Protocol of the Session on May 11, 2016

Ich nehme jetzt einmal den Kollegen Ott beim Wort. Er hat beim vorherigen Tagesordnungspunkt gesagt: Vielleicht lassen sich ja gemeinsame Lösungen finden. – In der Tat würde es Sinn machen, auch bei diesem Tagesordnungspunkt, „Aufnahmesystem für Asylsuchende an Zugangssituation anpassen“, zu einer – vielleicht – gemeinsamen Lösung zu kommen.

Aktuell befinden sich noch immer gut 70 % der Landesunterbringungsplätze in Notunterkünften. Von den über 70.000 Plätzen für Asylsuchende in Nordrhein-Westfalen sind aktuell nur 25.000 Plätze belegt.

Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, die Zeit jetzt intensiv zu nutzen, um zu überlegen: Wie stellen wir dieses System für die Zukunft auf? Zugegebenermaßen in einer Zeit, in der keiner abschätzen kann, wie sich der weitere Asylzugang in diesem Jahr entwickelt! Aber deshalb sind sowohl der Landtag wie

auch die Landesregierung aufgerufen, hier tätig zu werden.

Wir schlagen Ihnen vor, das Aufnahmesystem in Nordrhein-Westfalen dauerhaft auf ein solides Fundament zu stellen. Insbesondere sollten wir wieder dahin kommen, dass die Regelungen des Asylgesetzes Anwendung finden.

Sie wissen: Bevor wir im vergangenen Jahr die hohen Zugangszahlen hatten, galt eigentlich immer ein Prinzip in den Aufnahmeeinrichtungen, nämlich erst einmal ankommen und zur Ruhe kommen.

Infolge der hohen Zugangszahlen im vergangenen Jahr konnte das nicht gewährleistet werden. Menschen mussten schnell durch die Aufnahmeeinrichtung des Landes und wurden teilweise binnen Stunden in die Kommunen überwiesen, die mit der Organisation gleichermaßen oft an ihre Grenzen gestoßen sind.

Insofern muss es Ziel sein, die Regelungen des Asylgesetzes wieder anzuwenden. Das heißt, die maximale Dauer der Unterbringung für einen Asylsuchenden in einer Landesaufnahmeeinrichtung beträgt sechs Monate bzw. im Falle von Asylsuchenden ohne Bleibeperspektive bis zur möglichen Rückführung.

Wir als CDU haben uns mit mehreren möglichen Gestaltungsvarianten eines zukünftigen Aufnahmesystems auseinandergesetzt und mehrere Punkte formuliert, die uns besonders wichtig sind:

Zum einen sollten wir insgesamt ein Interesse daran haben, zu einer regional ausgewogenen Verteilung der Aufnahmeeinrichtungen zu kommen. Das hat im vergangenen Jahr überhaupt nicht funktioniert. Den Großteil hat Westfalen getragen. Das Rheinland hängt immer noch hinterher. Es besteht hier jetzt die große Chance, das endlich gerecht über das Land zu verteilen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Des Weiteren sehen wir vor, dass das Land eine aktive Unterbringungskapazität und eine passiv zuschaltbare Unterbringungskapazität unterhält, sodass man möglichst flexibel reagieren kann, je nachdem, wie sich der Asylzugang wieder entwickelt.

Ja, Sie finden auch in diesem Antrag erneut den Vorschlag, die Menschen, die aus den sicheren Herkunftsstaaten kommen, aber bereits in die Kommunen überwiesen sind, wieder in die Landesaufnahmeeinrichtungen zurückzuholen, dort die Verfahren zu beenden und die Menschen dann gegebenenfalls auch direkt aus den Aufnahmeeinrichtungen in ihre Heimatländer zurückzuüberführen.

Warum schlagen wir Ihnen das erneut vor? – Auch der Rat der Stadt Essen hat inzwischen über eine Resolution Vergleichbares an die Landesregierung adressiert.

Wir haben in den Kommunen eine hohe Anzahl von Menschen aus sicheren Herkunftsländern, von den wir alle miteinander wissen, dass sie eine niedrige bis gar keine Bleibeperspektive in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nichtsdestotrotz sind infolge der Zuweisungspraxis der Landesregierung die Kommunen in der Verpflichtung, auch für die Menschen mit niedriger bis gar keiner Bleibeperspektive Kitaplätze zu schaffen, Schulplätze zu schaffen, Integrationsangebote aus kommunalen Mitteln herzustellen und auch aufrechtzuerhalten. Es gibt viele Städte und Gemeinden, die im Stärkungspakt Nordrhein-Westfalen sind und das einfach nicht schaffen.

