Protocol of the Session on January 14, 2016

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Es wäre nett, wenn Sie sich daran gelegentlich erinnern würden.

Aufgrund Ihrer Maßnahmen zwischen 2005 und 2010 wäre eine aufwachsende Lücke von 2.700 Polizeibeamten entstanden, die später bei der Bekämpfung der Kriminalität in diesem Land gefehlt hätten. Wir, Grüne und SPD, haben diese dramatische Fehlentwicklung korrigiert und die Einstellungszahlen für neue Polizeianwärter von 1.100 – so viele waren es bei Ihnen im Jahr 2010 – auf 1.400 in 2011 gesteigert. Und damit nicht genug: Wir haben die Zahl in den letzten Jahren weiter angehoben; inzwischen sind es 1.920 Polizeianwärter, die wir in diesem Jahr einstellen werden. Das ist doch ein wichtiger Faktor, dass wir hier aufbauen und nicht, wie andere, abbauen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Mein Appell an die Opposition ist gerade zu diesem Punkt: Dass die Opposition Finger in Wunden legen muss, ist richtig. Aber man muss aufpassen, dass man, wenn man im Glashaus sitzt, nicht mit Steinen wirft.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Ja, das ist so.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich sage auch hier deutlich: In Nordrhein-Westfalen verschweigt die Polizei nicht die Herkunft von Straftätern. Sie verhält sich so wie alle anderen Polizeien in Deutschland. Es gibt in Nordrhein-Westfalen keine Anweisung, dass Nationalitäten in internen oder externen Polizeiberichten nicht genannt werden dürfen.

In den Medien und den sozialen Netzwerken ist die Rede von einem Erlass aus dem Jahr 2008. Ich muss an dieser Stelle den damaligen Innenminister, Herrn Dr. Wolf, in Schutz nehmen; denn bei diesem Erlass – das erkennt man schon an der Überschrift – geht es um nationale Minderheiten. Wenn man bei Wikipedia nachschaut, was „nationale Minderheiten“ sind, dann stellt man fest, dass dies in

Deutschland beispielsweise die Sorben, die dänische Minderheit und Roma und Sinti sind. Es gibt gute Gründe dafür, dass wir bei Straftätern beispielsweise nicht sagen, dass es sich um Roma handelt, sondern dass wir benennen, dass es sich um Bulgaren, Rumänen oder sonst eine Nationalität handelt. Auch dazu stehen wir.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir werden die Videobeobachtungen an Kriminalitätsschwerpunkten in Ballungsräumen verstärken, zum Beispiel auf den Kölner Ringen, um Straftäter abzuschrecken oder Straftaten besser nachweisen zu können. Der Innenminister wird in den Großstädten zu Sicherheitskonferenzen einladen, an denen Kommunen, Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden beteiligt werden. Ziel ist es, Lösungen zu Kriminalitätsschwerpunkten zu entwickeln.

Meine Damen und Herren, das sind erste Maßnahmen, die ich Ihnen heute hier vorstellen möchte. Wir haben aber noch einiges mehr zu tun. Ich denke an den Fall – dieser ist in den letzten Tagen auch durch die Medien gegangen – des Attentäters von Paris, der zumindest zeitweise in Recklinghausen wohnhaft gewesen ist und sich mit mehreren Identitäten in Europa bewegt hat. Das unterstreicht die Notwendigkeit, dass Bund und Länder geordnete Verfahren schaffen müssen.

Im vorigen Jahr haben wir bei der Erstbetreuung und Unterbringung von Flüchtlingen schon viel erreicht. Die Registrierung erfolgt inzwischen mit der Aufnahme. Aber ich sage hier deutlich: NordrheinWestfalen hat frühzeitig in Berlin darauf hingewiesen, dass es sinnvoll und notwendig ist, von allen, die zu uns kommen, auch frühzeitig Fingerabdrücke zu nehmen. Durch die Nichtexistenz einheitlicher Datenräume ist das bisher nicht geschehen. Die Rechtsänderung ist jedoch auf dem Weg. Wir werden Gott sei Dank ab dem 01.02. eine andere Situation haben, und dann werden wir, wenn die bundesgesetzlichen Voraussetzungen geschaffen sind, erkennungsdienstliche Maßnahmen durchführen.

