Protocol of the Session on March 2, 2016

Darüber hinaus wird erreicht, dass wir uns finanziell enorm verbessern und weit mehr von der Finanzkraft dieses Landes im eigenen Land halten können, als das nach dem bisherigen System der Fall ist, nämlich runde 1,5 Milliarden €. Das ist ein gutes Ergebnis für Nordrhein-Westfalen.

Ich gestehe Ihnen gerne zu: Mehr wäre immer besser. Und wenn ich Ihre unglaublich interessante Simulation einmal nachrechne, wonach der Bund insgesamt 5 Milliarden € mehr ins System einspeisen würde und wir nach dem alten Abrechnungsverfahren weiter abrechnen dürften, dann wäre das Ergebnis wunderschön. Nur wird man mit Sicherheit kein derartiges übereinstimmendes Bund-Länder-Ergebnis hinbekommen. Hierfür muss man wieder verstehen, dass, wenn man miteinander am Tisch sitzt, man auch einen Kompromiss finden muss.

(Beifall von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])

Das vorliegende Ergebnis ist ein Kompromiss, und es ist ein guter Kompromiss. Sie haben jetzt das Problem – da muss sich auch die CDU anhängen, obwohl Herr Laschet hier selbst gesagt hat, dass es ein gutes Ergebnis sei –, dass man diesen Kompromiss nun zerreden muss. Es kann ja nicht sein, dass diese Landesregierung in den Verhandlungen der Länder untereinander zu einem guten Ergebnis gekommen ist.

In einem solchen Fall macht man eben eine Simulation. Dann beauftragt man ein Institut, welches gerade vorher gesagt hat, wie wichtig es sei, dass der Umsatzsteuerausgleich, der Vorwegausgleich abgeschafft werde.

Dann zitiere ich mal etwas:

Dass oft der alte Grundsatz: „Wer bestellt, bezahlt“, in seiner Ausprägung: „Wer bestellt, bekommt auch das gewünschte Gutachterergebnis“, zur Geltung

kommt, erscheint im Rahmen von Lobbygruppen und Einzelunternehmen nicht weiter verwunderlich. Für eine objektive gutachterliche Beratung der Politik müssen andere Grundsätze gelten.

Das ist eines der langen Vorworte von Herrn Witzel zu einer Anfrage über Gutachten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Witzel, da müsste man tatsächlich einmal mit dem Institut der Deutschen Wirtschaft reden. Denn das, was die vorher an Gutachten herausgegeben haben, die nicht bestellt worden sind, hat ganz anders geklungen. Es tut mir leid, wenn sich ein Gutachterinstitut für so etwas hergibt. Die haben exakt das gemacht, was Sie hier in Ihren immer sehr ausführlichen, manchmal etwas ausufernden Einleitungen zu Anfragen oder Anträgen beschreiben.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Wieso manchmal?)

Herr Optendrenk, wenn Sie davon reden, dass immer die anderen aufgefordert werden, zu zahlen, dann muss man sich nur einmal vor Augen halten: Wer sind eigentlich die anderen? Wenn Menschen aufgrund eines internationalen Konflikts nach Deutschland kommen und in Länder und Kommunen verteilt werden, dann sind „die anderen“, denen man hier die Kosten aufdrückt, wir, und der, der sie aufdrückt, ist der Bund und nicht umgekehrt. Es kann da nicht sein, dass sich jemand hinstellt, Reden hält, Einzelinterviews in Talkshows bekommt und dann darstellt, was man alles machen kann – im Übrigen mit vielen guten, richtigen Ansätzen –, dabei aber unausgesprochen die Rechnung „den anderen“ präsentiert. Das geht nicht, denn „die anderen“, das sind wir.

Und wenn wir uns darauf verständigen, dass es jetzt nicht darum geht, dass wir ab 2020 ein neues System erhalten, dann sollten wir bis dahin den Mund halten angesichts dessen, was bis dahin an finanziellen Belastungen auf uns zukommt. Da müssen wir auch hier den Konsens der Demokraten finden.

Noch einmal: Ich unterstütze an vielen Punkten Aussagen der Kanzlerin zur Flüchtlingspolitik. Aber das Unausgesprochene – wer letztlich die Rechnung zahlt; das drücken wir mal anderen auf; darüber reden wir nicht; wenn die sich räuspern, wollen die es auf andere abschieben –, das teile ich nicht. Das gehe ich auch nicht mit.

(Beifall von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])

Ansonsten ist das eine Simulation. Da gilt nicht der Spruch von Helmut Schmidt, was die Visionen angeht; aber über das, was Simulanten betrifft, sollte man tatsächlich mal nachdenken. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Bitte bleiben Sie noch einen Moment vorne; denn Herr Kollege Witzel hat eine Kurzintervention angemeldet. Wenn er sich jetzt eindrückt, bekommt er für 90 Sekunden das Wort. Bitte, Herr Kollege!

