Protocol of the Session on June 9, 2016

Da nicht jeder, der zuhört und auf den Rängen sitzt, sich auskennt: Es ist nicht so banal, wie Sie es darstellen, auf Klick zu sagen, welcher Unterrichtsausfall wirklich Ausfall bedeutet und welcher nicht. Hierzu haben wir in diesem Gremium schon viele Debatten geführt – auch mit den beteiligten Organisationen. Denn es ist wichtig, zu unterscheiden und Kriterien dafür anzulegen, ob eine Unterrichtsstunde, die fachfremd vergeben wird, weil jemand krank geworden ist, schon Ausfall ist. Hier gibt es sehr viele Differenzierungsmöglichkeiten.

Die Schulen bitten um ein Instrument, das nicht nur ihre Bürokratie steigert, ohne den erforderlichen Nutzen in der Aussagekraft zu haben. Daran werden wir arbeiten. Das haben wir zugesagt; das tun wir, und das werden wir auch umsetzen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Eines ist mir mit Blick auf die Situation an unseren Schulen auch wichtig: der Dank an all diejenigen, die dort jeden Tag in herausragender Weise ihre Leistung erbringen. – Ja, die Bedingungen sind nicht einfach. Ich sage das noch mal in aller Offenheit: Die Landesregierung hat sich das Thema „Inklusion“ nicht ausgedacht, sondern wir setzen das um, was alle anderen Bundesländer auch umsetzen.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Alle schauen darauf, wie Nordrhein-Westfalen das als großes Flächenland schafft.

(Zurufe von der CDU)

Es lohnt sich, zuzuhören. – Wir haben nicht wie andere den Schalter von null auf 100 umgelegt, sondern wir gehen schrittweise voran. Wir versuchen, es

so gut wie möglich zu machen. Wir wissen, dass wir Belastungen auch auf die Kollegien übertragen haben. Wir wissen, dass die damaligen Bedingungen in Pilotprojekten nicht für alle umsetzbar waren – auch vor dem Hintergrund der Haushaltssituation.

Deshalb, lieber Kollege Laschet, lieber Kollege Lindner, wäre es nur fair, wenn Sie sagen, an welchen Stellen Sie noch mehr Lehrerstellen aufbauen würden – unter der Voraussetzung, dass sie alle am Markt zu kriegen sind. Wo und in welchem Umfang würden Sie diese Stellen schaffen, und wie würden Sie sie finanzieren? Wenn Sie so vorgehen würden, würden Sie in diesem Land eine ordentliche Oppositionsarbeit machen. Das sind Sie heute schuldig geblieben.

(Anhaltender lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

(Minister Michael Groschek: Das glaube ich!)

Damit schließe ich die Aktuelle Stunde.

Ich rufe auf:

2 Gesetz über die Feststellung eines zweiten

Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2016 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz

2016)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/12117

erste Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Landesregierung Herrn Finanzminister Dr. Walter-Borjans das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung verfolgt mit ihrer Haushaltspolitik seit 2010 eine konsequente Linie. Wir sichern die Handlungsfähigkeit der Landespolitik für die Menschen, für die Wirtschaft im Land und investieren in die Zukunft. Wir fahren deshalb die Neuverschuldung des Landes auch nicht hau ruck, sondern Schritt für Schritt zurück, sodass wir die Schuldenbremse ab 2020 einhalten können.

Das haben wir zweifellos mit einer soliden Wirtschaft erreicht und deshalb auch mit soliden Steuereinnahmen, aber trotzdem auch unter Verzicht auf manches

Wünschenswerte, das man natürlich gerne noch umsetzen würde, um den Erwartungen der Menschen im Land gerecht zu werden.

Aber nicht nur das. Wir haben auch für schwer kalkulierbare Herausforderungen vorgesorgt. Eine so schwer kalkulierbare Herausforderung ist das, was wir seit 2015 zu bewältigen haben: die Zuwanderung von Menschen aus Krisengebieten.

