Protocol of the Session on April 20, 2016

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

An dem Punkt muss man sagen, dass es einfach richtig ist, den Antrag zum generellen Handyverbot – ich weiß nicht, was an diesem Begriff undeutlich ist – zu stellen. Das wollte ich noch einmal zum Besten geben. Noch einmal Danke für Ihre moderaten Worte.

Sie sind gelobt worden. Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Ich nehme es entgegen.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Was?)

Frau Kollegin Gebauer nimmt das Lob so entgegen. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Löhrmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf den Anfang der Rede von Herrn Marsching zurückkommen. Herr Marsching, ich glaube, dass manche schulische Diskussion es durchaus mit demokratischen Gepflogenheiten dieses Parlaments aufnehmen kann. Aber eine grundsätzliche Gleichsetzung von Schule und Parlament trifft, glaube ich, nicht den Arbeitsauftrag dieser beiden Seiten.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Ach ja!)

Das ist das Erste, was ich gern sagen möchte.

Das Zweite, was ich vorab sagen möchte: Aus meiner Sicht, aus Sicht der Landesregierung sind die neuen Medien Werkzeuge. Sie sind kein Allheilmittel.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das hat nie- mand gesagt!)

Allein zu sagen, alles mit Handy und alles wird gut, entspricht nicht meinem Verständnis von Schule.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bei Ihnen habe ich den Eindruck, das hat so etwas von Fetisch.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Ich habe an- dere Fetische, glauben Sie mir!)

Das ist sehr eindimensional.

Ich möchte auch, dass eins klar bleibt – die pädagogische Begründung ist zumindest schon von vier Fraktionen genannt worden; von Ihnen habe ich das nicht gehört –: Schule ist auch ein sozialer Lern- und Lebensraum. Da ist es auch gut, wenn Schülerinnen und Schüler sich manchmal ohne die neuen Medien beschäftigen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wenn sie sie gut und kompetent nutzen, ist das in Ordnung, aber es darf auch das andere nicht zu kurz kommen. Denn sonst verkümmern bestimmte Kompetenzen, und sonst verkümmern auch bestimmte Werte. Es ist für mich wichtig, das hier an dieser Stelle zu sagen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir sind in Nordrhein-Westfalen dabei, Bildung in der digitalen Welt zu gestalten. Dazu passt kein pauschales generelles Handyverbot in der Schule. Ein solches Verbot gibt es nicht, meine Damen und Herren. Ich will das noch einmal ausdrücklich unterstreichen. Keine Landesregierung und kein Landesgesetz sagen, das soll nicht genutzt werden.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das hat auch niemand behauptet!)

Handys gehören zur Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler und können pädagogisch sinnvoll in den Unterricht integriert werden. Insofern Konsens. Deswegen hat mich auch Ihr Anfang etwas irritiert.

Viele der beschriebenen Dinge sind aber längst im Blick der Landesregierung und befinden sich in der Umsetzung. Die Medienkompetenzen der Kinder und Jugendlichen werden in immer mehr Schulen systematisch entwickelt und durch Zertifizierungen gesichert. Die Schulen können dazu für alle Kinder und Jugendlichen den Medienpass NRW als modernes kompetenzorientiertes Instrument mit Lehrplanbezug nutzen.

So werden differenzierte Medienkompetenzen für das Leben, Lernen und Arbeiten in der digitalen Welt vermittelt. Dazu gehört auch die reflektierte Nutzung von Handys. Das Fortbildungsprogramm „Lernmittel- und Medienberatung“ der 53 Kompetenzteams für

Lehrerfortbildung unterstützt die Schulen beim systematischen Aufbau von Medienkompetenzen mit dem „Medienpass NRW“.

Es gibt bereits gute Praxis für eine pädagogisch sinnvolle Nutzung privater Hardware von Jugendlichen im Unterricht. „Bring Your Own Device“ wurde zum Beispiel im Projekt „School IT Rhein Waal“ erprobt, das die Grundlagen für eine nachhaltige und umfassende IT-Ausbildung an Schulen geschaffen hat.

(Daniel Düngel [PIRATEN]: IT, und damit ist genug gesagt!)

Schulen in Dinslaken, Duisburg, Kamp-Lintfort, Meerbusch, Rheinberg und Straelen bereiten sich mit Unterstützung des Projekts als Transferschulen auf die Einführung von „Bring Your Own Device“ vor.

Meine Damen und Herren, die selbstständige Schule ist schon genannt, und ich will das noch einmal unterstreichen. Schulen müssen eigenverantwortlich Regeln aufstellen, wenn private Hardware von Jugendlichen im Unterricht genutzt werden soll. So hat beispielsweise die Werner-von-Siemens-Gesamtschule in Unna-Königsborn eine Mediennutzungsvereinbarung auf Initiative der Schülervertretung erarbeitet und in den schulischen Gremien beschlossen. Sie haben die Eltern und ihre Lehrerinnen und Lehrer davon überzeugt, dass das gut ist, und die Regeln sind akzeptiert.

