Protocol of the Session on June 9, 2016

Aber mit einem Märchen möchte ich aufräumen: Sie sagen, Sie hätten diese Reform in einem dialogorientierten Verfahren erarbeitet.

(Heiterkeit von den PIRATEN)

Ich sage Ihnen: 39 Seiten lang ist die Liste der Ablehnung der Vorschläge durch die Berufsverbände. Und die Berufsverbände sind unisono der Meinung, dass das nichts mit Dialog zu tun hat, sondern mit einem Monolog vonseiten der Regierung nach dem Motto: Friss oder stirb! – So kann man Dienstrecht nicht modernisieren.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, was uns heute nach sechs Jahren rot-grüner Regierungspolitik hier vorliegt, ist ein kümmerliches Ergebnis. Daran ändert auch der über 100 Seiten lange Änderungsantrag von SPD und Grünen nichts, der uns in der letzten Woche als Tischvorlage dahingeknallt wurde; so muss man schon sagen.

Sie haben sechs Jahre lang eine große Dienstrechtsreform versprochen. Die steht bei Ihnen auch im Koalitionsvertrag, relativ großspurig hervorgehoben, und dann haben Sie diese nach den vielen Versprechungen jahrelang verschoben. Erst sollte sie 2014 kommen, dann 2015, und jetzt kommt sie irgendwann zum 01.07.2016. Und geliefert haben Sie relativ wenig – nur Stückwerk.

Letztendlich liegt heute hier ein mutloses, missratenes Stückwerk vor, das so gut wie nichts zur Zukunftsfähigkeit unserer Landesverwaltung beiträgt. Das sehe ich nicht alleine so. Die „Rheinische Post“ schreibt mit Datum vom 1. Juni dazu: „Rot-Grün verliert die Lust an der Politik … Politiker, die gestalten wollen, sehen anders aus“.

Ähnlich sieht das der Deutsche Beamtenbund in einer Pressemitteilung vom 2. Juni – ich zitiere –: „Dienstrechtsreform – Als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet.“

Sehr geehrte Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, unsere Landesregierung aus SPD und Grünen hat die Chance vertan, mit einer richtigen großen Dienstrechtsreform die Basis für einen modernen, leistungsfähigen, effizienten und attraktiven öffentlichen Dienst zu legen. Diesen attraktiven öffentlichen Dienst – das sage ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen – brauchen wir dringend, wenn unser Land bald wieder die Rote Laterne in Sachen

Null-Wirtschaftswachstum, Arbeitslosigkeit, Kriminalität, sogar Armutsbekämpfung und jährlich höchste neue Schulden abgeben soll.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Glauben Sie eigentlich ein Wort von dem, was Sie da reden?)

Die Voraussetzungen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, für eine große Dienstrechtsreform waren gut. Schon 2009 hatte die CDU-geführte Landesregierung eine Expertenkommission – hochrangig besetzt, auch mit Gewerkschaftsvertretern – installiert. Sie haben sie nach der Regierungsübernahme 2010 sofort aufgelöst und ersatzlos gestrichen. Das kann ich vielleicht verstehen, aber damit haben Sie dem Land geschadet; denn Sie haben einmal mehr Parteitaktik vor Problemlösung gestellt.

(Beifall von der CDU – Zurufe von Hans-Willi Körfges [SPD] und Stefan Zimkeit [SPD])

Was wir mindestens hätten erwarten können, verehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, Sie hätten sich zumindest sich das Ergebnis der parteiübergreifenden Enquetekommission „Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte in den Jahren 2020 bis 2030“ anschauen können. Nach dem Hinweis vonseiten der CDU-Fraktion darauf haben Sie es teilweise getan und ein bisschen daraus abgeschrieben. Aber diese Enquetekommission legt in ihren Handlungsempfehlungen fest, was ihre wichtigsten Ziele und Zielrichtungen sind. Unter anderem heißt es da auf Seite 18:

„In diesem Zusammenhang sind Maßnahmen erforderlich, die den Einsatz der Beschäftigten nach Ort und Behörde flexibler gestalten und die Öffnung des öffentlichen Dienstes von und zur Privatwirtschaft erleichtern.“

Und auf dem letzten Halbsatz liegt die Betonung: Die Öffnung von und zur Privatwirtschaft ist ein Schlüssel, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Dazu steht weder etwas im Gesetzentwurf der Landesregierung noch im Änderungsantrag von SPD und Grünen.

Leider Gottes ist es heute schon so, dass der Arbeitgeber öffentlicher Dienst den Wettbewerb um die besten Köpfe gegenüber der Privatwirtschaft oft verliert. Wir können nicht so gut bezahlen, wir haben nicht so attraktive Arbeitsbedingungen, und deswegen ist die Schaffung von Flexibilität Punkt 1 von 13 Forderungen der CDU, die wir auch im Entschließungsantrag formuliert haben.

