Protocol of the Session on March 2, 2016

(Beifall von den PIRATEN – Eva Voigt-Küp- pers [SPD]: Das machen wir!)

Meine Damen und Herren, damit komme ich zum Schluss. Das reicht allerdings nicht aus. Auch das hat Kollege Wegner vorhin schon gesagt. Die Kindergrundsicherung ist nur ein Teil dessen. Wir müssen alle Menschen in eine Grundsicherung bringen. Das Lösungskonzept oder mehrere Lösungskonzepte dafür stehen. Das ist das bedingungslose Grundeinkommen. – Ich bedanke mich für Ihr Zuhören.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Kampmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Düngel, wenn wir beschreiben, was wir gegen Kinderarmut tun, dann ist das Teil unserer parlamentarischen Demokratie. Während Sie Kinderarmut mit Ihrer digitalen Agenda bekämpfen wollen, von der angeblich nur Sie Ahnung haben, ha

ben wir hier ganz konkret unsere Maßnahmen aufgezeigt. Ich werde das im Weiteren noch konkretisieren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Mi- chele Marsching [PIRATEN]: Die Maßnahmen scheinen ja nicht zu funktionieren!)

Herr Hafke, wissen Sie, was ich nicht mag? Ich mag nicht, wenn man eine Realität beschreit, deren Grundlage man selbst in seiner eigenen Regierungszeit gelegt hat. Denn die Kinderarmut hat in unserer Zeit in ganz Deutschland zugenommen, und damit nicht nur, aber auch in Nordrhein-Westfalen.

(Armin Laschet [CDU]: Das stimmt nicht!)

In Ihrer Regierungszeit, liebe CDU, liebe FDP, war das umgekehrt. Da hat die Kinderarmut in ganz Deutschland abgenommen, während sie in Nordrhein-Westfalen zugenommen hat.

(Armin Laschet [CDU]: Das stimmt nicht! Das ist Quatsch!)

Das ist der entscheidende Unterschied, über den wir heute auch reden wollen, lieber Herr Laschet.

Ich glaube, wir sind uns einig, dass Kinderarmut beschämend ist, dass Kinderarmut uns alle herausfordert und dass wir deshalb unsere Anstrengungen noch verstärken sollten und nicht nachlassen sollten in unserem Engagement für alle Kinder, die nicht in denselben privilegierten Verhältnissen aufwachsen können wie andere – für die Kinder, die zu Hause bleiben müssen, während andere in Urlaub fahren, für die es nicht so selbstverständlich ist, an Dingen teilzuhaben, die Kindheit eben auch ausmachen: Das sind der Kinobesuch, das Freizeitbad, der Besuch im Zoo oder die Klassenfahrt, die plötzlich zur finanziellen Zerreißprobe wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Kinder sind es, die wir in den Mittelpunkt unserer Politik stellen. Ich lasse nicht zu, dass sich auf Bundesebene, wo die familienpolitischen Leistungen angesiedelt sind, eine schwarze Null anstelle einer stärkeren Unterstützung für benachteiligte Kinder durchsetzt.

(Beifall von der SPD)

Deshalb werden wir uns auf Bundesebene auch weiter für die Zielgruppen einsetzen, die besonders armutsgefährdet sind, nämlich für kinderreiche Familien, für Alleinerziehende und für zugewanderte Familien.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in Nordrhein-Westfalen als erste Landesregierung einen Familienbericht zusammen mit den Familien erstellt. Es ist kein Zufall, dass Alleinerziehende dabei einen besonderen Schwerpunkt gebildet haben; denn Alleinerziehende haben es in allen Belangen

schwerer: Sie sind alleine mit der Betreuung der Kinder, sie sind alleine mit der Hausarbeit, und sie sind einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt, weil sie zum Beispiel den Vollzeitjob zugunsten ihrer Kinder einmal aufgegeben haben. In den allermeisten Fällen sind diese Alleinerziehenden Frauen.