Die neuen Regelungen eröffnen die Möglichkeit der Datenspeicherung und des Datenzugriffs endlich für alle im Asylverfahren beteiligten Behörden, nicht nur für das BAMF. Es wird ein gemeinsamer Kerndatenbestand geschaffen und allen am Asylverfahren Beteiligten zugänglich gemacht. Alle Stellen werden dann mit sogenannten Fast-ID in der Lage sein, über einen Fingerabdruckvergleich die Identität der jeweiligen Person zu klären, um zum Beispiel Mehrfachantragstellungen zu verhindern. Wir werden diese Möglichkeiten so schnell wie möglich in die Regierungsprozesse unserer Einrichtungen einbauen. Darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist mir heute aber auch wichtig, deutlich darauf hinzuweisen: Einer der wirklich wichtigen Punkte in der Situation, in der wir uns zurzeit befinden, ist und

bleibt die Dauer der Verfahren. Wir haben es mit einer Gruppe von Tätern zu tun, bei der man nach dem momentanen Stand der Ermittlungen davon ausgeht, dass sie aus Marokko und Algerien kommen. Die durchschnittliche Dauer des Asylverfahrens für Angehörige dieser Nationalitäten liegt bei 14,7 Monaten. Darin nicht eingerechnet ist die Zeit davor, die man braucht, bis das Verfahren beginnt. Das ist eindeutig zu lang, insbesondere wenn man bedenkt, dass nur rund 3 % der Asylsuchenden eine Bleibeperspektive haben.

Wir brauchen hier beschleunigte Verfahren. Es kann nicht sein, dass die Menschen mit der klaren Perspektive, nicht bleiben zu können, jahrelang bei uns sind und dass sie dann in die Kriminalität abdriften. Das darf nicht passieren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- rufe von der CDU und der FDP)

Ja, ich sage auch etwas zur Abschiebung. Danke für den Hinweis. – Ich weiche hier keiner Debatte aus. Wir müssen Ordnung schaffen bei Asyl und Zuwanderung, aber auch bei Abschiebung. Die Landesregierung – und Sie wissen hoffentlich genauso gut wie ich, wer für Abschiebung zuständig ist – wird alle Maßnahmen auf Bundesebene unterstützen,

(Gregor Golland [CDU]: Ach so! Jetzt plötz- lich?)

die tatsächlich dazu führen, Straftäter schneller auszuweisen und abzuschieben, wenn dazu die Voraussetzungen gegeben sind; darin sind wir uns einig.

Das Land wird die Kommunen bei Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen noch effektiver unterstützen. Wir werden zentrale Koordinierungsstellen bei den Zentralen Ausländerbehörden einrichten und dort auch das Personal verstärken. Die Koordinierungsstelle wird bisherige Unterstützungsleistungen bei Abschiebungen, wie Flug- und Transportmanagement, bündeln und den Kommunen als zentrale Ansprechpartner für alle Probleme zur Verfügung stehen.

Meine Damen und Herren, wir kennen die Realitäten. Wir wissen, dass es viele gibt, die nicht abgeschoben werden können. Bei vielen Ausreisepflichtigen fehlen die Reisedokumente. Das betrifft insbesondere auch den Bereich Marokko und Algerien. Wir haben dann nämlich das Problem, dass diese Länder diese Menschen nicht zurücknehmen, weil sie Passersatzpapiere nicht akzeptieren.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Die nehmen auch nur 10 % zurück!)

Hier ist der Bund gefordert. Er ist auf dem Weg, auf die Beseitigung dieser Abschiebehemmnisse hinzuwirken, und das ist dringend erforderlich. Wir als Nordrhein-Westfalen werden uns an der geplanten Organisationseinheit für die Beschaffung von Pass

ersatzpapieren selbstverständlich beteiligen. Das ist ein wichtiger Punkt, den wir hier in Deutschland miteinander regeln müssen.

(Beifall von der SPD)

Und noch ein Punkt im Bereich Justiz: Es ist gut, dass die Bundesregierung das Sexualstrafrecht nun endlich verschärft und die CDU ihren jahrelangen Widerstand aufgibt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn das Gesetz in Kraft tritt, wird damit zu rechnen sein, dass mehr Frauen den Mut finden, sexuelle Übergriffe auch anzuzeigen. Darauf werden wir Polizei und Justiz entsprechend vorbereiten, und wir werden dafür sorgen, dass das auch in organisatorischer Hinsicht abgefedert sein wird.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Doch schon?)

Ganz unabhängig von den aktuellen Ereignissen in Köln müssen wir uns klarmachen, dass sexuelle Gewalt auch in unserer Gesellschaft nach wie vor ein Problem ist. Nur findet sie typischerweise im sozialen Nahraum der Familie oder im Bekanntenkreis statt. Noch immer erleben Opfer, dass ihnen nicht geglaubt wird, oder es werden Taten bagatellisiert. Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt haben, tun sich oft schwer mit einer Anzeige, weil sie befürchten müssen, dass ein Strafverfahren zu belastend wird, weil ihnen die Verantwortung oder gar Schuld für das Geschehen zugeschrieben wird.

