Protocol of the Session on April 21, 2016

(Zuruf von der CDU)

Durch diese hohle Gasse muss er kommen. Ich hätte jetzt viele Möglichkeiten, das interpretativ darzustellen. Aber ich lasse es.

Relativ schnell sind wir beim Kern. Denn das Bühnendeutsch ist eine einheitliche Ausspracheregelung für die deutsche Schriftsprache im Theaterbetrieb des deutschen Sprachraums, die sich im 19. Jahrhundert etablierte. Gemäß Theodor Siebs soll – ich darf zitieren – die „Bühnensprache … eine edle und darum sehr rein gesprochene Sprache sein. Keinesfalls darf aber die Sorgfalt der Aussprache, die Lebendigkeit des Ausdrucks stören …“.

Das wünschen wir uns regelmäßig auch im plenaren Streitgespräch.

Diese Sprache hat sich mehr und mehr im allgemeinen Sprachgebrauch durchgesetzt – natürlich weiterhin mit vielen regionalen Spielarten und zum Teil parallel zu anderen in der Tat auch eigenständigen Originalsprachen wie dem Niederdeutschen.

Ziel war es aber vor weit über 100 Jahren, eine Sprache zu schaffen bzw. die Aussprache zu regeln, die im gesamten deutschen Sprachraum auf allen Bühnen in diesem Sprachraum verstanden wird. Es gab in Bayern, in Sachsen, in Ostfriesland, in Westfalen, in Schwaben, aber auch in Köln oder beispielsweise in Aachen der Wunsch, dass überall die gleiche Sprache gesprochen wird.

Dieses Bühnenhochdeutsch – nicht nur in der Schrift, sondern auch in der Aussprache – und die Regionalsprachen und die parallelen Originalsprachen liegen damit im Kampf, auch in einem Verdrängungskampf, der leider schlicht und ergreifend in der Nutzung stattfindet – ich hätte fast gesagt: begangen wird – und der vermutlich langfristig auch in der Lehre, in der Schulung, wo diese Aussprache vorgegeben wird, entschieden werden wird. Das ist genau das, was Sie auch beklagten: Das eine setzt sich durch, das andere droht über die Generationen verloren zu gehen.

NRW hat Teil II der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ratifiziert. Damit hat sich NRW auch zu gewissen Leistungen des Schutzes und des Erhalts dieser Sprachen verpflichtet – auch des Niederdeutschen.

In NRW haben wir zwei starke Partner und Player zum Schutze und zur Förderung des Niederdeutschen: der Landschaftsverband Westfalen-Lippe und die Universität Münster mit dem Germanistischen Institut.

Im Antrag der CDU wird eine zusätzliche Koordinierungsstelle gefordert, und zwar in Form eines Gremiums: als Beirat.

Dieser Koordinierungsarbeit kommt die Landesregierung allerdings bereits nach. Nur hat sie keinen Beirat gebildet, sondern eine Koordinierungsstelle für Niederdeutsch in der Staatskanzlei eingerichtet. Und diese Stelle regelt auch Treffen sowie den Austausch zwischen Vertretern des Niederdeutschen und der fachlich beteiligten Ressorts. Ein inhaltlicher und ein fachlicher Austausch findet also bereits statt. Man kann aber auch – entsprechend dem Sprachgebrauch, den Sie vorhin anwandten – sagen: Sachverstand trifft auf Sachverstand.

Wir lehnen den Antrag ab, da die in ihm angestrebten Ziele nach unserer Ansicht bereits im realen Handeln der Landesregierung abgebildet werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bialas. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Keymis.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vier bis fünf Millionen Menschen sprechen Niederdeutsch – vor allem in Norddeutschland. Es sind aber nur ganz wenige oder relativ wenige bei uns in Nordrhein-Westfalen. Mindestens einer davon sitzt hier im Saal. Ich habe auch welche registriert, die das zumindest verstanden haben. Das freut mich sehr.