Und, Herr Stotko: Diesen Entschließungsantrag haben wir Ihnen in einem ganz offenen und transparenten Verfahren bereits vor einem Monat zur Kenntnis gegeben. Sie haben einiges daraus abgeschrieben. Heute so zu tun, als wenn wir es genauso machen würden wie Sie, einen Tag vorher irgendwas dahinzuknallen – das Gegenteil ist der Fall!

(Thomas Stotko [SPD]: Und Sie schreiben gar nichts ab?)

Herr Stotko, das täten Sie dann doch besser mehr.

Es zeigt auf jeden Fall, da das Thema „Flexibilität“ weder im Gesetzentwurf noch im Änderungsantrag steht, mit wie wenig Weitsicht, Mut und Konzept das Dienstrechtsmodernisierungsgesetz geradezu zusammengeschustert wurde. Bis vor einer Woche fand man in dem Gesetzentwurf noch nichts zu dem Thema „Verbesserung der Bedingungen für Migranten, im öffentlichen Dienst zu arbeiten“.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich sage Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, Folgendes: Sie nennen sich selbst oft Integrationsparteien. Tatsächlich werden Sie jedoch von der CDU mit dem Entschließungsantrag der CDU und den öffentlichen Äußerungen der CDU zum Jagen getragen. Sie reden immer viel, tun aber wenig.

(Beifall von der CDU)

Weiterhin: völlige Fehlanzeige beim Thema „Digitalisierung“ und Fehlanzeige bei der Beseitigung von Ungerechtigkeiten bei der Bezahlung und der Arbeitsbelastung der Lehrer. Insgesamt muss man sagen: Der große Wurf ist absolut nicht gelungen.

Deswegen ist heute immer noch der richtige Zeitpunkt: Ziehen Sie das ganze Werk zurück! Gehen Sie kooperativ auf die Opposition zu! Dann wären wir auch in der Lage, gemeinsam zu einer großen Dienstrechtsreform zu kommen, die ihren Namen verdient.

Die Verbesserungen, die unbestreitbar da sind, wie Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage, Wiedereinführung von Jubiläumszuwendungen und Einarbeitung des Weihnachtsgeldes sollten wir in einem Gesetz vorziehen, um den Bediensteten etwas Gutes zu tun und die Chance zu nutzen, unser Land zukunftsfähig zu machen. Leider haben Sie diese Chance vertan. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Lohn. – Für die grüne Fraktion spricht Herr Abel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat eine Herausforderung für die Kolleginnen und Kollegen, 500 Seiten in fünf Minuten abzuhandeln. Aber zusammenfassend lässt sich Folgendes sagen: Wir haben Schritte für eine modernere, für eine familiengerechtere, für einen attraktiveren öffentlichen Dienst und eine attraktivere Verwaltung vorgelegt.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben Vorschläge zur Flexibilisierung von Arbeitszeit gemacht. Wir haben die Freistellungsregeln verbessert. Wir haben einen grundsätzlichen Anspruch auf die Rückkehr aus Teilzeitbeschäftigung und Urlaub aus familiären Gründen. Wir haben das Sabbatical ausgebaut, und wir haben ermöglicht, dass Anwärterinnen ihre Ausbildung in Teilzeit absolvieren.

Wir haben den öffentlichen Dienst mit unseren Vorschlägen ein Stück weit gerechter gemacht: Abschaffung A 3 und A 4 – Kollege Stotko hat es erwähnt –, Erhöhung der Kleidergeldzulage, Gefahrenzulage – all das sind Maßnahmen für eine Gruppe, die für uns wichtige Aufgaben übernimmt. Und mit der Wiedereinführung der Jubiläumszulage haben wir für den öffentlichen Dienst insgesamt Anerkennung zum Ausdruck gebracht und den öffentlichen Dienst gerechter gemacht.

Wir haben Personalentwicklung und Fortbildung sowie behördliches Gesundheitsmanagement festgeschrieben – ein Riesenfortschritt. Und wir haben als unverzichtbares Element einer modernen Personalverwaltung auch die Karrierechancen für Frauen mit der Einführung einer Zielquote verbessert.

Meine Damen und Herren, ich muss ganz ehrlich sagen: Als ich heute Morgen die „Rheinische Post“ aufschlug, hätte ich es nicht für möglich gehalten, so eine Schlagzeile im Jahr 2016 auf der Titelseite einer großen Tageszeitung in Deutschland zu lesen. Die Schlagzeile lautet: Werden Männer in NRW diskriminiert? – Die FDP hat das behauptet.

(Ralf Witzel [FDP]: So ist es! – Gegenruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Meine Damen und Herren, diese Landesregierung hat beispielsweise im Rahmen der Hochschulgesetzgebung – ich habe das damals als Mitglied im Wissenschaftsausschuss mitbegleitet – das Kaskadenmodell eingeführt, bei dem genau dieselbe Schreierei in der Anhörung und von Ihnen kam: Das ist verfassungswidrig; das ist Teufelszeug. – Das Kaskadenmodell ist jetzt seit zwei Jahren in Kraft und funktioniert ganz gut. Es gibt keine öffentlichen Verlautbarungen, und es gab keine Klagewelle, wie Sie das vorausgesagt haben.