Deshalb haben wir hier in Nordrhein-Westfalen gut ausgebaute Schutz- und Hilfsangebote für Opfer sexualisierter Gewalt. Es gibt Schulungen bei der Polizei und Sonderdezernate bei den Staatsanwaltschaften. Wir werden die weiteren Maßnahmen zur Prävention gegen alle Formen von sexualisierter Gewalt weiter ausbauen. Auch diese Zusage gilt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, kein Zweifel: Die Silvesternacht in Köln wirft einen großen und dunklen Schatten. Viele Menschen sind verunsichert. Wir stehen vor der großen und wichtigen Aufgabe, das Sicherheitsgefühl wieder herzustellen.

Wir dürfen aber die andere, womöglich größere Aufgabe nicht vernachlässigen. Ich spreche von der Aufgabe der Integration. Im Gegenteil: Wir müssen unsere Anstrengungen verstärken und darüber auch mit dem Bund weiter im Gespräch bleiben. Wir dürfen nicht aus dem Blick verlieren, was Landkreise und Kommunen für Flüchtlinge tun. Wir dürfen auch nicht aus dem Blick verlieren, was Hunderttausende Bürgerinnen und Bürger von Mensch zu Mensch für sie tun. Das darf nicht verloren gehen. Die Willkommenskultur ist und bleibt stark in diesem Land. Das freut mich, und das ist gut für unser Land.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es gibt auch keinen Grund, die Chancen der Integration infrage zu stellen. Niemand hat gesagt, dass es einfach wird – wegen kultureller Hintergründe, Traumatisierungen und vielem anderen. Aber immer haben wir gesagt, dass Zuwanderung Chancen bietet, wenn wir frühzeitig das Richtige tun. Bildung, Wertevermittlung, Arbeit, Wohnen, Nachbarschaften – all diese Themen haben wir mehrfach miteinander diskutiert, und es ist richtig und gut, dass wir hier frühzeitig mit den richtigen Maßnahmen unterwegs sind.

(Zurufe von der CDU)

Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine einzigartige Infrastruktur aufgebaut. Ich spreche von den Kommunalen Integrationszentren. Diese gibt es inzwischen flächendeckend, und sie wurden gerade erst personell weiter gestärkt, um neben den vorhandenen Aufgaben für die Koordination der Integrationsleistungen in den Kreisen und kreisfreien Städten auch Verantwortung für das Thema „Vermittlung von Werten und Regeln“ zu übernehmen. Dafür haben wir auch bereits die entsprechenden Materialien entwickelt; Stichwort: „KOMM-AN“-Paket.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, wir sind uns darüber einig, dass Sprache der Schlüssel für Integration ist. Deshalb möchte ich hier heute noch einmal festhalten: Als erstes und bisher einziges Bundesland investiert Nordrhein-Westfalen erhebliche Mittel, um zunächst 3.600 Plätze in Basissprachkursen zusätzlich zu den Angeboten des Bundes zu schaffen.

Uns ist wichtig, dass das frühzeitig erfolgt. Bei denen, die eine gute Bleibeperspektive haben, wollen wir nicht Monate warten, bis über den Asylantrag entschieden ist. Ich bin sehr davon überzeugt, dass das die richtige Maßnahme ist, um Integration gut anzulegen. Und wenn die Mittel nicht reichen, werden wir sie weiter aufstocken. Auch diese Zusage gilt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Verhalten der Täter in der Silvesternacht war ekelhaft. Es war brutal. Es war herabwürdigend, und es war im Kern ohne jede Spur von Respekt. Klar ist: Wer bei uns leben möchte, muss sich nicht nur an unsere Gesetze halten, sondern auch unsere Werte achten. Sie müssen wissen, dass die Würde des Menschen unser höchstes Gut ist. Sie ist Kern unseres friedlichen Zusammenlebens, und deshalb ist und bleibt sie unantastbar. Das zu respektieren und zu leben, fordern wir ein, und davon weichen wir keinen Millimeter ab.

Es darf an dieser Stelle nicht darüber hinweggesehen werden. Zunehmende Respektlosigkeit ist mittlerweile zu einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen geworden; sie lässt sich nicht nur auf Män

ner, wie sie in der Silvesternacht gewütet haben, reduzieren.

Wie bereits angekündigt, wird sich die Landesregierung dieses Themas annehmen. Das ist ein Punkt aus dem Koalitionsvertrag, den wir für dieses Jahr auf die Agenda genommen haben, und zwar bereits vor den Vorfällen in Köln.