Protocol of the Session on September 17, 2010

Herr Eiskirch, Sie sind nach mir dran und dürfen sich dann austoben.

Ein weiterer Hinweis sei auch gestattet: Wenn Sie § 26 LEPro, wie Sie sagen, in bewährter Fassung wieder einführen wollen, gebe ich zu bedenken: Es geht um den Vorrang heimischer Energieträger bzw. darum, letztlich regenerative Energien einzusetzen. – Von den regenerativen Energien wissen wir, dass wir sie in Grundlaststärke nicht vorrätig haben, sodass dieser Faktor erst einmal in der Begründung ausfällt.

Es bleiben also heimische Energieträger. Das sind Stein- und Braunkohle. Im Koalitionsvertrag wiederum erklären Sie, die Braunkohleförderung reduzieren und neue Tagebaue überflüssig machen zu wollen. Sie wollen also mittelfristig auch aus der Braunkohle heraus. Warum führen Sie dann einen Paragrafen wieder ein, der den Vorrang genau dieses Energieträgers darstellt?

(Beifall von der CDU und von der FDP)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das muss man erklären: dass man einen Paragrafen einführt, der in der Realität einer ernsten Prüfung nicht standhalten kann. Diejenigen, die jetzt hier politische Verantwortung tragen, haben sich den Ausstieg aus beiden heimischen Energieträgern, Stein- und Braunkohle, zum Ziel gesetzt. Gleichzeitig wollen sie aber den Passus wieder einführen, überwiegend diese Energieträger als Bestandteil der Energieerzeugung einzusetzen. Diese geistige Kapriole kann niemand nachvollziehen.

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Des Weiteren ist der Kraftwerkstandort natürlich genehmigt und auf den Weg gebracht worden. Deswegen ist es eine gemeinsame Geschichte, Herr Römer, zwischen der rot-grünen Vorgängerregierung, der damaligen schwarz-gelben Regierung und der heutigen Regierung, bei der Sie in der Verantwortung stehen. Denn die Entwicklung dieses Standortes ist älter als fünf Jahre.

Der Gebietsentwicklungsplan, der den Standort ermöglichte, trägt die Unterschriften von Herrn Horstmann, Frau Höhn und Herrn Vesper. Insofern tragen wir eine gemeinsame Verantwortung – auch

einem Unternehmen gegenüber. In diesem Punkt sehe ich mit der Linken überhaupt keine Übereinstimmung. Fakt bleibt: Die Bürger haben ebenso wie ein Unternehmen einen Anspruch auf Rechtssicherheit und Investitionssicherheit.

Wenn Dinge geschehen, die der Rechtsgeber vorher nicht einschätzen konnte oder falsch eingeschätzt hat, und wenn ein Investor nun darunter leidet, dann muss man unter Wahrung der Interessenlagen, die beispielsweise im Urteil aufgeführt werden, einen Weg suchen, um eine Lösung zu finden. Nichts anderes hat die alte Landesregierung getan,

(Thomas Eiskirch [SPD]: Doch! Der Weg wäre ein ganz anderer gewesen!)

und es wäre gut, wenn die neue Landesregierung diesen Weg beschreiten würde.

Meine Damen und Herren, wenn man dann sagt: „Dieser Kühlturm befindet sich zu nah an der Wohnbebauung“, dann muss man ehrlicherweise auch sagen, dass diejenigen, die die Genehmigungsvoraussetzungen auf den Weg gebracht haben, davon ausgegangen sind, dass die Begründung eines Ersatzbaus trägt. Und dann liegt eine andere Abstandssituation vor als bei einem Neubau; das hat allerdings das Gericht festgestellt. Insofern haben wir die Festlegung auf 1.500 m jetzt über das Urteil rechtskräftig erhalten.

Gleichzeitig bleibt es trotzdem möglich, bei Anwendung des Abstandserlasses NordrheinWestfalen unter Würdigung von zum Beispiel emissionstechnischen Fragestellungen Mindestabstände zu unterschreiten. Insofern gibt es Wege, das Kraftwerk zu ermöglichen. Ich fordere Sie eindringlich auf, diesen Weg gemeinsam mit uns zu beschreiten. Wir sind dazu bereit.

Wer allerdings sagt, das eine sei der böse Abstand der Großindustrie, der unterschritten werde, und gleichzeitig in seinen Koalitionsvertrag hineinschreibt, dass zukünftig die Abstandssicherheit für Menschen, die in der Nähe von Windkraftanlagen wohnen, deutlich reduziert wird – damit wird auch ihr Schutzbedürfnis reduziert –, ist in seiner Argumentation unehrlich. Das gilt es an dieser Stelle noch einmal deutlich festzuhalten.

