An eine Bewerbung in ihrem Beruf kann auch die aus Pakistan stammende Ayesha Hamdani nicht denken. Sie ist gelernte Ärztin und bekommt ihren Abschluss in Deutschland noch nicht einmal teilweise anerkannt. Als Begründung wurde ihr gesagt, dass dieser in einem Land der Dritten Welt erworben worden sei. Eine Prüfung wie zum Beispiel in Spanien kann sie in Deutschland nicht ablegen. Ist ihr zumutbar, das ganze Studium zu wiederholen? Können wir uns das bei dem schon jetzt vorhandenen Ärztemangel, auch hier in Nordrhein-Westfalen, überhaupt leisten?
Laut Statistik des Bundesarbeitsministeriums arbeitet jeder zweite in Deutschland beschäftigte Einwanderer mit einem ausländischen Abschluss unterhalb seiner Qualifikation. Nach einer Studie des Instituts für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen hat jeder vierte Arbeitslosengeld-II-Bezieher ausländischer Herkunft in seiner Heimat einen Berufs- oder Hochschulabschluss erworben, der in Deutschland nicht anerkannt wird. Ohne Anerkennung ihres Abschlusses gelten sie als ungelernte Arbeitskräfte. Diesen Umgang mit Fachkräften können wir uns nicht weiter leisten; denn aktuell werden in Deutschland 600.000 Fachkräfte gesucht, Tendenz steigend.
Daher sprechen wir uns für eine leichtere Anerkennung ihrer Ausbildungen aus. Wir sind auf die Fachkräfte aus dem Ausland dringend angewiesen. Deshalb ist es dringend geboten, endlich für eine zeitnahe Anerkennung oder zumindest Teilanerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse zu sorgen.
Die FDP begrüßt ausdrücklich, dass die Bundesregierung dieses Problem angepackt hat. Schon im vergangenen Dezember hat sie ein Eckpunktepapier vorgelegt, das spätestens im nächsten Jahr Gesetz werden soll. Geplant sind etwa der Anspruch auf ein Anerkennungsverfahren, verbesserte Beratung und Qualifizierungsmaßnahmen.
Die Industrie- und Handelskammern planen, eine Zentralstelle für die Anerkennung ausländischer Abschlüsse einzurichten. Dies ist der richtige Weg.
In Nordrhein-Westfalen hat die christlich-liberale Koalition nach ihrer Regierungsübernahme 2005 viele erfolgreiche Maßnahmen ergriffen, um zugewanderten Menschen die Teilnahme am öffentlichen Leben zu erleichtern und ihren beruflichen Aufstieg in der neuen Heimat zu unterstützen.
Die wahrscheinlich wichtigste Maßnahme war der Ausbau der Sprachförderung. Die frühkindliche Sprachförderung vor der Einschulung wurde verbindlich ausgestaltet, und eine Sprachstandsfeststellung für Kinder ab vier Jahren wurde eingeführt. Diese Faktoren wirken in dieser Gesellschaft natürlich erst in Jahrzehnten. Diese Geduld müssen wir aufgrund der Fehler in der Vergangenheit leider aufbringen.
Besonders für Kinder mit Migrationshintergrund ist es wichtig, dass sie so früh wie möglich in eine Kita gehen, damit sie die Sprache und die hiesige Kultur kennenlernen. Je früher die Kinder mit der Sprache konfrontiert werden, desto leichter fällt ihnen das Erlernen. Um dafür noch gezielter Anreize zu schaffen, müssen wir darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoller wäre, nicht das letzte, sondern das erste Kindergartenjahr beitragsfrei zu gestalten,
So könnten wir allen Eltern der Zwei- bis Dreijährigen einen Anreiz geben, ihre Kinder frühzeitig in eine Kindertageseinrichtung zu geben. Eine Wahlmöglichkeit und eine finanzielle Entlastung für alle Familien in diesem Land wären gut für alle Eltern und Kinder. Denn dass Integration gelingt, ist wichtig für uns alle, da es den Zusammenhalt der Gesellschaft sichert. – Danke schön.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Solf, Ihre Einlassungen zu Beginn Ihrer Rede haben leider ein wenig den Blick darauf verstellt, um was es hier eigentlich geht. Ich war ein Stück weit enttäuscht, dass Sie einerseits fordern, das Thema in aller Sachlichkeit zu diskutieren, keine Ängste zu schüren und keine Hysterie zu entfachen, dass aber andererseits der einzige Grund, warum Sie das Thema hier und heute ansprechen, war, nachzuweisen, dass die neue Landesregierung bei dem Thema nicht richtig aufgestellt sei. Das ist schade. Damit haben Sie den Rest Ihres Beitrags doch sehr belastet und abgewertet.
