Protocol of the Session on June 9, 2016

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Diese große Leistung, die die Schulen erbringen, stellen Sie in Abrede. Sie diskreditieren diesen Prozess. Deswegen weisen wir das hier zurück.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Frau Ministerin Löhrmann, darf ich Sie jetzt unterbrechen?

Frau Kollegin Pieper würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Bitte.

Vielen Dank, Frau Ministerin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben mich gerade direkt angesprochen und gesagt, wir hätten in unserem Antrag keine politische Bewertung vorgenommen. Ich möchte noch einmal kurz darauf hinweisen, dass dieser Antrag ja in eine Reihe von Anträgen gehört, die wir zu diesem Thema gestellt haben. Da gibt es schon eine politische Bewertung, denke ich. Deshalb frage ich Sie: Haben Sie das so zur Kenntnis genommen?

Außerdem bitte ich Sie um eine Bewertung der Vorschläge, die wir gemacht haben. Wir haben nämlich nicht nur nach Stellen gefragt. Wir haben mehrere Vorschläge gemacht, die zum Teil nicht einmal mit Kosten verbunden sind. Ich hätte gerne gewusst, wie Sie diese Vorschläge einschätzen.

Dazu, liebe Frau Pieper, reicht die Redezeit, die ich habe, nicht – auch nicht die Zeit im Rahmen dieser Zwischenfrage. Ich war aber auch noch nicht am Ende. Im ersten Teil habe ich ja im Wesentlichen darauf reagiert, dass hier bestimmte Dinge grundsätzlich in Abrede gestellt werden. Das halte ich dieser schwierigen Aufgabe und diesem großen Anspruch, die Inklusion umzusetzen, die seit 2009 unser Auftrag ist, nicht für angemessen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Damit habe ich ausdrücklich nicht Sie gemeint.

Ich will noch gerne einige Dinge zur Qualitätssteuerung und zur Weiterentwicklung sagen.

Wir haben die Lehrerausbildung angepasst und wollen alle künftigen Lehrkräfte durch den Erwerb sonderpädagogischer Basiskompetenzen dazu befähigen, noch besser und professioneller mit Heterogenität umzugehen. Wer beklagt, dass das nicht vorhanden sei, hätte nicht gegen das Lehrerausbildungsgesetz stimmen dürfen.

Unsere Kompetenzteams bieten allen allgemeinbildenden Schulen das Programm „Auf dem Weg zur inklusiven Schule“ an. Diese Fortbildung wird intensiv nachgefragt, sie wird evaluiert, und es gibt gute Rückmeldungen dazu.

Wir haben nicht nur die Koordinatoren, sondern jetzt auch die Fachberaterinnen und Fachberater, die die qualitative Weiterentwicklung vor Ort unterstützen und die Schulen beraten.

Wir haben da zusätzlich investiert. Die CDU hatte vorgeschlagen, dass es kostenneutral möglich sein sollte, solche Zentren wieder einzurichten.

Die Qualitäts- und UnterstützungsAgentur unterstützt Lehrkräfte durch die Weiterentwicklung der Förderplanung und berücksichtigt, wie gefordert, die Erfordernisse einer Lernausgangs- und Lernbegleitdiagnostik.

Darüber hinaus entwickelt unser wieder aufgebautes Landesinstitut aktuell alltagstaugliche Materialien für das zieldifferente Lernen in der Sekundarstufe I.

Ich habe am letzten Samstag in Münster für das Schulministerium eine Kooperationsvereinbarung mit der Universität Münster und unserem Landesinstitut QUA-LiS unterschrieben, bei der es darum geht, dass die Fachexpertise und die Praxisanwendung für das gemeinsame Lernen zusammengeführt werden sollen. Genau hier gehen wir also Schritt für Schritt voran.