(Beifall von der CDU und von der FDP)

Meine Damen und Herren, insofern gibt es weder eine gute noch eine schlechte Beurteilung ein und desselben Sachverhalts. Es kann nur die gleiche Beurteilung eines Sachverhalts geben. Dazu fordere ich Sie als neue Koalition, die hier Verantwortung trägt, eindringlich auf. Was für Windräder in diesem Land zukünftig gelten soll, muss auch denjenigen als Zugeständnis gemacht werden, die in diesem Land Kraftwerke bauen wollen.

(Beifall von der CDU und von der FDP)

Deswegen sage ich: Lesen Sie Ihr eigenes Koalitionspapier. Nehmen Sie zur Kenntnis, was Sie selbst auf den Weg bringen wollen: die Reduzierung des Anteils der Steinkohle, die Reduzierung des Anteils der Braunkohle im Bereich der Verstromung. Nehmen Sie bitte gleichzeitig zur Kenntnis, dass wir seit 2001 mehr Steinkohle importieren als selbst fördern.

Wie also soll der „bewährte § 26“ das sicherstellen? – Sie sind gar nicht mehr in der Lage, überwiegend heimische Steinkohle zur Energieerzeugung einzusetzen. Wieso schreiben Sie das wieder in ein Gesetz hinein? – Ich finde es absurd, wenn sich der Gesetzgeber einen Hinweis gibt, den er gar nicht einhalten kann. Dann führt man sich selbst ad absurdum, und, meine Damen und Herren, damit fördert man auch nicht die Rechtssicherheit.

Also, die Möglichkeit besteht, Datteln unter Würdigung der Hinweise des Urteils zu bauen. Ebenso besteht die Möglichkeit, Datteln unter Würdigung der Hinweise des Urteils plattzumachen.

Aber, meine Damen und Herren, wenn wir den Industriestandort Nordrhein-Westfalen ernst nehmen wollen, dann müssen Großinvestitionen, die im guten Glauben an die Abläufe, wie sie bisher rechtskonform waren, auf den Weg gebracht worden sind, möglich sein. Dann hat derjenige, der diese Großinvestitionen auf den Weg gebracht hat, auch den Anspruch an den Gesetzgeber, dass ein Weg gefunden wird, um ihm unter Wahrung der Hinweise eines Urteils die Möglichkeit zu geben, sein Projekt zu vollenden.

Wir waren auf dem Weg. Wir sind bereit, die neue Landesregierung auf diesem Weg zu unterstützen. Wir fordern Sie aus industriepolitischem Interesse für unser Land dringend auf, diesen Weg zu gehen. Wir werden Sie dabei unterstützen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und von der FDP)

Vielen Dank, Herr Hovenjürgen. – Für die SPD spricht jetzt Herr Eiskirch.

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Kollege Hovenjürgen, ich möchte noch einmal ganz simpel auf zwei Punkte eingehen.

Erstens. Sie haben gerade über das Thema Abstandsflächen gesprochen. Wenn mich nicht alles täuscht, hat die alte Landesregierung mit ihren Behörden die Planung eines Neubaus auf einer Fläche begleitet, die ausgewiesenermaßen eine Erweiterungsfläche darstellte. Das Gericht hat festgestellt, dass Sie einen Neubau begleitet haben, und es legt deshalb auch die Abstände an, die für einen Neu

bau gelten. Insofern können Sie sich doch nicht darüber beschweren, dass im Plan unmissverständlich steht, dass es eine Erweiterungsfläche ist.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Jetzt kommen Sie doch nicht mit der Nummer „Haltet den Dieb!“, obwohl Sie es als alte Landesregierung letztendlich selber waren. So geht es nicht, Kolleginnen und Kollegen.

Zweiter Punkt. Zur Wiedereinführung von § 26 – Kollege Hovenjürgen und ich haben darüber gestern privat diskutiert – sage ich noch einmal: Wir wissen, dass das Gericht viele verschiedene Punkte festgestellt hat, weswegen das Kraftwerk in Datteln so nicht zu realisieren wäre, sodass man schauen müsste, welche Dinge man verändert. Davon betraf lediglich ein einziger Punkt den § 26: Mit was wird es denn befeuert?

Insofern kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass dieses Urteil für Sie der Deckmantel und nicht der Grund war, um den § 26 mit dem Vorrang der heimischen Energieträger zu streichen. Es ist wirklich pharisäerhaft, mit diesem Thema so umzugehen, Kolleginnen und Kollegen. Das muss ich so feststellen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Ha, ha, ha! Manchmal sind Sie gut, heute aber nicht!)