Die Beispiele, die Sie dazu genannt haben, waren meines Erachtens mehr als untauglich. Die Salafisten sind in der Tat ein Fall für den Verfassungsschutz. Vor dem Hintergrund, dass insbesondere deutsche Konvertiten dort ihr Unwesen treiben, bekommt das noch einmal eine ganz andere Facette.
Wir haben vor zwei Tagen bei der Regierungserklärung der Ministerpräsidentin gehört, dass Integration für diese neue Landesregierung ein wichtiges Thema ist. Auch der Fraktionsvorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Herr Römer, hat in seiner gestrigen Rede auf die Bedeutung dieses wichtigen Themas hingewiesen. Ich halte es für wichtig, dass wir uns gemeinsam dieses Themas in aller Sachlichkeit annehmen. Und ich hoffe sehr, dass wir dieses Thema nicht nur dann aufgreifen, wenn es gerade einen entsprechenden Medienhype gibt, sondern es auch dann noch aktuell halten, wenn es in den Medien wieder abgeebbt ist.
Ich werfe Ihnen das persönlich überhaupt nicht vor, völlig klar. Aber der Schlenker vorhin war völlig überflüssig. Das sollten Sie mich an der Stelle sagen lassen.
Sie haben diese Aktuelle Stunde beantragt und die Aktualität des Themas begründet mit einem Artikel im „Spiegel“ vom Montag mit dem Titel „Das Staatsversagen – Warum Deutschland an der Integration scheiterte“. Aktuell ist dieses Thema schon seit 40 Jahren.
Ich hoffe, wir sind uns einig, dass dieses Thema aktuell bleiben muss. Die Autoren – darauf haben Sie hingewiesen – versuchen in diesem Artikel nachzuzeichnen, welche Chancen in den letzten 40 Jahren nicht genutzt wurden. Sie bescheinigen uns Parteien unisono, in der Integrationspolitik versagt zu haben.
Ja, in der Tat waren wir in Deutschland ca. 30 Jahre damit beschäftigt, zu klären, ob die ausländischen Arbeitnehmer und die ihnen nachfolgenden Familien nur unsere Gäste sind oder auf Dauer bei uns bleiben. Tatsächlich – ich bin Herrn Dr. Romberg für diesen Hinweis sehr dankbar – haben wir uns eine Diskussion geleistet, ob wir ein Einwanderungsland sind oder nicht. Erst die positive Beantwortung dieser Frage ermöglichte eine positive, bejahende Integrationspolitik.
Wie Ihr Antrag für diese Aktuelle Stunde belegt, geht Ihnen dieses früher ach so böse Wort inzwischen ganz gut aus dem PC und über die Lippen. Herr Kollege Laschet, Sie haben schon in verschiedenen Interviews eingeräumt, wie schwer es gerade Ihrer Partei gefallen ist, diese Realität wirklich anzunehmen. Diese Ehrlichkeit verdient Anerkennung, verdient meinen Respekt.
Uns Sozialdemokraten ist dies ein wenig leichter gefallen. Wir haben deshalb schon seit Langem die politische Partizipation durch Teilnahme an der Kommunalwahl auch für Nicht-EU-Bürger auf unserer Agenda. Wenn wir Integration der Migranten und Migrantinnen einfordern, müssen wir ihnen
Auch dass Bildung der Schlüssel zur Integration ist, ist überhaupt nicht neu. Ich erinnere an die vielen Maßnahmen, die in der Vergangenheit ergriffen worden sind. Ich nenne zum Beispiel die Einführung muttersprachlichen Unterrichts – ausgehend von der Erkenntnis, dass man Deutsch als Zweitsprache nur schwer erlernen kann, wenn man die Grammatik der Muttersprache nicht beherrscht. Ich denke an die Etablierung der RAAs, die noch heute wichtige und unverzichtbare Arbeit leisten.
Im Übrigen haben wir – das will ich durchaus selbstkritisch sagen – in der Tat nicht erwartet, dass wir jede Generation von Neuem mühselig an die deutsche Sprache heranführen müssen.