Nun noch einmal zu der Frage der Ressourcen: Aufgrund der Neuschätzung der Schülerzahlen für das Schuljahr 2016/17 wurde das Stellenbudget für Schüler mit Lern- und Entwicklungsstörungen bereits vorher um 268 Stellen aufgestockt. Im Entwurf für den zweiten Nachtragshaushalt 2016 hat das Kabinett am 31. Mai dieses Jahres beschlossen, zusätzlich weitere 300 Stellen im Rahmen des Stellenbudgets bereitzustellen. Damit lösen wir genau die Zusage ein, dass wir nachsteuern, wenn das Ganze auch ganz konkret mit Zahlen hinterlegt ist. Das haben wir getan. Und das ist richtig so.

Ich hoffe, diese Stellen schnellstmöglich besetzen zu können. Das setzt dann aber voraus, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, dass Sie mit dazu beitragen, dass dieser Nachtragshaushalt schnell verabschiedet wird, weil der Haushalt vorsieht, dass sie zum 1. August dieses Jahres besetzt werden können. Diese Bitte würde ich gerne an Sie richten. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Ministerin hat die Redezeit um eine Minute überzogen. Wenn noch jemand von den Fraktionen das Wort wünscht, stünde diese Zeit zur Verfügung. – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich an dieser Stelle die Debatte zu Tagesordnungspunkt 5.

Wir kommen zur Abstimmung. Sie wissen, dass sich alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen zwischenzeitlich darauf verständigt haben, den Antrag Drucksache 16/12108 nicht direkt abzustimmen, sondern an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung mit der Maßgabe zu überweisen, dass die Abstimmung dort in öffentlicher Sitzung erfolgen soll. Möchte jemand gegen die Überweisung stimmen? – Sich enthalten? – Beides ist nicht der Fall. Dann haben wir den Antrag so überwiesen.

Ich rufe auf:

6 Gesetz zur Änderung der Verfassung für das

Land Nordrhein-Westfalen und wahlrechtlicher Vorschriften (Kommunalvertretungsstär- kungsgesetz)

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/9795

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses Drucksache 16/12134

zweite Lesung

Die dritte Lesung ist für morgen als Tagesordnungspunkt 1 vorgesehen.

Ich eröffne die Aussprache. Herr Kollege Körfges hat für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in zweiter Lesung das Kommunalvertretungsstärkungsgesetz, mit dem die Fraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen eine sogenannte Sperrklausel für Kommunalwahlen wieder verankern wollen, und zwar in der Landesverfassung.

Vorab sei mir die Bemerkung erlaubt, dass Kommunalpolitik beileibe keine Nebensache der Demokratie ist. Historisch hat die repräsentative Demokratie ihren Ursprung in den Städten und Kommunen. Demokratie lebt und wächst heutzutage vor allen Dingen vor Ort – gerade durch die Menschen, die sich dort ehrenamtlich in ihrer Freizeit neben ihrem Beruf und neben ihren anderweitigen familiären Aufgaben engagieren. Wir wollen die Möglichkeiten, sich in unseren kommunalen Organen qualifiziert zu engagieren, durch dieses Gesetzgebungsverfahren stärken.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Ralf Nettelstroth [CDU])

Wir haben in unseren Kommunalparlamenten – diesen Ausdruck benutze ich – mit größter Bedacht zumal im Ehrenamt Bedingungen, die parlamentsähnlich sind, die bezogen auf die Rahmenbedingungen allerdings nicht dem Parlamentsbetrieb entsprechen. Die Verantwortungsbereiche – das sage ich nur pars pro toto – der Mitglieder von Räten und Kreistagen sind umfassend. Das gilt auch und gerade nach der Einführung der Direktwahl von Hauptverwaltungsbeamtinnen und Hauptverwaltungsbeamten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich spreche neben der räumlichen Zuständigkeit für Wahlkreise nur das Haushaltsrecht und weitgehende Zuständigkeiten in Kommunalparlamenten für die Personalwirtschaft bis hin zum Spitzenpersonal nach der NRW-Gemeindeordnung an. Darüber hinaus nenne ich die Bereiche der Kommunalwirtschaft und das demnächst bestehende Rückholrecht der Stadträte und Kreistage. Weiterhin geht es um die planungsrechtliche Verankerung in Vorgänge, die höchste fachliche und auch

technische Kenntnisse sowie Befassung mit den Dingen voraussetzen.