Herr Finanzminister Dr. WalterBorjans, Sie können es diesem Landtag gerne darlegen, wenn Sie andere Erkenntnisse zu Simulationsrechnungen haben. Bislang haben Sie uns auf schriftliche Anfragen hin mitgeteilt, dass Sie solche Ergebnisse nicht haben. Daraufhin haben wir Wissenschaftler beauftragt, diese Simulationen zum Systemvergleich zwischen altem und neuem System durchzuführen.

Damit das nicht falsch verstanden wird: Wir halten hier ausdrücklich kein Plädoyer für die Beibehaltung des alten Systems, da es die strukturellen Probleme und all die Fehlanreize, die wir heute alle noch einmal dargestellt haben, natürlich genauso enthält wie das, was Sie neu abgeschlossen haben.

Wenn es aber um die rein pekuniäre Frage geht, ob das ein guter Abschluss für NRW sei, drängt sich doch naturgemäß eine Frage auf. Sie sagen: Wir erhalten 1,5 Milliarden € mehr. Wenn oben in den Wasserfall des Bundes 10 Milliarden € hineingeschüttet werden, kommen in NRW 1,5 Milliarden € mehr an. – Dann ist es doch mehr als legitim, zu fragen: Wie viel wäre das denn gewesen, wenn sich die systemischen Dinge nicht geändert hätten, sondern da das alte System gelten würde?

Sie haben das zum Politikschwerpunkt dieser Landesregierung gemacht: Länderinteressen bei der Reform des Länderfinanzausgleichs. Sie wollten södern, Sie wollten seehofern, Sie haben sich mit den ostdeutschen Ländern auseinandergesetzt. Sie haben gesagt: Ihr habt mittlerweile an vielen Stellen eine bessere, modernere Infrastruktur. Jetzt gibt es mal Bedarf für den Westen, damit auch hier investiert wird. Das waren Ihre Ankündigungen.

Und wenn wir dann, nachdem Sie all das vorgetragen haben, nachdem Sie in Haushaltsdebatten deutlich gemacht haben, NRW hätte ja auch so viele Lasten aus dem Strukturwandel zu tragen, schließlich fragen: „Was wäre denn der Vergleich gewesen? Was wäre denn bei 10 Milliarden € mehr beim Bund im Land herausgekommen?“, dann müssen Sie sich dieser Debatte stellen. – Was sagen Sie dazu?

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Was wäre gewesen, wenn Sie mittwochs im Lotto ge- wonnen hätten?)

Herr Witzel, wir müssen der Reihe nach vorgehen: Ich er

innere mich zunächst daran, dass in der aufkommenden Debatte über die Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen Ihre Position die Folgende war: Wir sollten überhaupt nichts fordern. Denn alles das, was in diesem Land zu tun wäre, müsste man aus den eigenen Mitteln bewerkstelligen können, und das wäre ja wieder nur das Zeigen auf andere und ein Ausweg, den wir suchen, indem wir eine gerechtere Verteilung der Bund-Länder-Finanzausstattungen anstreben. Das war Ihr erster Punkt.

(Beifall von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])

Jetzt machen wir etwas, und dann kommen Sie auf einmal von der anderen Seite und sagen: „Moment mal, wieso hast du eigentlich nicht viel mehr herausgeholt?“, und geben dann einem durchaus renommierten Institut eine Vorgabe, nämlich: Tut mal so, als wenn der Bund das zahlt, was die Länder jetzt erwarten, das System sich dabei aber nicht ändert. – Das ist eine Rechenaufgabe, die hätte auch ich Ihnen ausrechnen können; dann wäre nämlich herausgekommen, dass mehr kommt.

Was ist denn das für eine Herangehensweise? Die Herangehensweise war doch eine andere, und zwar, dass wir gegenwärtig rund 2,5 Milliarden € über den Umsatzsteuervorwegausgleich abgeben, 1 Milliarde € zurückbekommen und damit zum Nehmerland geworden sind. Hier erfolgt eine Verbesserung um 1,5 Milliarden €.

Ich gestehe es zu: Wenn ich alleine noch eine Menge ändern dürfte, dann würde es vor allem das betreffen, was der Bund in dieses System zahlen soll. Das dient ganz überwiegend dazu, das, was wir nicht mehr leisten – weil der Umsatzsteuervorwegausgleich, warum auch immer, eine Ergänzungszuweisung unter anderem des Landes Nordrhein-Westfalen für andere, insbesondere ostdeutsche Länder war –, zu kompensieren. Es geht darum, dass der Ausfall dieser Zahlungen vom Bund nicht nur übernommen, sondern ein ganzes Stück überkompensiert wird.

