Protocol of the Session on April 20, 2016

Es gibt andere mindestens genauso wichtige Schritte, die in den zehn Punkten überhaupt nicht vorhanden sind und die es auch schon seit einiger Zeit gibt. Dazu zählt etwa die Änderung des Kreditwesengesetzes mit dem Ziel, nicht nur einzelne Bankmitarbeiter wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung belangen zu können, sondern die Banken selber, und zwar in letzter Konsequenz sogar mit dem Entzug der Lizenz.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Solange nur einzelne Mitarbeiter zu packen sind, gibt es in Deutschland nicht wirklich Sanktionen, die es für eine Bank riskant machen, Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu leisten. Die Höhe der Strafzahlungen in Deutschland ist im internationalen Vergleich lächerlich.

Seit Mitte 2014 liegt im Bundestag dazu zum zweiten Mal ein Gesetzentwurf des Bundesrates vor. Das erste Mal war noch zu Zeiten der schwarz-gelben Koalition, und ist dann der Diskontinuität anheimgefallen. Es ist ein Gesetzentwurf, initiiert von NRW, Baden-Württemberg und Niedersachsen. Bisher ist nichts passiert.

Ebenfalls seit 2014 tritt Nordrhein-Westfalen dafür ein, Gestaltungsmöglichkeiten, sogenannte hybride Finanzierungen, unmöglich zu machen und zu unterbinden, weil damit Kapital aus Deutschland steuermindernd abgezogen und anderswo nicht versteuert platziert wird. Mit Mühe konnte das BMF dazu gebracht werden, Anfang 2015 eine Arbeitsgruppe einzusetzen. Sie hat einmal getagt, danach Sendepause. Es gibt immer wieder das gleiche Argument für Tatenlosigkeit, und das heißt: Maßnahmen wirken nur, wenn sich möglichst alle Staaten daran beteiligen.

Ich bestreite nicht, dass wir auf der internationalen Bühne in Deutschland, in Europa und darüber hinaus – auch unter Hinzutun des Bundesfinanzministers – eine Menge erreicht haben, von dem wir vor einigen Jahren noch nicht geglaubt hätten, dass es erreichbar sein wird. Dazu zählen etwa die Vereinbarung zum automatischen Informationsaustausch, der ab 2017/2018 Wirklichkeit werden soll, oder auf der nationalen Ebene die Verschärfung der Selbstanzeige.

Wir müssen uns aber immer wieder klarmachen: Das ist ja nicht erreicht worden aus Einsicht oder nach einer moralischen Wende, sondern es ist erreicht worden einzig und allein, weil wir Druck gemacht haben und es gelungen ist, den Betrug zum Imagerisiko zu machen, immer häufiger aufwendiger und weniger profitabel. Nur diese Sprache versteht der Finanzsektor.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Richtig ist, dass international flächendeckend wirksame Vereinbarungen nötig sind. Richtig ist aber

auch, dass an dem internationalen Verhandlungstisch, an dem es um das Austrocknen des Steuerhinterziehungssumpfs geht, auch Frösche sitzen. Und die haben, wie man weiß, kein großes Interesse daran, Sümpfe auszutrocknen.

Deswegen ist es richtig, wenn der Bundesfinanzminister jetzt mit einigen Ländern, die wirtschaftlich stark genug sind, so etwas Ähnliches wie eine Achse des Guten bilden will, wie ich es einmal nennen will, und dann Druck aufbauen will. Nur so sind ja bisher auch Erfolge möglich geworden.

Es gibt die Ankündigung, es zu unterstützen. Aber mal ehrlich: Wird Großbritannien mit den Kanalinseln und seinen Überseegebieten beherzt am gleichen Strang ziehen? Was ist mit denen außerhalb dieser Fünfergruppe – etwa mit den Tax Rulings in Luxemburg? Was ist mit Double Irish, Dutch Sandwich und mit Delaware in den USA?

Das alles sind Dinge, die mit einem bestimmten Plan verbunden sind, an denen sich auch die EU beteiligt. Man muss sich das einmal vorstellen: Wir reden über Steuerhinterziehung und ihre Vereitelung, und in der gleichen Zeit berät die EU über den Plan, eine neue Ein-Personen-Gesellschaft zuzulassen, die per Internet und ohne Notar gegründet werden kann und auf Knopfdruck den Standort in europäischen Steueroasen ansiedeln kann. Das ist eine willkommene Einrichtung für Großkonzerne, Hunderte solcher Gesellschaften – SUP nennen die sich: Societas Unius Personae – zu bilden. Man kann es auch mit „europäische Briefkastenfirma“ übersetzen. Das Ding darf es nicht geben!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Ver- einzelt Beifall von den PIRATEN)

Die Landesregierung unterstützt die Bemühungen des Bundesfinanzministers, seine Punkte schnellstmöglich in die Tat umzusetzen.