Ich möchte, weil es sehr eindrücklich war, aus der Anhörung Prof. Battis zitieren:

„In diesem Saal gab es vor vielen Jahren – es ist bestimmt gut 20 Jahre her – auch eine Anhörung, bei der erstmals die Verfahrensquote, die jetzt verbessert werden soll, eingeführt worden ist. Ich war einer der wenigen, die das verteidigt haben, … Die Mehrheit vor allen Dingen meiner Kollegen – der Juraprofessoren … – hat gesagt: Das ist Teufelswerk und verfassungswidrig, das kann

es gar nicht geben. – Es war für mich schon eine Freude zu sehen, dass mein Kollege Papier … – er war nicht unbedingt immer besonders fortschrittlich – durch sein Praktikum beim Bundesverfassungsgericht da doch – auch in Bezug auf andere Fragen – ein bisschen aufgeschlossener geworden ist. … Mein Kollege sagte – das sollen die aber unter sich ausmachen –, dass er jetzt eingelenkt hat.

Und Herr Prof. Battis sagt: Wenn die Kolleginnen und Kollegen in 20 Jahren auf dieses Gesetz, auf diese Maßnahme zurückblicken, werden sie sagen, dass es richtig ist. Denn es ist ein geeignetes Instrument. – Das glaube ich auch.

Ich will noch mal die Zahlen, weil ich das eben als Beispiel genommen habe, aus dem Hochschulbereich nennen. Wir haben die Situation, dass die Hälfte der Absolventinnen weiblich ist. Bei den Promotionen haben wir ein Absinken des Frauenanteils auf ein Drittel. Bei den Habilitationen beträgt der Frauenanteil nur noch 17%. Wenn ich mir zum Beispiel eine sehr vorbildliche Verwaltungseinheit, die Finanzverwaltung, anschaue, haben wir im mittleren Dienst einen Frauenanteil von 70%, im gehobenen Dienst von 56 % und im höheren Dienst von 39%.

Das, was wir jetzt vorschlagen – dazu sagt Herr Papier in einem Gutachten, dass es mit Art. 3 Abs. 2 GG verfassungsfest zu begründen ist –, ist eine Zielquote für die Bereiche, in denen die Frauenquote, die Gleichstellung nicht erfüllt ist. Ich bin der Überzeugung, dass das in 20 Jahren als ein wichtiger Schritt für die Gleichstellung in diesem Land und darüber hinaus wahrgenommen werden wird.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Es ist ein wichtiger Schritt um den Wettbewerb um die besten Köpfe und ein wichtiger Schritt, um den öffentlichen Dienst attraktiver zu machen. Wir haben uns als Regierungsfraktionen darauf verständigt, das Zeitwertkontenmodell im Landschaftsverband Rheinland auch für die Beamten zu öffnen, um zu evaluieren, ob dieses Modell übertragen werden kann.

Ich will zum Schluss noch mal Folgendes in Erinnerung rufen, weil Herr Kollege Lohn so getan hat, als wenn die CDU immer an der Seite des Beamtenbunds und der Gewerkschaften gestanden hätte: während Ihrer Regierungszeit eine pauschale Kürzung – 1,5 % Personalabbau blind über alle hinweg. Dabei war weder etwas mit Schwerpunktsetzung noch mit Weiterentwicklung.

In den Haushaltsberatungen haben wir immer wieder erlebt, dass insbesondere Kollege Laschet in den Raum gepustet hat: Macht das doch wie im Saarland, 10% der Stellen kürzen! Das wären mal eben 40.000 Stellen gewesen. – So viel zum Thema: die CDU als Freund der Gewerkschaften und als Freund

der Beamtinnen und der Beamten in diesem Land. – Ich bin der Überzeugung, das werden Ihnen die Kolleginnen und Kollegen auch nicht vergessen. Von daher bin ich ganz beruhigt.

Meine Damen und Herren, ganz zum Schluss meiner Ausführungen möchte ich einen Dank aussprechen vor allen Dingen an die Kolleginnen und Kollegen in den Häusern, die den Regierungsfraktionen während der Verhandlungen zur Verfügung standen und die uns bei den Änderungswünschen, die wir formuliert haben, unterstützt haben. Bei einem 500-seitigen Gesetzeswerk mit einem Dialogprozess, der sich über mehrere Jahre hinzog, war das eine zusätzliche Belastung. Deswegen gilt mein Dank vor allen Dingen den Kolleginnen und Kollegen in den Häusern, die uns unterstützt haben.

Es ist ein wichtiger Schritt für einen moderneren, für einen attraktiveren öffentlichen Dienst im Wettbewerb um die besten Köpfe. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)