Protocol of the Session on March 2, 2016

(Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Witzbold! Lies mal!)

IT.NRW hat eindeutige Aussagen dazu gemacht, wie sich in den Jahren 2005 bis 2010 bzw. 2010 bis 2014 die Kinderarmut entwickelte. Für den Zeitraum 2010 bis 2014 kann man Ihnen nur ein „Ungenügend“ ins Zeugnis schreiben, weil die Anzahl der armutsgefährdeten Kinder um 9 % gestiegen ist. Nirgendwo in Deutschland verlief diese Entwicklung so schlecht wie in Nordrhein-Westfalen.

Meine Damen und Herren, ich kann Sie nur auffordern: Tun Sie etwas. Reden Sie nicht so viel. Machen Sie das Richtige und nicht das Falsche. Hören Sie öfter auf uns. Dann sind Sie auf dem besten Weg, und das ist gut für die Kinder in unserem Land. – Danke.

(Beifall von der CDU – Jochen Ott [SPD]: Peinlich!)

Vielen Dank, Herr Kollege Tenhumberg. – Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Hack jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Verehrte Kollegen der CDU-Fraktion, Ihr Antrag für die heutige Debatte erwähnt auch – darüber ist schon mehrfach gesprochen worden – das Projekt „Kein Kind zurücklassen!“. In Ihrem Antrag nennen Sie es eine Losung, das der Regierung als Begründung zum Schuldenmachen diene.

Wenn ich Herrn Finanzminister Dr. Walter-Borjans in den vergangenen Jahren allerdings recht verstanden habe, dann folgt die Finanzpolitik nun einem Dreiklang aus Investitionen in Bildung und Prävention, Schuldenabbau und Einsparungen. So weit dazu, wie man die Prioritäten setzen kann.

Verwechseln Sie also bitte nicht – das ist meine herzliche Bitte – ein Projekt der Landesregierung mit den weiteren zahlreichen Maßnahmen, die wir seit 2010 und danach seit 2012 begonnen bzw. durchgeführt haben, um Kinderarmut zu verringern. Die Debatte bis hierher hat natürlich gezeigt, dass Sie diese Maßnahmen als nicht zielführend für diesen Zweck erachten. Aber mehr, als es immer wieder zu betonen und noch einmal aufzuzählen, können wir nicht.

Verwechseln Sie nicht – das ist meine nächste herzliche Bitte – Investitionen in gedeihliches Aufwachsen von Kindern mit Schuldenmachen. Ich will an die nun, meine ich, zehn Jahre zurückliegende Debatte erinnern, als Ihre Regierung aus CDU und FDP die versprochene Anhebung des Kinder- und Jugendförderplanes nicht durchführte und einen Proteststurm im Lande auslöste.

(Christian Lindner [FDP]: Nachdem Sie das vorher zusammengestrichen hatten!)

Seinerzeit waren der Schuldenabbau und das Sparen Ihr vermeintliches Argument. Damals wie heute gilt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Kinder, über die wir hier reden, wachsen jetzt auf und brauchen jetzt Förderung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, allen Maßnahmen und auch dem Projekt „Kein Kind zurücklassen!“

ist gemeinsam, dass kurzfristige Erfolge damit nicht zu erzielen sind. Das haben wir auch nicht erwartet. Prävention wirkt langfristig. Einige Redner haben das auch schon angemerkt. Strukturelle Veränderungen entstehen nicht, indem wir einen Schalter bedienen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kinderschutzbund, der Paritätische und der DGB, auf deren Veröffentlichung Sie sich beziehen, haben sich immer wieder positiv zur vorsorgenden Sozialpolitik in Nordrhein-Westfalen geäußert und uns natürlich – das ist die Aufgabe dieser Verbände – aufgefordert, die Problematik noch stärker anzugehen.

Es wurde kritisiert, dass mein Kollege Michael Scheffler in seiner Rede nichts zur Kinderarmut gesagt habe. Klar ist aber doch: Er hat sich dazu geäußert, wie Kinderarmut entsteht – nämlich dann, wenn die Eltern arm sind.

(Zuruf von der FDP: Das wissen wir!)

Ja, das wissen wir. Trotzdem muss man das einmal ableiten – und auch sagen, dass das von Ihnen möglicherweise als indirekte Arbeit aufgefasst wird. Aber die Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt und in sonstigen Bereichen, von denen Erwachsene – Mütter, Väter und Alleinerziehende – betroffen sind, gehören zur Wahrheit dazu. Die Maßnahmen sind geschildert worden. Ich will nur noch einmal den Mindestlohn erwähnen.

Aber Sie haben völlig recht, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Kinderarmut äußert sich nicht nur durch den Mangel an materiellen Gütern, sondern vor allem in Form von Teilhabearmut. Wir sprechen in diesem Hause nicht zum ersten Mal über das gemeinsame Mittagessen in Kita und Schule, über Ausflüge und Klassenfahrten, über die Mitgliedschaft in Sportvereinen oder anderen Vereinen und über den Besuch von Musikschulen und anderen kulturellen Einrichtungen. Der Schwimmbadbesuch, das Schlittschuhlaufen im Stadion und ein Zoobesuch sind nicht möglich. Das ist Kinderarmut. Daran fehlt es Kindern, die in Familien mit der Bezeichnung „arm“ aufwachsen, ganz besonders.