Als wäre die Herausforderung nicht schon groß genug, müssen Alleinerziehende häufig auch noch um die Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche kämpfen. Deshalb unterstützen wir als Landesregierung den Verband alleinerziehender Mütter und Väter, wenn es zum Beispiel um die Möglichkeit der Unterstützung durch Beistände geht. Deshalb verbessern wir auch den informationellen Zugang, indem wir beispielsweise ein Internetportal schaffen, das Alleinerziehende mit den Informationen versorgt, die sie benötigen, um ihre Rechte am Ende auch in Anspruch nehmen zu können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, kurzfristig reduzieren können wir Kinderarmut nur – das ist heute oft genug angeklungen –, indem wir die Einkommenssituation der Eltern verbessern. Mir ist es als Familienministerin aber wichtig, die Chancen der Kinder selbst zu verbessern, aus der Armut ihres Elternhauses herauszuwachsen. Ich habe lange genug selbst im Sozialamt gearbeitet, um den Teufelskreis aus vererbter Armut jeden Tag selbst vorgelebt zu bekommen. Um diesen Teufelskreis durch politische Maßnahmen zu durchbrechen, braucht es Mut. Das erforderte einen Paradigmenwechsel.

Herr Laschet, Sie haben eben so abfällig gesagt: Sie machen da jetzt mal ein bisschen Prävention.

(Armin Laschet [CDU]: Nein, das habe ich so nicht gesagt!)

Wir setzen im Gegensatz zu Ihnen nicht auf kurzfristige Konzepte, sondern wir haben uns für einen langfristigen Ansatz entschieden, der eben nicht nur auf Wahlen und Wahlkämpfe abzielt, sondern der die langfristige Reduzierung von Kinderarmut im Blick hat.

(Beifall von der SPD – Lutz Lienenkämper [CDU]: Die Erfolge sieht man ja!)

„Kein Kind zurücklassen!“ ist genau der Weg, auf den Land und Kommunen sich begeben haben, und zwar nicht, um kurzfristige Versprechen einzulösen, sondern um dauerhaft in unsere Kinder zu investieren. Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Wenn ich sehe, dass die Kinderarmut in Deutschland wieder gestiegen ist, dann ist das für mich kein Grund, von diesem Weg abzurücken, sondern dann ist das für mich ein ganz konkreter Grund, auf diesem Weg in Zukunft noch klarer und noch entschiedener voranzuschreiten,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

damit die Kinder, die es heute schwerer haben, die jungen Menschen von morgen sind, die morgen alle Chancen zu einem selbstbestimmten und zu einem erfolgreichen Leben haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe CDU, Angela Merkel, die nicht zu den Politikerinnen und Politikern gehört, die ich jeden Tag zitiere, hat am Sonntag bei Anne Will einen, wie ich finde, sehr klugen Satz gesagt.

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Sie hat nämlich gesagt:

„Man ist nicht Politiker dafür, dass man die Welt beschreibt und sie katastrophal findet.“

Deshalb fordere ich Sie auf: Seien Sie bei diesem Weg an unserer Seite. Es gibt noch viele weitere Maßnahmen, die dazu beitragen, Kinderarmut in Nordrhein-Westfalen zu reduzieren. Das sind der Ausbau der Familienzentren, die bessere Finanzierung von Kitas, gerade in schwierigen Sozialräumen, die Brückenprojekte für Flüchtlingskinder und der Ausbau der U3-Betreuung.

Herr Hafke, ich halte es mit der CDU. Hören Sie mir einfach einmal zu. Wir machen das Richtige. Sie haben eben gesagt, wir hätten schon lange eine KiBizReform angekündigt. Ich habe in diesem Jahr gesagt, dass wir in diesem Jahr Eckpunkte für ein neues Gesetz vorlegen wollen. Dabei werden – entgegen dem, was Sie hier gesagt haben – auch die Randzeiten eine Rolle spielen.

Während Kinder und Familien bei Ihnen im Mittelpunkt Ihrer Sparpolitik standen, stehen sie heute im Mittelpunkt unserer Landespolitik; denn wir wissen: Jede Investition in unsere Kinder ist eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die CDU-Fraktion hat sich der Kollege Tenhumberg noch einmal gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst einmal an Frau Kollegin Hack und Frau Ministerin herzlichen Dank für das Lob für die Familienzentren! Wir wussten damals schon: Das ist eine gute Sache.

