Protocol of the Session on March 16, 2016

Vielen Dank, Frau Kollegin Brems. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Terhaag.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag „Die Energiewende braucht Bürgerenergie – Ausschreibungen verhindern Bürgerenergie“ greifen die Piraten die Novelle des ErneuerbareEnergien-Gesetzes auf. Was ist der Anlass für die Novelle?

Die Verbraucher werden in diesem Jahr mit rund 23 Milliarden € für die Subventionierung der erneuerbaren Energien zur Kasse gebeten. Das bedeutet für eine vierköpfige Familie eine Belastung von 285 € im Jahr. Diese extrem hohen Kosten sind bedingt durch das Fördersystem des EEG mit seinen garantierten Vergütungssätzen. Die Bundesregierung will mit der Novelle die bisherige Förderung im Grundsatz durch eine Ausschreibungsförderung ablösen. Das macht sie im Übrigen nicht, weil Union und SPD die Sorge

um den Geldbeutel der Bürger umtreibt, sondern allein deshalb, um die Vorgaben der Europäischen Kommission aus ihren Umweltschutz- und Energiebeihilfeleitlinien zu erfüllen.

In der Tat ist es nicht einfach, die Umstellung auf ein Ausschreibungssystem kompatibel für Bürgerprojekte zu machen, damit auch Bürgerwindparks, wenn sie vor Ort gewollt sind, möglich bleiben. Gegen die Umstellung auf diese Ausschreibungen wenden sich nun die Piraten mit ihrem heutigen zweiten Antrag, der zur Debatte steht. Nachdem Sie heute bereits die Einführung eines zentralen Lobbyregisters gefordert haben, dachte ich allerdings, Sie würden nun selbst mit gutem Beispiel vorangehen und offen und ehrlich sagen, was Sie wirklich wollen.

(Beifall von der FDP)

Denn wenn man es genau betrachtet, beraten wir hier eigentlich über die Argumente und Forderungen des Landesverbandes Erneuerbare Energien zur laufenden EEG-Reform. Eine entsprechende Pressemitteilung des Landesverbandes aus dem Februar 2016 haben die Piraten nun zu diesem Antrag aufgepumpt und schmücken sich ungeniert mit fremden Federn. Das ist meiner Meinung nach unseriöse Politik, meine Damen und Herren von den Piraten!

(Beifall von der FDP)

Wenn Sie ehrlich wären, würden Sie zugeben, dass es Ihnen in Wahrheit nicht um eine praxisgerechte Ausgestaltung der Sonderregelung für Bürgerenergie geht, sondern darum, die Umstellung auf Ausschreibungen generell zu verhindern. Nichts anderes beinhaltet Ihre Forderung: Windenergie- und insbesondere Photovoltaikfreiflächenanlagen bis 18 MW von Ausschreibungen zu befreien. Sie wollen Anreize schaffen für Umgehungskonstruktionen, um unter dem Deckmantel der Bürgerenergie der Ausschreibungspflicht zu entgehen.

Meine Damen und Herren von den Piraten, nehmen Sie die energiewirtschaftliche Realität des Jahres 2016 endlich zur Kenntnis!

(Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Rede bitte nicht von der Realität! Das ist albern!)

Wir sind nicht mehr im Jahr 2000, als die Erneuerbaren noch ein kleiner Nischenmarkt waren, die die Anschubfinanzierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes mit garantierten Vergütungssätzen brauchten. Inzwischen hat das EEG sein Ziel, die Markteinführung erneuerbarer Energien, längst erreicht. Es ist allerhöchste Zeit, die Erneuerbaren in den Wettbewerb zu entlassen.

(Beifall von der FDP)

Für uns Freie Demokraten ist klar: Wir wollen die Vielfalt der Akteure bei der Energiewende erhalten. Das bedeutet natürlich auch: Es darf keine Diskriminierung von Bürgerenergieprojekten geben.

Aber man darf auch nicht vergessen: Die Energiewelt wird immer komplexer. Nehmen Sie nur die aktuelle Gesetzgebung auf Bundesebene, das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende oder das Strommarktgesetz. Auf Stromproduzenten kommen immer neue Anforderungen zu. Wer Strom anbieten will, muss sich professionalisieren. Da sollte man sich ganz genau überlegen, ob man Bürgerprojekten mit einer großzügigen Sonderregelung beim Erneuerbare-Energien-Gesetz, dafür aber mit Belastungen an anderer Stelle, insgesamt hilft. Ich denke eher, dass auch bei Bürgerprojekten vermehrt über Kooperationen mit Projektpartnern nachgedacht werden sollte.