Dieser Herausforderung können, dürfen und wollen wir nicht aus dem Weg gehen. Vor allem wollen wir uns ihr so stellen, dass auch die Bewältigung dieser Herausforderung eine Zukunftsinvestition für Nordrhein-Westfalen wird, und zwar so, dass wir dabei die anderen Erwartungen der Menschen in NordrheinWestfalen nicht ausblenden. Für uns sind Zukunftssicherung, Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Haushaltskonsolidierung kein Entweder-oder.

In der gemeinsamen Pressekonferenz, die ich gestern mit dem Bundesfinanzminister in Berlin hatte, hat Wolfgang Schäuble wiederholt, was er schon mehrfach gesagt hat: Wir fahren zurzeit ein Stück weit auf Sicht. Wenn das für den Bundesfinanzminister gilt, dann kann sich kein Land und dann kann sich auch keine Kommune davon abkoppeln. Wir haben uns den auch vom Bund weitergereichten Unwägbarkeiten zu stellen, und wir haben gleichzeitig mit ihm zu verhandeln.

Wir tun das in dem Bewusstsein, gut vorgesorgt zu haben. Denken Sie nur einen Moment darüber nach, wo wir stünden, wenn der Haushalt des Jahres 2016 nicht mit den über 4 Milliarden € zusätzlich belastet wäre, die wir durch das Thema Flüchtlinge mehr in diesem Haushalt haben als 2014. Dann hätten wir ein sattes Plus. Deswegen ist auch der heutige Nachtrag ein wichtiger Beitrag, den soliden Weg fortzusetzen: Die Ausgaben steigen im Saldo um 378 Millionen € auf 69,9 Milliarden €. Sie werden vollständig gegenfinanziert ohne zusätzliche Kredite.

Der Zeitpunkt für diesen Nachtrag ist der richtige Zeitpunkt. Zur Jahresmitte haben wir belastbare Erkenntnisse über die Flüchtlingszahlen. Hätte ich der Forderung der Opposition entsprochen und diesen Nachtragshaushalt schon im Februar vorgelegt und die Zahlen aktualisiert, dann wären nicht 172 Millionen € zusätzlich im Haushalt für Flüchtlinge veranschlagt, sondern 350 Millionen €. Die Zahlen haben sich also geändert.

Wir haben auch bessere Erkenntnisse über Steuereinnahmen und Steuerprognosen: bis Ende Mai plus 8,6 % mehr Steuereinnahmen bei geplanten 5,4 %. Da sage ich ganz klar: Die werde ich jetzt nicht einfach hochrechnen, sondern wir schauen uns natürlich das zweite Halbjahr an. Es zeigt aber durchaus, dass wir hier nicht mit zu hohen Erwartungen kalkuliert haben.

Wir haben auch eine bessere Datenlage, welche Akzente wir setzen können, um eben nicht Entwederoder zu machen: entweder Flüchtlingshilfe oder Zukunftsbereiche und Investitionen.

Es ist nicht nur der richtige Zeitpunkt für den Nachtrag, sondern auch der richtige Finanzierungsweg. 150 Millionen € aus der Spitzabrechnung des Bundes bedeuten: Von den 4,6 Milliarden €, die jetzt im Haushalt für Flüchtlinge stehen – davon 2,8 Milliarden € für die Kommunen –, trägt der Bund dann 945 Millionen €. Alle diejenigen, die davon reden, es werde nicht alles weitergereicht, sollten sich die Zahlen einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das ist vonseiten des Bundes viel zu wenig, aber es ist immerhin eine erste Korrektur.

Ebenfalls 150 Millionen € können wir umschichten, weil wir eben auch zur Jahresmitte wissen, wo verfügbare Gelder 2016 nicht abfließen werden. Wir werden auch – das ist im Vorfeld schon kritisiert worden – durch Umschichtung zwischen den Haushaltsjahren dazu beitragen, dass wir den Weg zur Nullkreditaufnahme nicht in einem unnötigen und sinnlosen Zickzack gehen, wo eine klare Linie möglich und sinnvoll ist. Das erreichen wir durch eine vorgezogene Rückzahlungsrate des BLB in Höhe von 185 Millionen € – so, wie der Bundesfinanzminister das mit seinen Instrumenten, mit Sondervermögen, mit ähnlichen Buchungen, im Bundeshaushalt auch macht.