Diese Teilhabearmut bedingt Bildungsarmut. Beides – dazu ist schon einiges gesagt worden – bekämpfen wir in unserem Land seit Jahren mit erheblichen Investitionen vor allem in diese Infrastruktur, die Teilhabe möglich macht und für Kinder und Jugendliche in allen Lebensphasen Beziehungsangebote, Räume und Zeitressourcen ergänzend zum Leben in ihren Familien bereitstellt.

Beginnend mit den Frühen Hilfen, mit denen auch in Nordrhein-Westfalen ein immer dichteres Unterstützungsangebot für Schwangere und junge Eltern aufgebaut wird, setzt sich diese Teilhabe ermöglichende Infrastruktur in den Kindertageseinrichtungen und Familienzentren fort. Auch wenn das nicht auf Ihren

Zuspruch trifft: Es ist erwiesen, dass Kitas und Familienzentren mithelfen, Kinderarmut zu beseitigen.

(Armin Laschet [CDU]: Natürlich! Deshalb ha- ben wir sie erfunden!)

Wunderbar. Das ist wunderbar.

(Zuruf von der CDU)

Wir sind dieser Erkenntnis nicht nur durch die Verdopplung der Mittel für die frühe Bildung seit 2010 gerecht geworden, lieber Herr Laschet, sondern auch – es ist schon mehrfach erwähnt worden – durch die plusKITAs, mit denen Ungleiches endlich auch ungleich behandelt wird.

(Beifall von der SPD)

Diese Maßnahme wirkt. Wir wissen das. Sie erleichtert die Arbeit in den Einrichtungen mit vielen benachteiligten Kindern wirklich spürbar. Sie haben diese Entscheidung ebenso kritisiert und ihr nicht zugestimmt wie – auch das ist jetzt mehrfach angesprochen worden – einer weiteren wichtigen Investition in die frühe Bildung, nämlich der Beitragsfreiheit vor der Einschulung. Sie stellen das regelmäßig im Haushalt zur Disposition.

(Armin Laschet [CDU]: Weil es falsch ist!)

Das passt aus unserer Wahrnehmung überhaupt nicht dazu, wenn wir sagen: Wir wollen da mehr Teilhabe ermöglichen. – Auch wenn wir es hier gebetsmühlenartig wiederholen, werden wir Sie nicht davon überzeugen. Von dieser Beitragsfreistellung profitieren eben nicht nur die Reichen, die ihr Kind mit dem SUV in die Kita fahren.

(Armin Laschet [CDU]: Auch!)

Lesen Sie es bitte nach. Das DJI hat es erhoben. Es sind gerade die Eltern mit kleinen und mittleren Einkommen;

(Beifall von der SPD)

denn für sie machen 150 €, 200 € oder 250 € pro Monat im Portemonnaie etwas aus. Davon kann man nämlich dreimal einkaufen gehen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Armin Laschet [CDU]: Mittlere Einkommen, aber nicht Arme!)

Ein weiterer wichtiger Schritt ist auch schon erwähnt worden, und zwar die Entscheidung unserer Landesregierung und unserer Fraktionen zur Schulsozialarbeit.

Der Härtefallfonds „Alle Kinder essen mit“ ist ebenfalls bereits erwähnt worden.

Außerdem ist das Investment in benachteiligte Quartiere zu nennen. Zwar bekommen – das ist richtig – auch hier die Kinder nicht das ausgezahlt, was wir investieren. Aber wir verbessern den Wohnraum, das

Wohnumfeld, die Freiflächen und die Spielplätze. All das dient Kindern dazu, Teilhabe zu erfahren. Diese Projekte erfolgen ganz oft auch unter Beteiligung dieser Nutzerinnen und Nutzer im Kindesalter.

(Beifall von der SPD)

Verehrte Frau Kollegin …

Ja, ich weiß. Ich komme zum Schluss. – Lassen Sie mich nur noch einmal Folgendes betonen: Richtig angesprochen worden ist, dass wir auf Bundesebene die Hinweise haben, die Kindergrundsicherung einzuführen und den Kinderfreibetrag und das Kindergeld zu einem positiveren Einkommen für die Eltern zu machen. Für die Umsetzung dieser Vorschläge kann ich mit Ihnen gemeinsam gerne werben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Hafke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Schmeltzer, wissen Sie, was ich nicht mag? Ich mag es nicht, wenn man Verantwortung übernommen hat und dann anfängt, die Realität zu leugnen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie regieren seit sechs Jahren in diesem Land, zeigen mit dem Finger auf eine Regierung, die seit sechs Jahren nicht mehr im Amt ist, und haben in Nordrhein-Westfalen null Erfolge vorzuweisen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die Zahlen haben sich doch nicht die CDU oder die FDP ausgedacht. Das sind doch eher Organisationen, die Ihnen näherstehen. Diese attestieren Ihnen, dass Sie bei dem Projekt „Kein Kind zurücklassen!“ mit dem Ziel, die Kinderarmut in NRW zu senken, gescheitert sind. Das ist doch die Analyse, die wir heute hier mitnehmen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie haben selber gesagt, dass die Zahlen eindeutig zu hoch sind. Wenn ich das analysiere und nach sechs Jahren Regierung zurückschaue, muss ich doch feststellen, dass keine einzige Ihrer Maßnahmen irgendetwas gebracht hat. Im Gegenteil! Die Situation in diesem Land ist doch noch schlimmer geworden. Wir haben den höchsten Unterrichtsausfall überhaupt. Was macht diese Landesregierung dagegen?