Sie nimmt aber auch mit Verwunderung zur Kenntnis, dass selbst einstimmige Vereinbarungen der Länderfinanzminister, denen sich der Bundesfinanzminister angeschlossen hat, von seinem Haus und seiner Bundestagsfraktion auf die lange Bank geschoben, die Tatbestände verharmlost und Lösungen verwässert werden. Der Gesetzentwurf gegen die Manipulation von Registrierkassen ist dafür nur ein ziemlich krasses Beispiel. Die im Bundestag schlummernden Gesetzesinitiativen des Bundesrates sind es ebenso.

Ich will nicht über die Motive spekulieren, warum das so ist, ich fordere nur dringend, das Spiel auf Zeit aufzugeben. Es geht um die Glaubwürdigkeit, dass der demokratische Rechtsstaat handlungsfähig, aber auch handlungswillig ist. Das heißt vor allem anderen, dass der Bund dafür sorgen muss, dass die schon bestehenden Befugnisse – etwa durch die Bankenaufsicht BaFin – auch konsequent genutzt

werden. Die BaFin kann schon heute in bestimmten Fällen gegenüber einer Bank mit dem Entzug der Lizenz drohen. Es ist nur nie die Rede davon, dass diese Befugnis besteht.

Die Bundesregierung muss außerdem auch mit dem Ernst machen, was auf Seite 65 des Berliner Koalitionsvertrages steht. Da steht:

„Im Vorgriff auf diese internationale Regelung“

gemeint ist eine Regelung zur Gewinnverschiebung über Lizenzzahlungen –

„werden wir in Deutschland erforderlichenfalls gesetzgeberisch voranschreiten.“

Das und weitere Formulierungen auf den Seiten 63 bis 65 führen mich zu fünf Punkten, die ich im Hinblick auf die politische Agenda für dringend notwendig halte und die wir auch hier im Landtag bedenken sollten.

Dabei geht es erstens um die schon angesprochene Beschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Lizenzen. Gewinne müssen da versteuert werden, wo sie gemacht werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn IKEA all seine Möbelhäuser auf den Jungferninseln ansiedelt, können die ihre null Steuern auch da bezahlen. Aber wenn die Gewinne hier gemacht werden und dann der Gewinn für das Recht, den Markennamen zu führen, in voller Größenordnung an Irland oder die Jungferninseln abgetreten werden muss, ist das nicht zu akzeptieren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Ver- einzelt Beifall von PIRATEN)

Zweitens muss Deutschland auch zum Country-byCountry-Reporting Ja sagen. Das bedeutet, dass dargestellt wird, wo die Umsätze und Gewinne von Teilen eines Konzerns in der Welt entstehen und wo welche Steuern bezahlt werden. Das kann auch einmal bedeuten, dass wir weniger Einnahmen haben. Aber bei Gerechtigkeit geht es nicht nur um die Frage „Wie bekomme ich mehr?“, sondern auch darum, wie die Steuern nach dorthin in der Welt verteilt werden, wo sie entstehen. Das hat auch etwas mit wohlverstandener und richtiger Entwicklungshilfe zu tun.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Drittens gibt es den Gesetzentwurf des Bundesrates, dass Sanktionen nicht nur gegen Bankenmitarbeiter, sondern auch gegen Banken selber verhängt werden können. Banken sind keine normalen Unternehmen, sie sind systemrelevant. Darauf legen sie ja auch Wert, wenn es um ihre Stützung geht. Wer systemrelevant ist, hat die verdammte Pflicht, auf Lücken in der Gesetzgebung aufmerksam zu machen und ihre Schließung zu fordern, anstatt sie schamlos für lukrative Dienstleistungen auszunutzen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

Wir fordern deshalb die Banken und ihr Verbände auf, einen Ethikrat einzusetzen, der die Politik auf in der Praxis erkennbare Lücken aufmerksam macht und so einer Systemrelevanz gerecht wird. Das wäre übrigens eine glaubwürdige Konsequenz aus den Äußerungen, mit denen sich heute der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Fahrenschon, zitieren lässt. Er sagt: „Wir brauchen eigene Werte, Mut und eine bessere Sicherheitsschleife für den Finanzsektor.“