Damit bleibt die Nettokreditaufnahme unverändert bei 1,8 Milliarden €. Das sind 2,5 Cent von jedem ausgegebenen Euro. Als ich 2010 anfing, waren im Plan rund 9,5 Cent von jedem ausgegebenen Euro kreditfinanziert.

Damit sorgen wir in wichtigen Bereichen für wichtige Verbesserungen: Ausgaben in Bildung – 529 Lehrerstellen –, in Justiz, Finanzverwaltung, Polizei, Hochschulen, Breitband, Integration. Das will ich nicht im Einzelnen aufzählen. Dazu ist die Zeit abgelaufen. Aber das liegt auch mit dem Haushaltsentwurf und vor allen Dingen mit unseren öffentlichen Verlautbarungen dazu vor.

Wichtig ist nur noch der eine Satz, dass die Kommunen die vollständige Anpassung der Mittel des FlüAG und der Mittel für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, angepasst an die aktuellen Flüchtlingszahlen, erhalten.

Ich bitte in den weiteren Debatten um Zustimmung zu diesem Haushaltsentwurf. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Ich möchte darauf hinweisen, dass die Landesregierung ihre Redezeit um 1:08 Minuten überschritten hat, und erteile jetzt für die SPDFraktion dem Kollegen Zimkeit das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die einen sagen: Schon wieder ein Nachtrag. Ich sage: Es ist gut, dass es diesen Nachtragshaushalt gibt, weil er richtige Schwerpunkte setzt.

Gerade die Opposition in diesem Haus müsste eigentlich über die Inhalte dieses Nachtrages zumindest weitestgehend begeistert sein. Die FDP fordert ja immer sehr viel, und zwar insbesondere, für die Inklusion mehr zu leisten. Genau das tun wir in diesem Nachtrag mit 509 Stellen für diesen Bereich.

Wobei – so richtig einig ist sich die FDP nicht. Herr Witzel hat ja unlängst in einer Pressemitteilung vom 4. Juni in der „WAZ“ mitgeteilt, dass er es für falsch hält, dass die Demografiegewinne nicht für Stellenkürzungen genutzt worden sind.

(Ralf Witzel [FDP]: Das verdrehen Sie!)

Er sagt sehr deutlich: keine zusätzlichen Lehrerstellen aus der Demografie in die Inklusion, sondern Stellen einplanen. – Das ist ausdrücklich nicht unser Ansatz, und deswegen ist es richtig, die zusätzlichen Stellen hier zur Verfügung zu stellen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die CDU hat für heute einen Antrag vorgelegt „Die Weiterbildung – insbesondere die Familienbildung – in Nordrhein-Westfalen stärken und besser fördern“, den wir nachher noch diskutieren. Die CDU legt einen Antrag vor. Wir legen einen Nachtragshaushalt durch die Landesregierung vor, der die zusätzlichen Mittel für diesen Bereich schon bereitstellt. Wir handeln auch hier.

Die Piraten legen immer wieder sehr viel Wert auf zusätzlichen Breitbandausbau. In diesem Nachtrag sind 80 Millionen € als Kofinanzierung für Bundesmittel vorgesehen.

Für jeden in der Opposition ist also etwas dabei, und eigentlich müssten Sie hier begeistert zustimmen – insbesondere, weil das Ganze ohne eine Erhöhung der Neuverschuldung auf den Weg gebracht wird.

Wir tun aber noch mehr als das, was die Opposition fordert. Wir leisten vor allem für die Kommunen viel: 400 Millionen € zusätzlich zur Unterstützung der Kommunen im Bereich der Flüchtlinge; insbesondere für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge muss mehr getan werden. Von diesen 400 Millionen € bekommen wir 150 Millionen € vom Bund – also wieder den geringeren Anteil –, was dazu führt, dass die Schere immer weiter auseinandergeht.

Die Kostenbeteiligung des Bundes zur Finanzierung der Flüchtlingskosten liegt in Nordrhein-Westfalen mittlerweile bei weit unter 20 %, und mit diesem Nachtragshaushalt wird es noch mehr. Das kann so nicht weitergehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)