(Beifall von der CDU)

Darüber, dass Sie das mittlerweile auch verstanden haben und weiterentwickeln, freuen wir uns sehr.

Aber nun zu dem, was hier gesagt worden ist: Frau Ministerin, wir wären dankbar, wenn Sie uns zu Ihren Zahlen einmal die Quellen geben würden, damit wir

nachvollziehen können, wie Sie zu diesen Erkenntnissen kommen. Es ist uns schleierhaft, wie Sie dazu kommen, die Vergangenheit so zu beschreiben.

Im Übrigen hätte ich gerade von Ihnen als Kinder- und Familienministerin auch ein bisschen mehr erwartet – nämlich, dass Sie uns über die Beschreibung der Situation und die Erläuterung des Istzustandes hinaus etwas dazu erzählt hätten, wie Sie die dramatische Situation – sie ist in bestimmten Regionen teilweise sehr dramatisch – bearbeiten wollen. Wie wollen Sie Kinderarmut denn tatsächlich verhindern oder reduzieren?

Da stehen wir in Nordrhein-Westfalen ja nun einmal besonders schlecht da. Der ehemalige Minister Schneider hat Ihnen 2012 im Sozialbericht klar gesagt, 2010 – das waren die Unterlagen, die er präsentiert hat – sei jeder Siebte von Einkommensarmut betroffen gewesen. Das hat Ihr Kollege Schneider im Sozialbericht gesagt.

Heute sagen uns die Experten und die IT.NRW, mehr als jeder fünfte Bürger sei arm. Das ist eine deutliche Verschlechterung – entgegen dem Trend. Das kann man jetzt zur Kenntnis nehmen, oder man sagt, was man dagegen tun will. Ich habe heute jedoch nichts dazu gehört, wie man das verhindern will.

Meine Damen und Herren, lediglich eine Forderung an den Bund zu stellen, ändert doch nichts an der Tatsache, dass wir Schlusslicht sind. Wir sind Schlusslicht in dieser Republik!

(Beifall von der CDU)

Zu dem Hinweis, der Bund müsse irgendwelche gesetzlichen Maßnahmen ergreifen, sage ich: Das würde an der Situation, dass wir Schlusslicht sind, erst einmal nichts ändern; denn alle anderen würden auch von solchen Maßnahmen profitieren. Wir sind Schlusslicht, und das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Hier müssen Sie ansetzen.

Ich sage Ihnen, was mich so ein bisschen ärgert an Ihren Maßnahmen und Programmen, die Sie hier verkünden: Haben Sie sich schon mal die Frage gestellt, wie wirksam die eigentlich sind? Weshalb stecken Sie immer Geld in irgendwas rein, obwohl die Situation immer noch schlechter wird? Was läuft denn da verkehrt? Sie machen Förderprogramme und verändern dabei die Situation nicht zum Positiven, sondern sehr wahrscheinlich eher zum Schlechteren. Wie erklären Sie sich das? Erklären Sie diesem Hohen Hause doch einmal, wie es angehen kann, dass das Ziel mit Ihren Förderprogrammen nicht erreicht wird. Zielerreichung gleich Null!

(Beifall von der CDU)

Zur Geschichtsfälschung gehört auch dazu, dass im Zusammenhang mit dem Landesjugendplan immer die Rede von 80 Millionen € ist. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Vor 2005 betrug die Istausgabe für den

Kinder- und Jugendförderplan des Landes 68 Millionen €, dann 80 Millionen €, jetzt 100 Millionen €. Das begrüßen wir, wunderbar. Tun Sie aber doch nicht so, als wären Sie vorher so gut gewesen. Sie haben seinerzeit 68 Millionen € bereitgestellt, wir haben dann 80 Millionen € bereitgestellt. Jetzt stellen Sie 100 Millionen € zur Verfügung. Wenn schon die Wahrheit, dann bitte auch vollständig.