Ein zweiter zentraler Begriff war und ist der Integrationsbegriff selbst. Wir brauchen eine Verständigung darüber – das hat die Ministerpräsidentin in ihrer Regierungserklärung deutlich gemacht –, dass Integration nicht Assimilation bedeutet, dass Integration nicht Aufgabe der eigenen kulturellen Identität bedeutet.
Wenn Sie unsere Position immer abwertend mit „multikulti“ im Sinne von „Friede, Freude, Eierkuchen“ zu beschreiben versuchen, dann haben Sie unseren Ansatz bis heute nicht verstanden. Wie der Kollege Mostofizadeh gestern festgestellt hat, bedeutet „multikulti“, dass wir mit Respekt anderen kulturellen Identitäten als der unsrigen begegnen.
Wir erwarten aber auch die Bereitschaft, sich in unsere Mehrheitsgesellschaft zu integrieren. Dazu gehört, die Werte unserer Verfassung zu akzeptieren und sich an und in unserer Gesellschaft in unserer Sprache zu beteiligen.
Hilfreich ist dabei die Sinus-Studie, in der der Zeitraum 2006 bis 2008 untersucht wurde. Lassen Sie mich daraus ein wichtiges Ergebnis zitieren. Dort wird festgestellt:
„Die im Integrationsdiskurs identifizierten Belege für Parallelkulturen, Integrationsdefizite bis hin zu Integrationsverweigerungen gibt es wirklich, aber sie sind nicht typisch für eine (ganze) Ethnie, sondern für Minderheiten, die sich in Milieus am unteren Rande der Gesellschaft finden.“
Wir sind also gut beraten, nicht zu pauschalieren und schon gar nicht Migrantinnen und Migranten generell zum Problem zu erklären. Im Land und auch hier im Parlament haben wir viele gute Beispiele von Menschen, die in unserer Gesellschaft angekommen sind. Wir müssen uns aber um diejenigen kümmern, die es aus eigener Kraft nicht schaffen.
„Denn der Weg der Integration in die Mitte der Gesellschaft ist der Bildungsweg, aber weil dieser Weg auch im Jahr 2010 für die meisten Ausländerkinder nicht weit führt, kommt die Integration ebenfalls nur langsam voran.“
Gestatten Sie mir hier einen Schlenker. Ich finde, wir hätten den Namen Sarrazin hier gar nicht in den Mund nehmen sollen;
denn er bestreitet die Chance, dass es über Bildung eine Möglichkeit des Aufstiegs und der Beteiligung gibt. Er spricht den Migrantinnen und Migranten dies grundsätzlich ab. Daher sollten wir uns hier überhaupt nicht auf diesen Mann beziehen. An dieser Stelle hat er unsere Basis – unser aller Basis, denke ich – verlassen.
Wir brauchen also mehr Geld für Sprachförderung und keine Kürzung der Bundesmittel für Sprachkurse. Wir brauchen Schulstrukturen, in denen individuelle Förderung möglich ist. Wir brauchen Schulen, in denen Kinder individuell gefördert werden. Nur dann, wenn diese Inklusion – nicht nur für Behinderte, sondern auch an dieser Stelle – möglich ist, wird es uns gelingen, positiv den Weg der Integration, den wir alle beschwören, auch wirklich gemeinsam zu beschreiten. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Ünal das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Wochen wurde sehr viel über Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen und eine hitzige Integrationsdebatte in allen Medien entfacht. Einerseits ist es natürlich erfreulich, dass dieses Thema wieder aktiv angegangen wird. Andererseits ist es mehr als bedenklich, in welcher Form diese Debatte sintflutartig in die deutsche Gesellschaft hineingetragen wurde.
Leider wurden die mehr als fragwürdigen Thesen von Herrn Sarrazin durch die gesamte deutsche Medienlandschaft gespült. Es wurde unter anderem muslimischen Einwanderern unterstellt, dass die sozialen und sonstigen Kosten ihrer Einwanderung weitaus höher ausfielen als der daraus fließende wirtschaftliche Erfolg. Diese These ist inhaltlich
Darüber hinaus wird allen türkischstämmigen sowie muslimischen Bürgern in Deutschland eine Integrationsfähigkeit pauschal abgesprochen. Diese Aussage wird sogar durch absurde Vererbungstheorien untermauert. Anstatt konkrete integrationsfördernde Maßnahmen und Lösungsvorschläge zu liefern, erreicht die aktuelle defizitorientierte Diskussion Stammtischniveau und geht völlig am Thema vorbei.