Ich erinnere mich gut daran, wie ich in den 80er-Jahren an der Niederdeutschen Bühne in Münster zu tun hatte. Das ist eine Einrichtung, die von den Städtischen Bühnen Münster mit unterstützt wird. Da gab es einen wunderbaren Schauspieler und Regisseur namens Hannes Demming.

(Henning Rehbaum [CDU]: Den gibt es immer noch!)

Ja, den gibt es immer noch. Ich weiß das. Für die, die es sich aufschreiben wollen, sage ich: Er wird am 25. Mai 80. – Der hat damals in einem wunderbaren Stück von Heinrich von Kleist – mit dem uns allen bekannten Titel „De bruoken Kroos“ – eine Rolle gespielt und darin brilliert. Das war schon eindrucksvoll. Vor allen Dingen ist eindrucksvoll, dass viele Menschen in diese Aufführungen kommen. Das sind Renner. Auch die Klassiker auf Niederdeutsch finden eine Verbreitung, die dann doch etwas mit dieser Art der Sprache zu tun hat.

Ich sage Ihnen offen, dass ich natürlich Sympathien für Anträge habe, die sich mit dem Thema befassen. Ich glaube aber, der Beirat hilft überhaupt nicht weiter. Weiter hilft vielmehr die Pflege entsprechender Kulturangebote. Eine starke Unterstützung solcher Kulturangebote würde uns viel mehr helfen. Sie würde den Menschen helfen, die sich engagieren, indem sie Theater spielen, Lesungen veranstalten, dichten und Niederdeutsch miteinander sprechen. Es geht dabei auch um das Pflegen in entsprechenden Mundartkreisen usw.

Die sind, glaube ich, allemal für unsere Unterstützung dankbarer, als wenn wir uns jetzt in einem Beirat noch einmal darüber unterhalten würden. Das ist für meine Begriffe nicht der entscheidende Punkt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Kollege Bialas hat es schon gesagt, insofern brauche ich das nicht alles zu wiederholen: Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe ist bei dem Thema – um das einmal so zu sagen – supergut aufgestellt und engagiert. Er fördert institutionell das in Bremen ansässige Institut für die Niederdeutsche Sprache. Von der Koordinierungsstelle in der Staatskanzlei war schon die Rede. Die versammelt einmal im Jahr die

interessierten Leute. Dabei wird auch das infrage stehende Thema behandelt.

Damit kommen wir, glaube ich, im Wesentlichen den Forderungen, die ja auch Teil Ihres Antrages sind, aus meiner Sicht jedenfalls gut nach.

Das Hamburger Parlament – ich habe das mit Interesse in der Vorbereitung auf diesen Tagesordnungspunkt nachgelesen – berät sogar ausdrücklich auf Plattdeutsch – allerdings nur dann, wenn auch der Antrag auf Plattdeutsch geschrieben wurde. Der Eindruck, den ich jetzt von hier mitnehme, ist ja, dass wir alle – auch Sie, Herr Rehbaum, und Ihre Fraktion – das nicht vorhaben. Haben Sie insofern Verständnis dafür, wenn mindestens unsere Fraktion zu Ihrem Antrag freundlich „Nee seggen“ wird. Und um es mit meinem kleinen niederrheinischen Idiom noch einmal etwas schmerzhafter für Sie auszudrücken: „Brook net“. – Danke schön.

Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. Seien Sie doch so nett und bleiben Sie noch hier. Herr Kollege Rehbaum hat jetzt zwar keine Kurzintervention angemeldet, würde Ihnen aber gerne eine Frage stellen. Und ich bin mir sehr sicher, dass Sie die beantworten werden.

Mal gucken!

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Frage zulassen. – Die Koordinierungsrunde in der Staatskanzlei ist mir bekannt. Unser Antrag geht insofern darüber hinaus, als es auch eine Verknüpfung zum Parlament gibt. Könnten Sie sich denn vorstellen, dass man eine Verknüpfung dieser Koordinierungsrunde mit dem Parlament herstellt?

