweisen.

(Zuruf von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])

Die Öffentlichkeit muss, Herr Kollege, genau darauf hingewiesen werden, was hinter dieser Haushaltspolitik steht. Dahinter steht nämlich der Ansatz, nicht konsolidieren zu wollen, nicht auch einmal unbequeme Wahrheit zu äußern, keine Prioritätensetzungen vorzunehmen, sondern immer nur draufzusatteln, Herr Kollege.

(Michael Hübner [SPD]: Wie Sie das gestern gemacht haben!)

Ich sage Ihnen, was ich daran kritisiere.

(Michael Hübner [SPD]: Bitte!)

Ich kritisiere nicht, dass hier neue Aufgaben identifiziert werden. Ich kritisiere auch nicht das, was meine Vorredner angesprochen haben, dass völlig zu Recht in die Polizei investiert wird, wenn die Herausforderung von Kriminalität sowohl bei der Einbruchskriminalität als auch im Bereich internationaler Terrorismusgefahren zunimmt. Wir kritisieren auch nicht, dass, wenn es Defizite in der Versorgung und im Umgang mit dem Thema Zuwanderung gibt, dass da Schwerpunkte gesetzt werden.

Aber Schwerpunktsetzung heißt: Wenn auf der einen Seite neue Aufgaben an Bedeutung gewinnen, dann muss ich vielleicht an der anderen Stelle auch einmal Aufgabenkritik durchführen und überprüfen, ob Aufgaben, die man noch vor fünf oder zehn Jahren für richtig und wichtig gehalten hat, in dieser Dimensionierung noch so stattfinden müssen.

(Michael Hübner [SPD]: Wie im Nachtrag!)

Dann kann es sehr wohl eine Frage der Abwägung auch der Humanität sein, dass ich sage: Ich muss jetzt in den Zeiten dieser riesigen Zuwanderung, die auf Deutschland und auf Nordrhein-Westfalen zukommt, dort Schwerpunkte setzen. Dann hat das Vorrang und eben nicht mehr die Überprüfung jedes einzelnen Mauerseglers, jeder Fledermaus und jeder Wasserralle, um die ich mich sonst so gern in der Landespolitik kümmere.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Es wäre schön, wenn Sie in den Umweltausschuss gehen würden!)

Es ist vielleicht auch einmal eine Gestaltungsherausforderung, wo man sich einmal über das Thema E-Government Gedanken machen kann.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abel?

Aber jederzeit.

Das habe ich mir gedacht. – Bitte schön, Herr Abel.

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Mich würde interessieren, wo der Änderungsantrag der FDP-Fraktion bleibt für den Mehrbedarf, der in dem Tagesordnungspunkt zuvor bei den Grundschulen formuliert wurde, und wie Sie gleichzeitig die 700 Millionen € Einsparungen umsetzen, die Sie jüngst wieder in einer Pressemitteilung gefordert haben. Kommen diese Änderungsanträge zum Haushalts- und Finanzausschuss oder kommen die dann zur letzten Lesung im Plenum?

Kollege Abel, unsere Änderungsanträge zum Haushalt kommen im Wesentlichen einmal im Jahr zur generellen Haushaltsberatung.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Oh!)

So haben wir Ihnen ein dickes Paket vorgelegt – deshalb bin ich Ihnen sehr dankbar für die Frage –, weil Sie jetzt mit vielem, was Ihr Finanzminister, den Sie als Koalition tragen, vorlegt, das nachvollziehen, was wir Ihnen vor einem halben Jahr gesagt haben. Die Defizite an bestimmten Stellen in der Finanzierung der Justiz, in der Kostenerstattung für die Kommunen zieht der Finanzminister jetzt nach, und teilweise macht er das genau mit den Haushaltstiteln, mit denen wir das beantragt haben.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Der kontert die immer nicht!)

Sie haben uns im Haushalts- und Finanzausschuss vor einem halben Jahr gesagt, da könnten wir nicht kürzen, falls wir Einsparvorschläge zur Gegenfinanzierung gemacht hätten.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Da kam ja nichts!)

„Auslagen in Rechtssachen“ ist jetzt zum Beispiel genau der Titel, an den der Finanzminister herangeht. Er realisiert jetzt ein halbes Jahr später den Änderungsantrag des Kollegen Wedel, gibt ihm damit nachträglich recht, finanziert so die Maßnahmen, die wir gefordert haben. Das ist unsere Haushaltspolitik.

Was die Stellensituation angeht, Herr Kollege Abel, will ich Ihnen das auch klar sagen. Ich bin überhaupt nicht dagegen – das habe ich gerade deutlich gemacht –, dass neue Herausforderungen im Bildungsbereich auch mit Stellen unterlegt werden. Das brauchen wir auch. Wenn wir aus Gründen der Zuwanderung neue Aufgaben in Schulen bekommen, die Sie und ich in dieser Dimensionierung vor zwei Jahren nicht erahnen konnten, muss gehandelt werden.

Wir sagen allerdings: Wir haben 14.000 Stellen, die in der Zeit seit rot-grüner Regierungsübernahme frei

geworden sind. Wenn zum Beispiel die Abfindung von Vorgriffstunden erfolgt ist, weil dort nicht Stellen Unterricht gegeben haben, sondern Arbeitszeitkontenansprüche gelöscht worden sind, und daraus haben Sie in der Summe aller Einzelmaßnahmen 14.000 Stellen, die zunächst einmal für Neuaufgaben zur Verfügung stehen. Wenn es keinen doppelten Abiturjahrgang mehr gibt, brauche ich auch nicht mehr – jedenfalls für diese Aufgabe – diese Stellen.