Deswegen halten wir es auch vor dem Hintergrund der Ehrlichkeit den Asylsuchenden selbst gegenüber für besser, diese Menschen in die Landesaufnahmeeinrichtungen zurückzuholen, um dort das Asylverfahren zu beenden.

Abschließender Punkt: Wichtig für uns als CDUFraktion ist es, dass wir nach den letzten sehr anstrengenden Monaten auch hier in Nordrhein-Westfalen in Bezug auf das Asylverfahren dahin kommen, ein Kostencontrolling zu etablieren, sodass wir dann als Landtag in der Lage sind, die entsprechenden Maßnahmen zu bewerten, und die Landesregierung in die Lage versetzt wird, diese auch zu steuern. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Scharrenbach. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Kollege Dahm.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich bin ein wenig verwundert, geschätzte Kollegin Frau Scharrenbach, einerseits über Ihren Antrag, andererseits darüber, dass Sie hier am Rednerpult stehen. Sie lassen den Antrag an den Ausschuss für Kommunalpolitik überweisen, aber es spricht niemand aus Ihren Reihen aus dem Kommunalausschuss dazu. Das verwundert schon sehr. Aber es stärkt wahrscheinlich noch einmal Ihre Position im PUA. – Na, gut!

(Beifall von der SPD – Zuruf von der CDU: Oh!)

Ich komme zum Antrag selbst. Noch nie haben seit dem Bestehen der Bundesrepublik so viele Menschen Schutz und Zuflucht in unserem Land gesucht wie im vergangenen Jahr. Nordrhein-Westfalen hat 330.000 Flüchtlinge aufgenommen. Hierzu wurden die Kapazitäten zur Aufnahme und Unterbringung Asylsuchender durch das Land mit Unterstützung der Kommunen – das ist mir besonders wichtig – bis Ende 2015 in einer großen Kraftanstrengung aller Beteiligten auf über 82.000 Plätze aufgestockt.

Eines möchte ich an dieser Stelle besonders hervorheben: Die Menschen hier bei uns in NordrheinWestfalen haben sich ihrer humanitären Verantwortung in außerordentlicher Art und Weise gestellt. Diese Anstrengungen wären ohne das große Engagement von Tausenden ehrenamtlichen Flüchtlingshelferinnen und -helfern, der im öffentlichen Dienst und bei den Einrichtungsträgern Beschäftigten, aber auch von Städten, Gemeinden und Kreisen, der Sicherheitsbehörden und der Träger der Einrichtungen selbst nicht möglich gewesen.

(Beifall von der SPD)

Ihnen allen gilt unser aufrichtiger Dank.

(Beifall von der SPD)

Ich sage einmal ganz deutlich in Richtung meiner Vorrednerin und der CDU-Fraktion: Die ersten beiden Sätze Ihres Antrags sind das Einzige, was uns bis hierhin eint.

Auch wenn die Anzahl der neu zu uns kommenden Flüchtlinge in den vergangenen Wochen geringer geworden ist als im Herbst des letzten Jahres – die Zahl ist eben genannt worden; im April dieses Jahres, Gott sei Dank, nur 5.324 Flüchtlinge –, werden voraussichtlich auch in diesem Jahr viele Menschen nach Europa und damit nach Nordrhein-Westfalen kommen. Doch wir alle wissen nicht genau, wie viele.

Daher sind aus unserer Sicht zwei Elemente besonders wichtig: Zum einen steht dieses Jahr eindeutig im Zeichen der Konsolidierung des Erfassungs- und Unterbringungssystems. Wir verfolgen zum Zweiten das Ziel, ein stabiles, zugleich flexibles System in den Regelunterbringungseinrichtungen des Landes aufzubauen.

(Zuruf von Ina Scharrenbach [CDU])

Das ermöglicht, bestehende Kapazitäten bei niedrigen Zugangszahlen vorübergehend stillzulegen, um diese bei steigenden Flüchtlingszahlen kurzfristig wieder in Betrieb nehmen zu können. Zudem soll eine zusätzliche Flexibilisierung und eine Staffelung der Laufzeiten der Mietverträge für die Einrichtungen erreicht werden.