Lassen Sie mich kurz noch auf den Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen eingehen. Ihnen geht es hierbei wieder einmal allein um die Erfüllung Ihrer selbstgesteckten Ausbauziele für NRW. Ausschreibungen sind ein Instrument für mehr Wettbewerb, Transparenz und Wirtschaftlichkeit. Das setzt natürlich voraus, dass unbürokratische Vergabevorschriften gelten.

Sie aber wollen dieses Modell von den Grundprinzipien so sehr entkernen, dass die windarmen Regionen in Nordrhein-Westfalen gegenüber den besseren Standorten bevorzugt und höher subventioniert werden können. Dieses Vorgehen tarnen Sie auch noch auf Kosten der Verbraucher, indem Sie behaupten, Sie würden faire Wettbewerbsbedingungen schaffen. Das ist schon abenteuerlich. Hierfür haben wir Freie Demokraten kein Verständnis.

(Beifall von der FDP – Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Da staunt der Fachmann, und der Laie wundert sich!)

Ich komme zum Schluss. Bürgerenergie ist wesentlich mehr als der Zubau von Windkraftanlagen. Die Anträge von den Piraten, aber auch von Rot-Grün greifen hier viel zu kurz.

(Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Wo ist denn euer Antrag?)

Die Vielfalt der Akteure bei der Energiewende zu erhalten, ist ein vielschichtiges Thema und bedeutet wesentlich mehr als EEG-Förderung. So müssen vor allem die Hürden bei der Direktvermarktung des eigenerzeugten Stroms abgebaut und die energetische Gebäudesanierung endlich vorangebracht werden. Über diese wichtigen Aspekte wird im Ausschuss zu beraten sein. Der Überweisung stimmen wir daher gerne zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Terhaag. – Da Herr Kollege Terhaag erst vor einiger Zeit nachgerückt ist, hat es sich hier um seine

erste Rede gehandelt. Herzlichen Glückwunsch dazu!

(Beifall von allen Fraktionen)

Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Remmel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar, dass der Landtag heute über ein so wichtiges Thema wie den Ausbau der erneuerbaren Energien – hier insbesondere die Bürgerenergie – diskutiert; denn in diesem Jahr steht in der Tat die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf der Tagesordnung.

Wir müssen in diesem Jahr auf der Ebene der Bundesregierung die Vorgaben der Europäischen Kommission in den Energiemarktleitlinien erfüllen – das ist der Ansatz –, ansonsten wird es schwierig, ab dem 1. Januar 2017 unter den jetzigen Bedingungen weitere Ausbauschritte zu unternehmen. Deshalb gibt es eine Verpflichtung, ein solches Gesetzgebungsverfahren anzugehen, auch wenn man das vielleicht nicht will. Das ist auch eine Tatsache, die wir berücksichtigen müssen.

Ich merke an dieser Stelle an, dass das keiner anderen Branche in diesem Jahrzehnt so passiert ist wie der Erneuerbare-Energien-Branche.

Zum dritten Mal innerhalb von jetzt sechs Jahren eine Novellierung der gesetzlichen Rahmenbedingungen – das führt zu Verunsicherung und schafft keine Investitionssicherheit da, wo Investitionssicherheit dringend geboten werden müsste. Hier werden Investitionen getätigt, die in der Perspektive nötig sind, um ab 2022/2025 die Korridore einzunehmen, die durch das Abschalten anderer Kraftwerke hinterlassen werden.

Deshalb ist es so dringend notwendig – und vielleicht für manchen schizophren –, jetzt die Investitionen auf den Weg zu bringen und für die Zukunft Sicherheit zu schaffen. Dafür braucht es aber für diejenigen, die Geld in die Hand nehmen – wir wollen gerade, dass die Bürgerinnen und Bürger das tun, weil das mit Akzeptanz verbunden ist –, sichere Rahmenbedingungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Ansprüche der Europäischen Kommission ausgesprochen widersprüchlich sind. Das muss man erwähnen dürfen. Für Deutschland klare Ausschreibungen zu fordern, gleichzeitig aber sogenannte Feed-in-Tarife für neue Atomenergieanlagen in Großbritannien zu genehmigen, die von der Sicherheit und vom Zeitlauf her weit über das hinausgehen, was das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz vorschreibt, ist im Sinne eines

europäischen Wettbewerbs nicht in Ordnung und muss dringend korrigiert werden.

Das Gleiche gilt für Marktzugänge, die wir nicht überall in Europa haben. Schauen wir uns unseren europäischen Nachbarn Frankreich an: Hier gilt ein staatsmonopolitischer Zugang nach wie vor als sehr schwierig. Wir müssen da aber auch europäisch diskutieren, wenn wir gleiche Wettbewerbsbedingungen haben wollen.