Ich kann mir vieles vorstellen, auch dass wir uns einmal über eine solche Verknüpfung unterhalten, uns miteinander ins Benehmen setzen und das Thema möglicherweise im Kulturausschuss einmal aufrufen. Da könnten wir die entsprechenden Aktivitäten miteinander diskutieren. Wir könnten uns gemeinsam überlegen, wie wir die Förderung der entsprechenden Bühnen und Einrichtungen ein Stück weit in den Blick nehmen. Also das kann ich mir vorstellen – natürlich immer nach Maßgabe des Haushaltes. Werden Sie im Kulturministerium nicht nervös! Es ist ja verständlich, wenn man da schnell nervös werden würde.

Ich würde das aber nicht noch einmal institutionalisieren. Das würde, glaube ich, angesichts dessen, was ich eben beschrieben habe, nicht weiterhelfen. Insofern bitte ich um Verständnis, dass wir beim Nein zu Ihrem Antrag bleiben. – Danke schön.

(Henning Rehbaum [CDU]: Schade!)

Vielen Dank. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Schmitz das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werter Herr Kollege Rehbaum, großes Kompliment! Die Einlage auf Niederdeutsch in Ihrer Rede war sehr schön. Diesbezüglich bin ich leider in der Defensive.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der hier von der CDU-Fraktion vorgelegte Antrag bietet eine gute Gelegenheit, zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern, Vereinen, Bildungseinrichtungen und Initiativen, die sich für den Erhalt, die Pflege und die Weiterentwicklung der niederdeutschen Sprache engagieren, ganz herzlich zu danken. Denn ohne dieses Engagement wäre nicht nur Nordrhein-Westfalen, sondern auch ganz Deutschland und Europa über kurz oder lang um ein Kulturgut ärmer.

Entwicklungen der Sprache sind ja nicht nur ein wichtiger Bestandteil unserer Kommunikation miteinander. Sie sind ein Teil unserer Geschichte, unserer Traditionen und unserer Herkunft. Deshalb ist es auch wichtig, dass sich die Politik in den Erhalt und die Weiterentwicklung dieser Aspekte der Sprachkultur einbringt. Damit wird Sprache – so wie es auch in anderen Bereichen, wie etwa der Brauchtumspflege oder der Förderung von Kunst und Kultur, selbstverständlich ist – nicht nur als akademische Disziplin verstanden.

Konkret schlagen die Antragsteller also vor, in Nordrhein-Westfalen einen Beirat für die niederdeutsche Sprache einzurichten. Der Beirat würde eine Institutionalisierung der Beziehungen zwischen der niederdeutschen Sprachkultur und der Politik schaffen. In der Tat existieren solche Beiräte bereits in anderen Bundesländern, etwa in Schleswig-Holstein oder in Bremen.

Ob allerdings die Einrichtung eines Beirates und damit die angestrebte Institutionalisierung tatsächlich einen Beitrag zum Schutz und zur Förderung des Kulturgutes „Niederdeutsch“ leisten würde, ist zumindest unklar.

Ich habe die Vermutung, dass es eher nicht so ist, denn wie auch in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Engagements, des freiwilligen Einsatzes der Bürger für ihnen wichtige Anliegen oder des kulturellen und kreativen Schaffens ist nicht der Staat der Antreiber. In erster Linie sind es nicht irgendwelche Beiräte, Administrationen oder staatliche Programme, die die Grundlagen für bürgerschaftliches und kulturelles Engagement legen, sondern es sind der Einsatz, die Tatkraft, das Interesse und die Kreativität der Menschen vor Ort.