In bestimmten – auch das will ich noch einmal unterstreichen – pädagogischen Situationen, zum Beispiel bei Vorfällen wie Internetmobbing, können diese Regeln auch zu begründeten Verboten führen.

Meine Damen und Herren, der digitale Wandel bringt eine Vielzahl von Chancen und Herausforderungen auch für die Schulen. Die Nutzung von Hardware der Schülerinnen und Schüler ist dafür ein typisches Beispiel. Der digitale Wandel verändert Schule, vom Schulbuch bis zum Schulbau, vom Lehrplan bis zum Stundenplan, vom Vormittag bis zum Ganztag. Mein Hauptanliegen ist es dabei, die Möglichkeiten der digitalen Welt gezielt zur Qualitätsentwicklung in der schulischen Bildung zu nutzen.

Ich möchte mit einem Satz aus der Abteilung Chancen der Wochenzeitung „Die Zeit“ von September 2015 schließen:

„Der digitale Wandel ist kein Problem, sondern Teil der Lösung für mehr Chancengerechtigkeit.“

Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, gemeinschaftlich daran arbeiten. Ich bin froh, dass ich vier Fraktionen in dieser Frage vom Grundsatz her auch da an meiner Seite habe, weil es eine Zukunftsfrage ist, und die müssen wir gemeinsam gestalten. Ich habe in dem Antrag Teile gesehen, über die wir gern diskutieren können, die auf dem Weg sind. Aber ich

finde, die Einlassungen, die Sie hier vorgetragen haben, werden der schulischen Wirklichkeit in Nordrhein-Westfalen nicht gerecht. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Frau Ministerin, wenn Sie noch einen Moment am Redepult bleiben. Es liegt eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Marsching vor.

Frau Ministerin, am Anfang haben Sie gesagt, Schule und Parlament lassen sich nicht gleichsetzen, und jetzt, im letzten Satz, kritisieren Sie mich dafür, dass das dem nicht gerecht wird. Ist egal. Okay. Wir lassen das. Also, Sie bestätigen alle Vorurteile, nicht nur Sie, sondern auch die Vorredner bestätigen alle Vorurteile.

Wir haben in diesem Antrag gefordert, dass pädagogische Konzepte für die Mediennutzung, für die Handynutzung im Unterricht erarbeitet und genutzt werden sollen.

Ich definiere einmal für Sie „generelles Handyverbot“, weil danach viermal gefragt wurde. Ein generelles Handyverbot, wie ich es verstehe, ist eine Handynutzungsverordnung, die sagt: Am Schulhoftor wird das Handy ausgemacht, in die Tasche gesteckt, und erst nach dem Unterricht, beim Hinausgehen, beim Verlassen des Schulgeländes darf es wieder benutzt werden. Da gibt es Beispiele – wir wollen hier kein „naming and shaming“ machen, wir wollen sie nicht aufzählen –, und das wissen hier auch alle Redner.

Wir wissen auch, dass es keine Order seitens der Landesregierung gibt, dass Handys nicht genutzt werden dürfen. Aber wir sagen extra in dem Antrag: Es soll dafür geworben werden, dass sinnvolle Ansätze erarbeitet und Potenziale gehoben werden und dass das Handy sinnvoll im Unterricht genutzt werden soll, und zwar auch von den Lehrern – die ich nicht beleidige –, die es bis jetzt nicht machen und nicht geschafft haben. Das hat auch nichts mit „Fetischen“ zu tun – meine Fetische sind andere, aber die gehen hier niemanden etwas an.

(Beifall von den PIRATEN – Zurufe)

Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Frau Ministerin.

Sehr geehrter Herr Marsching, die Aussage „Kein generelles Handyverbot“ habe ich so interpretiert – und ich hatte den Eindruck, die meisten anderen ebenfalls –, als unterstellten Sie, dass es ein Gesetz oder eine Anweisung der Landesregierung

gäbe, dass Handys in Schulen grundsätzlich nicht vorhanden sein oder genutzt werden dürften.

(Zuruf von den PIRATEN: Aber das ist doch nicht unser Fehler! – Gegenruf von der SPD: Dann müssen Sie genauer formulieren!)

Dazu habe ich erstens klargestellt: Ein solches Verbot gibt es nicht.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Als wie dumm versuchen Sie uns hier darzustellen?)

Zweitens habe ich gesagt: Ich setze darauf, dass es ein Primat der Pädagogik bei der Nutzung von Handys gibt, wie in allen anderen Bereichen auch.

Drittens habe ich darauf abgehoben, dass ich es nicht angemessen fand, zu sagen: Die Lehrer sagen morgens „Dies und jenes wegtun“, und die Mitglieder dieses Parlaments von frei gewählten Abgeordneten sollten von ihren Parlamentarischen Geschäftsführern gemaßregelt werden, gefälligst ihre Handys auszumachen, damit sie Ihnen angemessen zuhören. Dagegen habe ich mich verwahrt aus Respekt vor dem Parlament. – Vielen Dank.