Viertens. Die Steuerpflicht bezieht sich in Deutschland auf das Welteinkommen. Deshalb sind Offshorefirmen und ihre Einkünfte – auch Briefkastenfirmen – schon heute meldepflichtig. Es ist aber ein Witz, dass der Verstoß gegen die Meldepflicht lediglich eine Ordnungswidrigkeit ist, die mit bis zu 5.000 € geahndet wird. Das muss sich dringend ändern.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir brauchen fünftens ein Transparenzregister, das die Hinterleute von Offshorefirmen offenlegt und bei dubiosen Konstruktionen auch die Beweislast umkehrt. Das sind Punkte, bei denen wir die Umsetzung selber in der Hand haben. – Wir werden da weiter Druck machen.

Der Antrag der Regierungsfraktionen im Landtag, aber auch der einstimmige Beschluss der Finanzministerkonferenz vom 7. April bieten weitere ergänzende Gelegenheiten, endlich zur Tat zu schreiten. Die Landesregierung wird ihre Schrittmacherfunktion auch in Zukunft beherzt wahrnehmen. Wir werden die Bundesregierung dabei unterstützen, auf der internationalen Ebenen zu wirksamen Ergebnissen zu kommen. Wir werden sie, wo nötig, auch treiben – nicht nur mit Ankündigungen und Forderungen, sondern, wie wir das in den letzten knapp sechs Jahren bewiesen haben, auch mit Handeln.

Die Redezeit.

Das geschah zuletzt mit der Übermittlung unserer Erkenntnisse an die übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.

Die Ehrlichen dürfen nicht die Dummen sein, die am Ende zusehen müssen, wie unser reiches Land die Möglichkeiten verspielt, massiv in die Zukunft zu investieren – es sei denn, die Ehrlichen übernehmen die Lasten, die ihnen die Unehrlichen hinterlassen. Wenn das Unanständige und – ich sage es hier an dieser Stelle noch einmal – im wahren Wortsinne Asoziale riskant, teuer und demaskiert wird, nur dann haben wir die Chance, deutlich mehr für die Zukunft, für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und

für Teilhabe in Bezug auf Infrastruktur, Bildung, Sicherheit und Zusammenhalt zu tun.

Dann besteht sogar die gute Aussicht, die Ehrlichen entlasten zu können. Das würden wir schon erreichen, wenn es gelänge, ein Viertel der geschätzten 160 Milliarden € zu sichern, die jährlich bundesweit hinterzogen oder mit Tricks umgangen werden. Das sind wir im Übrigen auch den Unternehmern schuldig, die ihre Gewinne ehrlich versteuern und durch Tricks ihrer Konkurrenten in wirtschaftliche Bedrängnis gebracht werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Finanzierbarkeit von Zukunftsinvestitionen zu sichern und zugleich den Ehrlichen zu ihren Rechten zu verhelfen, daran werden wir weiter arbeiten. Da können wir, glaube ich, auch schon auf eine gute Bilanz der letzten sechs Jahre zurückblicken. Es gibt aber noch viel zu tun. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Finanzminister. – Nach der Unterrichtung durch die Landesregierung eröffne ich hiermit die Aussprache zur Unterrichtung und gleichzeitig auch zur Behandlung der beiden Anträge. Herr Finanzminister hat seine Redezeit um 1:45 Minuten überzogen, die natürlich die Fraktionen jetzt zusätzlich bekommen. – Als erster Redner hat für die CDU-Fraktion Herr Dr. Optendrenk das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Steuerhinterziehung … ist kein Kavaliersdelikt. …

Steuerhinterziehung ist eine Straftat, durch die sich die Täter ihren Pflichten zur Mitfinanzierung unseres Gemeinwesens entziehen. …

Steuerhinterzieher wollen, dass für sie andere Spielregeln gelten als für ihre Mitmenschen, nämlich genau die Spielregeln, die sie sich selbst geben. Das geht in einem Rechtsstaat nicht, das ist nicht akzeptabel.“

So waren meine Worte am 24. April 2013 in einer Aktuellen Stunde hier zum Fall Hoeneß: Die Aktualität besteht fort. Jetzt wird überall ergänzt: Oh, wie schön ist Panama. – Es könnte aber auch heißen: Oh, wie schön ist Delaware. Oh, wie schön ist Hongkong.

Eines ist selbsterklärend: Der Kampf gegen Steuerhinterziehung gehört aus guten Gründen zum selbstverständlichen Geschäft jedes Finanzministers. Auch wenn dieser Finanzminister da kommunikativ ganz besonders aktiv ist und wenn er sich da auch