Ich komme zu einem ganz anderen Punkt. Ich kann Sie nur auffordern: Übernehmen Sie Verantwortung für Ihr eigenes Handeln. Sie haben diesen Prozess seit dem Urteil so gesteuert, dass sich dieses Projekt nun in einer Sackgasse befindet, aus der wir es mühsam herausführen müssen. Also, übernehmen Sie die Verantwortung für Ihr eigenes Tun! Das ist das, was man erwarten kann. Drückebergerei ist schlicht und ergreifend nicht angesagt, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Ich will es noch einmal sagen: Sie haben ein Verfahren in einer Art und Weise begleitet, die zu diesem Gerichtsurteil führte. Nach Recht und Gesetz ist doch wohl die Mindestanforderung, dass sich sowohl der Investor als auch diejenigen, die sich von einem Investment persönlich betroffen fühlen, auf eine Rechtslage verlassen können. Dann muss gegeneinander abgewogen werden. Das Gericht hat festgestellt, dass die Art und Weise, wie dieser Prozess von öffentlichen Stellen begleitet wurde, zu einem Abwägungsausfall – ich betone: Abwägungsausfall – geführt hat.

Ihre Reaktion darauf ist aber nicht, zum Beispiel den Weg eines Zielabweichungsverfahrens zu gehen. Das haben wir mehrfach angeboten; wir haben doch Wege angeboten, die man beschreiten kann. Sie haben sich darauf zurückbesonnen, das, was wir gerade festgestellt haben, dass sich auch Betroffene verlassen können müssen, nicht einzuhal

ten, sondern zu sagen: Dann wird die Rechtsgrundlage geändert.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Bei dem, was Kollege Laumann gestern gesagt hat, kam für mich als Credo rüber: Politischer Wille muss zur Not auch Recht und Gesetz brechen und Recht und Gesetz ersetzen. – Das kann nicht Wille und Ausdruck eines Landesparlamentes sein, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das geht schlicht und ergreifend nicht.

Lassen Sie mich zu guter Letzt noch einmal appellieren. Ich glaube, das, was im Moment passiert, ist ein Stück Versündigung am Industriestandort NordrheinWestfalen. Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie es ernst meinen und immer wieder sagen, Datteln sei das Synonym dafür, ob dieses Land industriefeindlich oder industriefreundlich ist, und wir gemeinsam wissen, dass in der Wirtschaft – das ist ein altbekannter Satz – 50 % Psychologie sind, und Kollege Brockes gerade deutlich gemacht hat, er habe in dieser Debatte Angst um den Standort, dann kann ich nur sagen: Lassen Sie uns gemeinsam nach Wegen suchen und die Geschütze runterfahren!

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Ganz ehrlich: Was passiert denn, wenn ein Gericht feststellt, dass, auch wenn wir uns noch so abgestrampelt haben, um einen Weg zu finden, über welches Verfahren auch immer, Datteln zu realisieren, es diesen Weg nicht gibt? Dann soll das das Synonym dafür sein, dass alle anderen Unternehmen das Gefühl bekommen, dieser Standort ist industriefeindlich? Das wäre verheerend. Lassen Sie das sein! Nach Recht und Gesetz wird entschieden.

Aber dieses Land ist industriefreundlich – egal, ob Datteln vor Recht und Gesetz realisierbar ist oder ob wir vielleicht zur Kenntnis nehmen müssen, dass es nach diesem verkorksten Verfahren der alten Landesregierung nicht mehr zu retten ist. Auch wenn das so sein sollte, bleibt es ein industriefreundliches Land. Das ist wichtig für den Mittelstand in diesem Land, es ist wichtig für die Industrie in diesem Land. Es ist wichtig auch für die Energiewirtschaft in diesem Land.

Hören Sie damit auf, nach außen so zu tun, als wäre dies die Marke, an der sich diese Frage entscheidet – nicht, weil ich das nicht ab könnte, sondern weil es für die Wirtschaft in NordrheinWestfalen ein Bärendienst wäre, wenn Sie weiter so damit umgehen. Dann sind Sie Brandstifter und nicht Feuerwehr an der Stelle. Besinnen Sie sich eines Besseren, Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Danke, Herr Eiskirch. – Für die FDP spricht jetzt Herr Dr. Papke.

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich in dieser Debatte noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich gerade nach dem Vorlauf des gestrigen Tages sehr gespannt war, vom zuständigen Wirtschaftsminister erstmals hier im Landtag NordrheinWestfalen die Haltung der Landesregierung zu diesem wichtigen industriepolitischen Thema zu vernehmen.

Herr Minister, nachdem Sie hier vorgetragen haben, bin ich mehr denn je in größter Sorge um das Kraftwerk Datteln.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)