Protocol of the Session on March 17, 2016

(Zurufe)

Das wollen wir ja diskutieren. Ein Antrag dient doch dazu, diese Probleme zu benennen und zu sagen: Wir wollen uns gemeinsam den Lösungen nähern. Ich sehe nicht, dass man hier zwanghaft einen Gegensatz konstruieren muss.

Im vergangenen Jahr meldete die IHK einen Rückgang bei den Gründungsberatungen, und der schon zitierte IHK-Präsident Eric Schweitzer klagte,

Deutschland stecke in einer Gründermisere. In der damaligen Pressekonferenz hat er dann aber einen wichtigen Punkt gesetzt, indem er sagte: Ich habe einen Hoffnungsschimmer, und zwar Gründer mit Migrationshintergrund. Die machen mittlerweile schon ein Fünftel bei der Beratung von Gründungsinteressenten aus. – Eric Schweitzer hat dann noch berichtet, dass sie sich sehr gut vorbereitet zeigten und sehr rasch auf dem Markt Fuß fassen wollten.

Ich glaube, es ist unsere Aufgabe, ihnen dabei zu helfen, auch im Sinne des modernen, flexiblen, dynamischen Wirtschaftslandes. Dazu muss man das Richtige tun. Der vorliegende Antrag macht wertvolle Vorschläge dazu, und deswegen hat er auch unsere Unterstützung. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Duin. – Jetzt spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Yetim.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf den Antrag zu sprechen komme, lassen Sie mich zwei, drei Bemerkungen vorab machen. Ich glaube, wir sind uns darüber einig, dass wir in dieser Hinsicht etwas tun müssen.

Als Integrationspolitiker und als Kind des Ruhrgebiets, das aus einer Zuwandererfamilie kommt, muss ich sagen: Es ist traurig, dass wir dieses Problem nach 60 Jahren überhaupt noch haben. Wahrscheinlich hätten wir viel früher reagieren müssen. Sie wissen aber auch, warum die Lage bei den migrantischen Unternehmensgründungen im Moment so ist, wie sie ist. Das hätten wir alles schon viel früher, vor 30 oder 40 Jahren, auf dem Schirm haben müssen. Das gilt übrigens nicht nur für die wirtschaftlichen Belange, sondern auch für alle anderen Bereiche, die mit der Integrationspolitik zu tun haben.

Herr Hafke, lassen Sie mich zwei, drei Sätze zu Ihren Ausführungen sagen. Der Mindestlohn – das haben wir nach der Einführung alle festgestellt – ist wichtig, und alle finden dessen Einführung gut. Ich habe von niemandem gehört, der ernsthaft sagt, der Mindestlohn habe nicht gewirkt. Er wirkt,

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP] – Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

und wenn ich mich beispielsweise mit Handwerksbetrieben auseinandersetze, stelle ich fest: Der Mindestlohn von 8,50 € – darüber brauchen wir auch gar nicht zu diskutieren – ist da nicht das Problem. Von daher kann ich Ihre Kritik nicht verstehen.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Wenn Sie so ein vehementer Gegner des Mindestlohns sind, empfehle ich Ihnen, im nächsten Landtagswahlkampf die Abschaffung des Mindestlohns zu plakatieren. Das würde uns allen helfen. Wenn Sie so dagegen sind, dann tun Sie das. Das wäre für Sie vielleicht eine Strategie. Ich entnehme Ihren Worten jedenfalls, dass Sie gegen den Mindestlohn sind. Daher könnte das für Sie eine Wahlkampfhilfe sein.

(Michael Hübner [SPD]: Genau!)

Herr Hafke, Unternehmensgründungen dauern 14 Tage. Finden Sie ernsthaft, dass 14 Tage für eine Unternehmensgründung eine lange Zeit bedeutet?

(Marcel Hafke [FDP]: Ja!)

Ich persönlich finde die Dauer von 14 Tagen zur Gründung eines Unternehmens völlig in Ordnung. Das reicht, und es ist auch völlig in Ordnung, 14 Tage auf den Bescheid zu warten, ein Unternehmen gründen zu können.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Schließlich müssen gewisse Dinge geprüft werden. Von daher habe ich damit überhaupt kein Problem.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Aber in den 14 Tagen verdienen Sie kein Geld!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wesentliche ist inhaltlich bereits gesagt. Ich möchte jedoch noch zwei, drei Worte zu der aktuellen Situation verlieren. In der Bundesrepublik gibt es 4,4 Millionen Selbstständige, davon 760.000 mit ausländischen Wurzeln. Jeder sechste unternehmerisch Aktive hat ausländische Wurzeln. Die Klischees sind gerade noch einmal angesprochen worden: die Dönerbude, der Pizzaladen, der Gemüsehändler, das griechische Restaurant.

All das stimmt aber nicht mehr. Es gibt inzwischen auch Unternehmen in der Softwarebranche, die von Migranten, von Kindern von Migranten und von Gastarbeitern gegründet wurden, die über 600 Mitarbeiter beschäftigen. Es gibt kleinere und größere Unternehmen, aber auch solche mit bis zu 600 Mitarbeitern. Auch im Bereich Gebäudedienste gibt es Unternehmen von Migranten mit über 600 Mitarbeitern.

All das zeigt, dass wir hier sehr breit aufgestellt sind. Es sollte uns ein Stück weit stolz machen, dass das funktioniert hat, dass es sehr viele gut ausgebildete Menschen gibt, die sich trauen, ein Unternehmen zu gründen, trotz all der Schwierigkeiten, die es im Zusammenhang damit gibt.

Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir ihnen da helfen. Dabei geht es nicht um Nachhilfe für die Kammern, liebe CDU, sondern es geht um eine Zusammenarbeit, um noch bessere Programme zu initiieren, als es sie bisher gibt. Auch darum geht es, und deswegen ist dieser Antrag völlig richtig.

Mir liegt es am Herzen, noch einmal Folgendes zu verdeutlichen: Ich möchte noch einmal auf die Zahlen eingehen, die Sie erwähnt haben. 760.000 Selbstständige haben einen Migrationshintergrund, und ungefähr 5 % der Erwerbstätigen in der Bundesrepublik Deutschland sind bei Unternehmen beschäftigt, die von Migranten geführt werden. Auch das sollte man auf dem Schirm haben.

Das ist vielleicht auch ein Argument dafür, zu sagen: Liebe AfD- und Pegida-Anhänger: Wenn wir diese Menschen nicht hätten, dann würde es in Deutschland ganz anders aussehen; dann wären wir wirtschaftlich nicht so stark, wie wir es derzeit sind. Diese Menschen tragen einen Teil dazu bei, dass es uns so gut geht. Darüber hinaus finanzieren sie sicher auch den einen oder anderen AfD- und Pegida-Anhänger. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Yetim. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Grunendahl.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Anlesen Ihres Antrages habe ich noch gedacht: Nach sechs Jahren in Regierungsverantwortung, nach Tariftreue- und Vergabegesetz, nach Klimaschutzgesetz, nach Klimaschutzplan, nach LEP, Ladenöffnungsgesetz, nach Wasserentnahmeentgelt, nach Landeswassergesetz, nach Landesnaturschutzgesetz,

(Norbert Meesters [SPD]: Das ist Volksge- schichte, die Sie hier aufzählen!)

nach der Grunderwerbsteuererhöhung – endlich einmal eine Initiative von Rot-Grün, mit der der Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen geholfen werden kann.

(Michael Hübner [SPD]: Das ist aber ein toller Anfang!)

Wir müssen feststellen, dass wir in Nordrhein-Westfalen, wenn es um das Thema „Gründer“ geht, im Bundesvergleich sicherlich sehr schlecht dastehen. Im Vergleich zu anderen Ländern hat NordrheinWestfalen hier einen Nachholbedarf, zwar auch generell, aber besonders eben bei Gründungen durch Menschen mit Migrationshintergrund.

So sehr ich mich über die Idee Ihres Antrages gefreut habe, so sehr bin ich von Ihren Vorschlägen enttäuscht.

Von einem Konzept, Gründer mit Migrationshintergrund zu fördern, sind Sie noch sehr weit entfernt. Sie beschreiben beispielsweise, wie wichtig eine

Gründungsfinanzierung ist, und dass hier Verbesserungsbedarf besteht. Doch statt Vorschläge zu machen, wie Sie selbst zukünftig Gründer mit Migrationshintergrund besser finanziell fördern wollen, rufen Sie wieder einmal nur nach Mitteln des Bundes.

In Ihrem Antrag steht kein einziger konkreter Vorschlag, wie man durch Umschichtung im Haushalt, durch Nutzung von EFRE oder ESF-Mitteln oder durch Programme der NRW.BANK die Gründungsfinanzierung, die eine wichtige Voraussetzung ist – das hat der Herr Minister hier gerade noch deutlich gemacht –, speziell von Gründern mit Migrationshintergrund verbessert werden kann.

Ihr Antrag mit seiner Aufzählung von zehn Spiegelstrichen wird potenzielle Gründer mit Migrationshintergrund kaum überzeugen. Zu viele offene Fragen, zu wenig Konkretes, dafür Allgemeinplätze, die ohnehin für Gründer oft schon bekannt sind. Kurz: Ihr Antrag wird in Nordrhein-Westfalen sicher keine Gründerwelle auslösen.

Fakt ist: Die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen wächst deutlich langsamer als die in anderen Bundesländern. Der Wachstumsrückstand auf die westdeutschen Länder hat sich mittlerweile auf über zehn Prozentpunkte aufsummiert. Dem Land gehen dadurch jährlich Steuereinnahmen in Höhe von 3 Milliarden € verloren.

Fakt ist: Die Menschen in Nordrhein-Westfalen sind genauso fleißig wie die im Süden Deutschlands. Also hängt die mangelnde Investitionsbereitschaft der Unternehmen in NRW ursächlich mit politischen Unsicherheiten und Zusatzlasten für Unternehmen zusammen. Diese Zusatzlasten müssen beseitigt und ein investitionsfreundliches Klima geschaffen werden.

Liebe SPD, liebe Grüne, wenn Sie mit Ihrem Antrag Menschen mit Migrationshintergrund in die Selbstständigkeit führen wollen, müssen Sie Gründungshemmnisse abbauen und eine Willkommenskultur für Gründer aufbauen.

Zum Schluss: Nordrhein-Westfalen braucht eine Wirtschaftspolitik, die Gründer in den Fokus nimmt und Wachstumsimpulse setzt. Der vorliegende Antrag von Rot-Grün wird diesem Ziel nicht gerecht. Aber wir haben im Ausschuss ja noch Zeit, diese Dinge gemeinsam zu besprechen. – Schönen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Grunendahl. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Somit kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/11427 an den Ausschuss für Wirtschaft,

Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk – federführend – sowie an den Integrationsausschuss. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Es gibt keine Gegenstimme, oder? – Nein. Enthaltungen? – Auch nicht. Damit ist einstimmig so entschieden und überwiesen.

Ich rufe auf:

3 Zuverlässige Biogasenergiequellen im ländli

chen Raum erhalten

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/11435