In diesem Sinne gehört auch die niederdeutsche Sprachkultur in den Alltag und in die Fläche und nicht in den politischen Elfenbeinturm. Mein Eindruck ist deshalb, dass Überlegungen, wie diese Kulturpflege zum Beispiel in bestehenden Vereinen oder in der Schule gestärkt werden kann, einem Beirat vorzuziehen sind.

Der hier vorliegende Antrag eignet sich sicher nicht dazu, ihn in Bausch und Bogen zu verwerfen, denn es ist durchaus richtig und löblich, der niederdeutschen Sprachkultur an dieser Stelle so prominent eine Plattform zu bereiten. Es geht um ein wichtiges Thema, das steht außer Frage. Allerdings wird nicht überzeugend dargelegt, dass ein Beirat einen substanziellen Beitrag bei diesem Thema leistet. Hinzu kommt, dass im Antrag auch nicht näher erläutert wird, was der Beirat eigentlich genau leisten, wie er beschaffen sein und wie er mitwirken soll.

Aus meiner Sicht wäre somit eine Ausschussbefassung einer Direktabstimmung vorzuziehen gewesen, um eine tiefergehende Diskussion zu ermöglichen. Da diese nun nicht stattfinden kann, bleibt uns leider nichts anderes übrig, als den Antrag an dieser Stelle abzulehnen. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP – Zuruf von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schmitz. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Rohwedder das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Protokollanten! Ji schallt ni bang ween, ik warr mien Reed hüüt ni up platt hollen. Also, ihr braucht keine Angst zu haben, ich werde heute nicht plattdeutsch sprechen.

Bereits im Juli 2014 hatte ich hier dargelegt, dass und warum die Sprache der wichtigste Bestandteil menschlicher Kultur ist, dass und warum Niederdeutsch eine eigene Sprache ist und dass und warum es bei der Pflege des Niederdeutschen nicht nur um Traditionspflege geht. Bei der Gelegenheit begründete ich auch, dass Niederdeutsch wie jede Kultur Schutz und Förderung verdient, und führte aus, dass der Europarat dazu die Charta der Regional- oder Minderheitensprachen herausgegeben hat, die in

Deutschland seit 1999 gilt.

An der damaligen Situation, dass die Umsetzung für Plattdeutsch in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich weit gediehen und Nordrhein-Westfalen weit abgeschlagen war, hat sich bedauerlicherweise nichts geändert.

Die Einrichtung eines Beirats, wie im Antrag vorgeschlagen, kann ein Schritt in die richtige Richtung sein, aber greift in der Form, wie er jetzt ursprünglich

geplant war, zu kurz. Das hätte mindestens eine Ausschussbehandlung verdient; eine direkte Abstimmung wäre kontraproduktiv. Allerdings habe ich gerade erfahren, dass die Ausschussbehandlung jetzt beantragt wird und halte das für den richtigen Schritt. Es sieht so aus, als wäre der Antrag ein wenig mit der heißen Nadel gestrickt und mit den Betroffenen vorher nicht ausreichend erörtert worden. Dazu wird man jetzt Gelegenheit haben.

Im vorliegenden Antrag gibt es außerdem keine Aussage darüber, wie man zur Zusammensetzung des beantragten Beirats gelangen will, also zum Wahl- oder Entsendungsverfahren der Mitglieder. Weder die Fachstelle für Niederdeutsche Sprachpflege im Westfälischen Heimatbund noch der Bundesrat für Niederdeutsch wurden, soweit ich weiß, in die Vorbereitung des Antrags eingebunden oder befragt.

Die Einbindung von Wissenschaftlern mag sinnvoll sein, allerdings haben wir im Lande eine niederdeutsche Sprachwissenschaft, die sich bisher jedoch nicht mit aktiv Sprechenden befasste, sondern sich primär um mittelniederdeutsche Dialektforschung kümmerte. Das ist sicher ein akademisch interessantes und ergiebiges Gebiet, das dem Neuniederdeutschen aber erst einmal wenig hilft.