Was schlagen Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, vor? Was schlagen Sie vor, Frau Scharrenbach? – Sie fordern jetzt genau das Gleiche: ein stabiles und flexibles System zur Unterbringung von Flüchtlingen. „Bravo!“ kann ich da nur sagen. Das ist erst einmal gut so. Aber, meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Scharrenbach, mit Ihren Forderungen kommen Sie mal wieder eindeutig zu spät; denn das hat die Landesregierung längst umgesetzt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zur Umsetzung dieser Strategie, ein stabiles, flexibles Unterbringungssystem für Flüchtlinge zu schaffen, werden schon heute Standortkonferenzen mit den Bezirksregierungen, den Kommunen und dem BLB durchgeführt, um die Planungen zu überprüfen und an den aktuellen Bedarf anzupassen.

Im Übrigen – auch eine Ihrer Forderungen –: Im Rahmen der Überprüfung der angebotenen bzw. zur Verfügung stehenden Liegenschaften wird auch immer die Frage der Wirtschaftlichkeit geprüft. Das betrifft nicht nur die Landesliegenschaften, sondern auch die Liegenschaften des Bundes.

Dabei sollen die Plätze in Notunterkünften so weit wie möglich abgebaut und, soweit erforderlich, durch Plätze in Regelunterkünften, nämlich den sogenannten EAEs und ZUEs, ersetzt werden.

Meine Damen und Herren, wir machen es anders als die Damen und Herren der CDU-Fraktion seinerzeit, als Sie Unna-Massen von heute auf morgen geschlossen haben.

(Beifall von der SPD)

Ich denke, hier sind wir eher auf Planung und Sicherheit ausgerichtet.

In Ihrem Antrag fordern Sie weiterhin eine Reduzierung der Landeskapazitäten und die Freigabe der Sporthallen. Fakt ist: Es wurden bereits 10.000 Plätze in Landeseinrichtungen abgebaut, dabei vorwiegend auch in Sporthallen. Mitte Dezember waren noch über 73 Sporthallen belegt, heute sind es weniger als 21.

Meine Damen und Herren, zusammengefasst stelle ich hier im Parlament fest: Die Bundesregierung ist derzeit nicht in der Lage, für das Jahr 2016 eine verlässliche Prognose abzugeben. Deshalb müssen wir hier in Nordrhein-Westfalen sehr flexibel reagieren können. Wir haben die notwendigen Schritte hierfür eingeleitet.

Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage an Ihre Adresse, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion:

Nicht die flexible Anpassung des Aufnahmesystems von Flüchtlingen ist unser dringendstes Problem im Jahre 2016, sondern im Wesentlichen die Integration der Menschen, der Geflüchteten hier in unserem Land. Darauf sollten wir die Zeit, die Kraft und die Ressourcen konzentrieren. Dazu sind Sie herzlich eingeladen.

Intensiv sollten wir das in unserem Ausschuss weiter diskutieren. Der Überweisung werden wir zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dahm. – Für die grüne Fraktion spricht Frau Düker.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Scharrenbach, Wiederholungen machen Anträge nicht wirklich besser. Sie sollten tatsächlich auch mal die umfangreichen Vorlagen des Innenministeriums im Innen- und Kommunalausschuss lesen. Sie sind zwar nicht Mitglied im Innenausschuss, aber die Kollegen stellen Ihnen das sicher gerne zur Verfügung. Dann würden wir uns hier, glaube ich, solch eine Debatte ersparen.

Der Dreiklang Ihres Antrags beginnt damit, dass Sie – das finde ich schon ziemlich krass – alle Landesbediensteten pauschal beschimpfen. Denn: Sie loben die Kommunen, die Feuerwehren, die Hilfsorganisationen und die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die im letzten Jahr alle Großartiges geleistet haben. Nur: Alles, was das Land angeht – das muss ja in die Arithmetik passen –, hat komplett versagt.

Frau Scharrenbach, wissen Sie eigentlich, was Sie damit sagen? Wissen Sie eigentlich, was in den Bezirksregierungen – auch in Arnsberg, viel gescholten – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im letzten Jahr geleistet haben? Die haben sich oftmals nachts in Zimmern

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

ein Feldbett aufgestellt, haben 24-Stunden-Schichten geschoben und abends um acht nicht gewusst, ob um Mitternacht wieder ein Zug aus Bayern mit Hunderten von Flüchtlingen kommt, denen sie Obdach gewähren mussten. Ich finde es unverschämt, was Sie hier pauschal gegen alle Bediensteten im Land als Fehlleistung mal eben so mit einem Federstrich feststellen.