Darüber kann man streiten. Es gefällt mir auch nicht, weil es wieder ein Stück weit bessere Voraussetzungen für die ostdeutschen Länder schafft. Aber eines ist klar: Das Ergebnis für Nordrhein-Westfalen ist ein hervorragendes. Der Punkt ist, dass es besser wäre, wenn man andere Länder nicht dadurch wieder ein Stückchen ruhigstellen müsste, dass man ihnen enorm viel gibt, und dass das auch wieder ein Stück überkompensiert wird.

Das war Teil dieses Kompromisses. Der hat dann auch unsere Zustimmung gefunden, weil ein anderer Kompromiss nicht zustande gekommen wäre. Es ist aber ein Kompromiss, der nicht zulasten des Landes Nordrhein-Westfalen geht, sondern dabei kann und muss man darüber reden, wie der Bund und wie die ostdeutschen Länder dastehen. Darüber kann man dann diskutieren.

Der Bund gibt in etwa das, was Herr Schäuble in sämtlichen seiner eigenen Modelle zugrunde gelegt hat, hochgerechnet auf das Jahr 2019. Deswegen bin ich auch sehr zuversichtlich, dass wir mit dem Bundesfinanzminister in dieser Frage näher beieinander liegen, als das im Augenblick in der öffentlichen Darstellung aussehen mag.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. Soweit die Kurzintervention und die Antwort der Landesregierung. Meine Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 16/11220 an den Haushalts- und Finanzausschuss. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen.

Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? Gibt es Gegenstimmungen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

5 Beihilfeberechtigte entlasten und die Beihilfe

abrechnung erleichtern

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/11231

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die antragstellende SPD-Fraktion Frau Kollegin Lux das Wort. Bitte, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Thema „Beihilfe im Krankheitsfall für Beschäftigte und Pensionäre des öffentlichen Dienstes“ hat wie alle Medaillen zwei Seiten. In der öffentlichen Wahrnehmung gilt deren Versorgung im Krankheitsfall als durchaus gut und bei so manchem Leistungserbringer sogar als interessantes Feld.

Aber für immer mehr Beschäftigte und Pensionäre des öffentlichen Dienstes wird das Antrags-, Prüf- und Abrechnungssystem zum oft größeren Problem neben einer Erkrankung. Ich möchte dieses technisch wirkende Problem anhand eines der Fälle, die ich miterleben musste, einmal mit etwas Leben füllen.

Ein Beamter, engagierter Lehrer, verheiratet, zwei Kinder, fällt nach einem Schlaganfall ins Wachkoma. Die Ehefrau ist nicht in der Lage, ihn zu Hause zu

pflegen, und er muss in eine Pflegeeinrichtung. Neben der Angst und Sorge um ihren Mann wird die Ehefrau jetzt praktisch überschwemmt mit Rechnungen von Ärzten, Kliniken, Pflegeeinrichtung, Heil- und Hilfsmittelversorgern. Sie hat diese nun zu prüfen, zu sortieren, zu kopieren und bei Beihilfestelle sowie Krankenkasse einzureichen. Sie muss dann weiterhin Bescheide und Zahlungseingänge prüfen, sich mit Widersprüchen herumschlagen und natürlich auch Zahlungen an die diversen Leistungserbringer vornehmen.

Die Zahlungseingänge von Beihilfestelle und Krankenkasse dauern schon einmal, die Mahnungen der Leistungserbringer kommen pünktlich. Die Ehefrau versorgt nicht nur ihren Mann in der Pflegeeinrichtung, sondern sie kümmert sich irgendwie nebenher auch noch um die Kinder, versucht, die Rechnungen einigermaßen pünktlich zu zahlen und kommt dabei mehrfach nicht nur an ihre finanziellen Grenzen, sondern ist mittlerweile auch selbst gesundheitlich angeschlagen.

Viele von uns wissen, dass so etwas kein bedauerlicher und tragischer Einzelfall ist. Die Zahl der Fälle nimmt zu; denn die demografische Entwicklung verschont auch nicht den öffentlichen Dienst. Nicht jeder bleibt im Alter geistig und körperlich so fit, um im Krankheitsfall dieses Verfahren für sich oder Angehörige locker zu bewältigen.

In den letzten Jahren haben wir bei der Beihilfebearbeitung nicht zuletzt aufgrund gestiegener Antragszahlen – rund 50.000 pro Jahr – bereits Maßnahmen zur Weiterentwicklung, Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren ergriffen. Vor dem Hintergrund weiter steigender Bearbeitungszahlen sehen wir jedoch eine generelle Überprüfung des bisherigen Verfahrens als notwendig und geboten an und erwarten nach entsprechender Diskussion in den beteiligten Ausschüssen Optionen, wie das Verfahren sowohl für die Betroffenen als auch für die Beihilfestellen zukunftsgerichtet aufgestellt werden kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Zustimmung zur Überweisung unseres Antrags und danke für Ihre Aufmerksamkeit.