Im Übrigen erlaubt die Europäische Kommission – auch das ist eine Crux – durchaus eine Orientierung an einer Größenordnung von 18 MW, um Bürgerprojekte unter eine sogenannte De-minimis-Regel fallen zu lassen. Die Landesregierung hat das im Bundesrat schon längst beantragt. Es gibt eine große Mehrheit im Bundesrat, genau diese Regel anzuwenden. Genauso wäre es wichtig, endlich die Ermächtigung im Erneuerbare-Energien-Gesetz, nämlich die sogenannte Grünstromverordnung auf den Weg zu bringen, um Bürgerenergieprojekte zu befördern. Die Bundesregierung macht davon leider keinen Gebrauch.

Eine dringende Bitte hätte ich an dieser Stelle schon: Die Diskussion im Land ist wichtig. Es ist auch absolut wichtig, die Interessenlage zu formulieren. Noch viel wichtiger aber wäre es, mit den Kolleginnen und Kollegen der großen Koalition in Berlin entsprechende Gespräche zu führen – im Wahlkreis und darüber hinaus –, weil die Hauptwiderstände – Herr Hovenjürgen ist jetzt leider nicht mehr im Saal; ich müsste es ihm vielleicht noch einmal persönlich sagen – gegen bessere Bedingungen in der CDU/CSUBundestagsfraktion liegen. Ich nenne auch die Kollegen, die dort maßgeblich sind: Herr Dr. Fuchs und Herr Bareiß – nicht Herr Dr. Baake – sind die Ansprechpartner, um für einen Korridor zu werben, der die Windenergie in Nordrhein-Westfalen ermöglicht.

Wenn wir uns einig wären – und das sind wir offensichtlich –, dass es keinen Deckel geben darf – 2.500 Megawatt plus Repowering-Anlagen sind uns versprochen und müssen in den gesetzlichen Grundlagen verankert werden –, dann bitte ich Sie, dringend mit den Abgeordneten des Bundestages zu reden, damit hier auch Unterstützung für nordrhein-westfälische Interessen signalisiert und organisiert werden kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Widersprechen muss ich den Aussagen der FDPFraktion. Nordrhein-Westfalen hat selbstverständlich gute Standorte. Das beweisen alle Untersuchungen, die wir gemacht haben. Wir haben sehr gute Standorte. Darüber hinaus ist es wichtig, diese Standorte auch anzugehen. Das zeigt die Diskussion über den aktuellen Netzentwicklungsplan Richtung 2030. Würden wir da auf einen Ausbau verzichten, wo Strom

gebraucht wird, entstünde automatisch die Diskussion nach neuen Übertragungsleitungen und großen Netzleitungen.

Ihre Redezeit!

Dort wird diskutiert, drei zusätzliche große Übertragungsnetzleitungen auf den Weg zu bringen, wenn wir nicht auch verbrauchsnah den Ausbau voranbringen. Deswegen ist das eine Investition in die Zukunft sowohl bei unseren Bürgerinnen und Bürgern als auch bei der Frage, standortnahe Windenergie und Erneuerbare-Energien-Anlagen auszubauen.

Ich möchte eine letzte Bemerkung machen, wenn es darum geht, auch nordrhein-westfälische Interessen bei der Novelle des EEG zu vertreten. Nicht nur die Frage Wind sollte im Vordergrund stehen, sondern auch die Möglichkeit, gerade in Nordrhein-Westfalen Mieterstrommodelle auf den Weg zu bringen und da mehr zu ermöglichen. Hier müssen Barrieren abgebaut werden. Es muss möglich sein, gerade auch im Mietwohnungsbau, den direkten Bezug von Strom für die Mieterinnen und Mieter herzustellen und die sogenannte Sonnensteuer, die für bestimmte Unternehmen nicht gilt, die aber für Mieterinnen und Mieter Barrieren darstellt, abzubauen. Das ist eine soziale Frage, die mit den erneuerbaren Energien und dem Ausbau vor Ort verbunden ist.

Da würde ich mich für Ihre Unterstützung bedanken und mich freuen, wenn wir hier gemeinsam etwas erreichen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. – Der Minister hat seine Redezeit um 1 Minute 46 Sekunden überzogen. Möchten die Fraktionen noch einmal reden? Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/11415 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk – federführend – sowie an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mitberatend. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Selbstverständlich werden die Entschließungsanträge Drucksachen 16/11492 und

16/11503 entsprechend überwiesen. – Möchte jemand gegen die Überweisung stimmen oder sich enthalten? – Nein. Dann haben wir so überwiesen. –

Ich rufe auf:

14 „Räume der Stille“ erhalten und ermöglichen –

Flagge zeigen gegen religiösen Fundamentalismus – Eintreten für unsere freiheitlich-demokratischen Werte