Das alles ist nur ein kleiner Teil der Aufzählung der Aufgaben, mit denen diejenigen, die sich im Ehrenamt für die Menschen in unseren Kommunen engagieren, konfrontiert sind. Ich glaube: Dabei muss es darum gehen, dass wir, wenn der Landtag auf der einen Seite von denen, die im Ehrenamt tätig sind, hohe Fachlichkeit und hohes Engagement erwartet, auch angemessene Rahmenbedingungen für diese wichtige Arbeit zur Verfügung stellt.

(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Bekannt ist, dass der Verfassungsgerichtshof im Jahr 1999 die bis dahin geltende 5-%-Sperrklausel bei Kommunalwahlen für verfassungswidrig erklärt und im Anschluss der Gesetzgeber diese Vorschrift ersatzlos gestrichen hat. Das hat nach nicht nur unserer Beobachtung ganz erhebliche Auswirkungen auf eine große Anzahl von kommunalen Vertretungen in unserem Land.

Viele Räte werden seitdem immer weiter und stärker zersplittert. Eine damit einhergehende Einschränkung ihrer Funktions- und Handlungsfähigkeiten wird nicht nur von uns angenommen, sondern sie wird uns regelmäßig nahegebracht durch diejenigen aus unserem Parlament, die noch in einer Kommune Verantwortung tragen, aber vor allen Dingen auch durch viele Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker über alle Fraktionsgrenzen hinweg.

Insoweit muss man sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass sich mittlerweile kommunale Vertretungen in unserem Land zum Teil aus mehr als zehn unterschiedlichen Parteien und Wählergruppen zusammensetzen. Durch die stark gestiegene Anzahl von Einzelmandatsträgerinnen und -trägern wird die Arbeit der Kommunalparlamente insgesamt erschwert, insbesondere wenn diese nicht fraktionsfähigen Gruppen ihre Rechte in diesen Kommunalparlamenten sehr extensiv – das ist nach bisher geltender Rechtslage ihr gutes Recht – ausüben.

Die Überstrapazierung von Fraktions- und Gruppenrechten und die daraus resultierenden Tagesordnungen von Ausschüssen, Bezirksvertretungen und Räten muss man sich vor Augen führen. Man muss sehen, wie hoch die zeitliche Inanspruchnahme bei gleichzeitig sehr unterschiedlicher Qualität der einzelnen Beiträge an vielen Stellen ist. Ich sage Ihnen ganz deutlich, dass auch aus meiner persönlichen Wahrnehmung dadurch eine effektive Gremienarbeit erschwert und in einigen Fällen nachgerade beinahe unmöglich gemacht wird, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Vor dem Hintergrund, dass alle kommunalen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger – ich habe es einleitend gesagt – ihr Mandat ehrenamtlich neben

ihren beruflichen und familiären Verpflichtungen in ihrer Freizeit ausüben, wirken die geschilderten Umstände aus meiner Sicht umso schwerer. Denn gerade diejenigen, die in Beruf und Familie gefordert sind, repräsentieren einen wichtigen Teil der Gesellschaft. Diese Frauen und Männer, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind manchmal nicht mehr bereit und auch objektiv kaum noch in der Lage, kommunale Mandate im Ehrenamt neben ihren anderen persönlichen Aufgaben wahrzunehmen.

Mit diesem Fakt müssen wir uns auseinandersetzen, wenn wir die Funktionsfähigkeit der Organe in der Kommunalpolitik auf Dauer gewährleisten wollen.

(Beifall von der SPD und der CDU)

Ich will noch einen ganz anderen Aspekt beleuchten, der womöglich bei der bisherigen Betrachtung etwas zu kurz gekommen ist: