Protocol of the Session on June 9, 2016

Natürlich geht es auch um die Haltung der Politik gegenüber den Lehrerinnen und Lehrern. Ich habe das heute schon mehrfach deutlich gemacht und möchte es jetzt einmal auf meine persönliche Situation beziehen. Es ist wahrhaftig keine Floskel, wenn wir gerade gegenüber den Schulen, die sich auf diesen Prozess jetzt ganz neu eingelassen haben, wie auch gegenüber den Schulen, die schon über 30 Jahre Erfahrungen sammeln, diese Wertschätzung aussprechen.

Ich habe das gemeinsame Lernen an einer Schule im Unterricht mit meinen Kindern, die bis zum Ende der Klasse 10 auch gemeinsam mit Kindern mit Behinderung beschult worden sind, mit aufgebaut, und zwar mit allen Höhen und Tiefen. Diese Prozesse, die da zu leisten sind, sind mir sehr wohl bekannt. Ich weiß, was darin an Leistungen enthalten ist. Das ist überhaupt keine Frage.

Aber ich habe es eben schon einmal deutlich gemacht: Es ist eine Anforderung an alle. Wir haben uns als Bundesrepublik Deutschland und NordrheinWestfalen damit auch verpflichtet, den Weg der Inklusion so zu gehen und diesen Prozess wirklich sorgfältig umzusetzen. Ich will es noch einmal sagen: Das haben wir gut vorbereitet. Wir haben die Ausbildung auf andere Füße gestellt und haben mehr Ausbildungsplätze an den Hochschulen und im Rahmen der Fortbildung geschaffen.

Wenn ich mir die Rückmeldungen in Bezug auf die schulinterne Fortbildung gerade zum Thema „Umgang mit Heterogenität und Vielfalt der Kinder“ anschaue, dann sehe ich, dass das auch ankommt. Aber es ist und bleibt eine Herausforderung für viele, die gesagt haben: Für den Umgang mit diesen Kindern bin ich nie ausgebildet worden, und jetzt verlangt ihr mir das ab.

Ja, das stimmt. Da bin ich sehr bei dem Spruch von Maria Montessori: „Hilf mir, es selbst zu tun.“ Alle Unterstützung soll da sein, damit es weiter und stärker selbsttätig gelingt. Deswegen sage ich auch sehr klar, dass dies eine Generationenaufgabe ist. Das wird nicht morgen erledigt sein. Wir müssen diesen Prozess weiter begleiten.

Zum Schluss möchte ich noch einmal deutlich machen, dass es eben nicht übers Knie gebrochen ist. Seit dem Jahr 2010 ist in den Schuljahren jeweils der Anteil der Kinder mit Behinderungen im gemeinsamen Lernen in den allgemeinen Schulen von 3 % bis maximal 4,6 % gestiegen. Zum letzten Schuljahr waren es 3,8 %.

Das sind kleinere Schritte, als wir es am Anfang erwartet haben. Deswegen haben wir die Förderschulen auch stärker noch in der Landschaft vertreten. Gerade im Bereich der Förderschulen Lernen war die

Tendenz vorher schon so, dass sich das Elternwahlverhalten geändert hat.

Ich glaube, dass wir mit den Schulen in diesem Diskurs bleiben müssen. Das ist überhaupt keine Frage. Die Landesregierung nimmt aber ihre Verantwortung auch wahr. Wir werden darüber weiter im Ausschuss reden. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Gebauer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Aber ich beziehe mich zunächst einmal auf Herrn Feuß. Herr Feuß, in einer Sache stimme ich Ihnen zu. Sie haben gesagt, dieses erste Inklusionsgesetz sei nicht der Stein der Weisen. – Ja, das kann ich so unterstreichen. Das ist es weiß Gott nicht.

(Beifall von der FDP und Daniel Sieveke [CDU] – Eva Voigt-Küppers [SPD]: Das hat Herr Feuß in keiner Art und Weise so gesagt!)

Sie haben auch gesagt, dass sich dieser Inklusionsprozess noch am Anfang befindet. – Da stimme ich Ihnen wiederum nicht zu. Wir haben jetzt zwei Jahre den Rechtsanspruch. Als Opposition haben wir von vornherein hier immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass dieser Weg so, wie er von Ihnen beschritten wird, nicht der richtige Weg ist.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Das werden Sie auch in zehn Jahren noch behaupten!)

Genau diese Probleme sind eingetreten. Und am Anfang stehen wir nicht. Wir sind schon ein großes Stück weiter. Wenn wir jetzt nicht nachsteuern, dann versündigen wir uns an den Kindern.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ihre Aussage, wir befänden uns am Anfang, kann ich bei Weitem nicht teilen.

Frau Beer, Sie haben gesagt, dieser Inklusionsprozess sei gut vorbereitet gewesen. Auch da muss ich Ihnen widersprechen. Das sehen wir überhaupt nicht so. Dieser Inklusionsprozess, wie er hier ….

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Sie haben sich wahrscheinlich gedacht, dass ich das so sagen werde; genau. Dieser Inklusionsprozess war so, wie Sie ihn hier für Nordrhein-Westfalen gestartet haben, in keiner Weise gut vorbereitet. Er war überhastet. Die Kinder sowie die Lehrerinnen

und Lehrer sind die Leidtragenden. Das wird jetzt unter anderem durch die Mülheimer Erklärung auch zum Ausdruck gebracht.

Sie möchten jetzt mit dem Märchen von der Schließung der Förderschulen aufräumen. Na ja; wenn wir hier von Märchen sprechen, dann muss ich auch einmal sagen: Es ist richtig, dass Frau Löhrmann als Ministerin in den einzelnen Förderschulen nicht das Licht ausknipst. Aber dadurch, dass sie den Erlass mit Bezug auf die Mindestgrößen geändert hat, ist sie dann natürlich auch dafür verantwortlich, dass die Förderschulen entsprechend nicht mehr existieren können, die Eltern kein Wahlrecht mehr haben und die Kinder nicht mehr an die Förderschulen können.

Das ist also ein Märchen, wenn Sie hier sagen: Die Landesregierung ist nicht dafür zuständig, dass die Förderschulen vor Ort geschlossen werden. – Das stimmt so nicht.

(Beifall von der FDP)

Herr Feuß, Sie haben gefragt, warum lehrer nrw die Mülheimer Erklärung nicht mit unterzeichnet hat. – Ich kann Ihnen sagen – das wissen Sie auch selbst –: Wir haben in zig Anhörungen auch mit lehrer nrw zum Thema „Inklusion“ zusammengesessen. Die genauen Beweggründe von lehrer nrw kenne ich jetzt nicht. Aber eines kann ich Ihnen sagen: In meinen Augen teilt lehrer nrw diese Bedenken bzw. diese Ausführungen, die in der Mülheimer Erklärung zum großen Thema „schulische Inklusion“ gemacht werden, uneingeschränkt. – Da kann man sich jetzt nicht zurückziehen und sagen: Warum ist denn lehrer nrw dieses Mal nicht dabei?

(Beifall von der FDP)

Diese Mülheimer Erklärung mit den unterschiedlichen Lehrerverbänden von GEW, VBE, PhilologenVerband und Verband Sonderpädagogik ist letztendlich eine schallende Ohrfeige für die regierungstragenden Fraktionen bzw. für die Landesregierung in Bezug auf die Inklusionspolitik.

Es ist die Enttäuschung der Lehrerinnen und Lehrer allerorten über das, was ihnen hier zugemutet worden ist und zugemutet wird. Ich will das auch alles gar nicht weiter ausführen. Das habe ich im Besonderen heute Morgen schon einmal getan.

Ich fordere Sie an dieser Stelle zum wiederholten Male auf – ich werde auch nicht müde, das für die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, für die Schülerinnen und Schüler hier in NordrheinWestfalen weiterhin zu tun –: Steuern Sie endlich in der Inklusionspolitik um. Nehmen Sie das, was Ihnen an Kritik mitgegeben wird, auch ernst. Sie sagen immer, dass Sie es ernst nehmen. Aber Sie müssen auch entsprechend handeln.

Ernstnehmen alleine reicht an dieser Stelle nicht. Sie müssen das, was dort an Kritik geäußert wird, dann

auch tatsächlich umsetzen bzw. entsprechende Ressourcen bereitstellen.

Ja, 300 Stellen sind ein Anfang. Das ist aber noch lange nicht das Ende. Vonseiten der Opposition erwarten wir als FDP da noch viel, viel mehr. – Danke schön.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Gebauer. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Löhrmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mich überrascht – das kann ich zu Beginn vielleicht einmal deutlich machen – der Verlauf der Debatte wirklich nicht sonderlich.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Nein!)

Dass der Fraktion der Piraten die sonderpädagogische Förderung und die Inklusion am Herzen liegen, haben Sie mehrfach deutlich gemacht. Hier haben wir also auch etwas gemeinsam.

Ihr Antrag übernimmt fast wortwörtlich den Text der Mülheimer Erklärung, den die Vorsitzenden der genannten Lehrerverbände unterzeichnet haben. Es findet aber keine Einordnung und politische Bewertung dieser Erklärung statt.

Wir hatten ja auch Anhörungen dazu. In den Anhörungen wurden – bei aller Kritik – durchaus auch differenzierte Hinweise gegeben, dass bestimmte Entwicklungsprozesse mitnichten allein in NordrheinWestfalen mit Schwierigkeiten behaftet sind, sondern dass dieser Prozess überall entsprechend stattfindet. Das haben wir vor einigen Wochen hier diskutiert.

Die Mülheimer Erklärung listet Forderungen der Lehrerverbände auf, die alle nicht neu sind. Das sind die bekannten Forderungen. Frau Bunse, bei diesen Forderungen handelt es sich vor allem um Ressourcenforderungen. Wenn Sie uns dann vorwerfen, es reiche nicht, 300 Stellen zu nehmen, müssen Sie auch sagen, welche Stellen Sie denn ganz konkret nehmen wollen. Ansonsten ist die Kritik unglaubwürdig. Das habe ich heute Morgen hier auch schon ausgeführt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist richtig, zu investieren. Wir investieren 1 Milliarde € und legen jetzt noch etwas obendrauf. Man kann aber nicht allein sagen, nur mehr Geld mache alles gut. Diese einfache Logik wird dem komplexen Prozess inklusiver Beschulung nicht gerecht, meine Damen und Herren. Da machen Sie es sich etwas zu leicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Wertschätzung den Kolleginnen und Kollegen gegenüber habe ich heute Morgen deutlich gemacht. Da habe ich es bezogen auf die Grundschulen gesagt. Ich mache das an jeder Stelle deutlich, weil ich genau weiß, was für ein innerer Entwicklungsprozess bezogen auf die Inklusion stattfindet. Insofern habe ich hohen Respekt vor der Leistung der Lehrerinnen und Lehrer.

Ich bekomme aber auch andere Rückmeldungen. Das war zum Beispiel gestern Abend bei einem Termin der Fall. Da gab es kritische Stimmen aus der Lehrerschaft, aber auch Stimmen von Eltern, liebe Frau Bunse, die sagen: Wir sind froh, dass wir nicht mehr Bittsteller sind und nicht mehr betteln müssen, damit unser Kind einen Platz in einer allgemeinen Schule bekommt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Frau Ministerin Löhrmann …

Einen Moment. – Die Inklusionskoordinatorin hat gesagt: Beim Thema „Grundschule“ haben wir etwa 400 Elternwünsche gehabt. Bis auf sechs konnten wir ihnen allen nachkommen. Nur sechs Eltern konnten ihre Kinder nicht an die Wunschschule schicken, sondern mussten eine andere Grundschule nehmen, weil an der Wunschschule die Plätze schon belegt waren.

Früher haben wir hier im Landtag zig Petitionen gehabt, weil die Eltern nicht das Recht auf Inklusion haben umsetzen können, weil sie für ihre Kinder keinen Platz in der allgemeinen Schule bekommen haben.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])