Protocol of the Session on August 27, 2008

Bei Sommer und Winands kommt ein Scherbenhaufen zum nächsten.

(Zuruf von der SPD: Bei Winands und Som- mer!)

Die Grünen nennen die Damen immer zuerst. Soweit wollen wir es nicht kommen lassen.

Der Ministerpräsident schaut stur in die andere Richtung. Herr Ministerpräsident, wer die dort liegenden Scherben nicht sieht, kann auch nicht anfangen, die Scherben aufzuräumen. Damit sollten Sie aber endlich einmal anfangen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Leistung unserer Schulen ist nicht nur für die wirtschaftliche Entwicklung entscheidend. Es geht um mehr. Es geht um gelingende Integration, um Bildungsaufstieg. Es geht um das Ausschöpfen aller Potenziale und Talente. Es geht um soziale Gerechtigkeit. Nirgendwo in der westlichen Welt hängt der Bildungserfolg in solchem Maße vom sozialen Status der Eltern ab wie in Deutschland. Es geht um jede und jeden Einzelnen, die/den wir mit einer besseren Bildung in die Lage versetzen, ihr/sein Leben erfolgreich zu gestalten und in die eigenen Hände zu nehmen.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Das war schlimm zu Ihrer Regierungszeit!)

Die Befürworter eines anderen Weges und die Belege dafür nehmen tagtäglich zu, Herr Linssen. Ganz aktuell zeichnet die Bertelsmann Stiftung die Bildungsregion Toronto aus und will damit bewusst die politische Diskussion in Deutschland beflügeln: hin zu besseren Leistungen und zu mehr sozialer Gerechtigkeit durch längeres gemeinsames Lernen. Aber ich fürchte, auch diese Signale werden und wollen Sie wieder nicht hö

ren. Sie bleiben weiterhin in Ihrem Schützengraben stecken.

Herr Stahl, ich muss Sie nicht ans Händchen nehmen. Ich lade Sie aber ein: Kommen Sie doch zur Preisverleihung mit. Schauen wir es uns gemeinsam an. Vielleicht lassen Sie sich von diesen neuen Ideen anstecken.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber auch hier nutzen Sie die Chance zum Winwin nicht. Sie sind als NRW-CDU eine eingemauerte Truppe, die sich nicht auf den Weg macht, während andere längst angefangen haben.

In der Hochschulpolitik rühmen Sie sich insbesondere zweier Punkte: der Schaffung von drei neuen Fachhochschulen und der Verankerung eines Stipendiensystems. Lassen Sie mich zu beiden Punkten nur wenige Sätze sagen.

Sie haben großspurig angekündigt, den besten 10 % der Studierenden 300 € monatlich zu gewähren. Das notwendige Geld dafür ist aber beim besten Willen nicht im Haushaltsentwurf zu finden. Selbst wenn 10 % der Studierenden Stipendien bekommen, löst das nicht das Problem, dass die Abiturientinnen und Abiturienten aus ärmeren Familien systematisch durch die Studiengebühren abgeschreckt werden. Johannes Rau lässt grüßen, Herr Ministerpräsident.

Bei den neuen Fachhochschulen sieht es ähnlich aus. Das dafür im Haushalt vorgesehene Geld reicht bei Weitem nicht aus. Ganz abgesehen davon sind Neugründungen von Fachhochschulen unflexibler und teurer als der Ausbau bestehender Standorte. Diese Haltung haben wir schon vorgetragen. In dieser Haltung haben uns die Unternehmer, mit denen wir vorgestern Abend in Meschede gesprochen haben, auch ausdrücklich bestätigt. Sie sagten, der Ausbau bestehender Standorte ist der bessere Weg und hilft uns schneller, um den Fachkräftemangel abzubauen und die Qualifizierung der zukünftigen Beschäftigten voranzutreiben.

Was Sie schaffen, das sind populistische Leuchttürme: Clement – schwarz-gelb-gestreift, meine Damen und Herren.

Sie rühmen sich Ihrer Investitionen bei der Kinderbetreuung. – Ja, hier gibt es einen immensen Nachholbedarf. Das haben wir auch eingeräumt. Wir haben die Priorität auf die offene Ganztagsgrundschule gelegt und dort angefangen. Inzwischen haben alle Grundschulen in NordrheinWestfalen ein offenes Ganztagsangebot. Darin lag unsere Priorität. Es war klar, dass andere Schritte folgen werden.

Über eines können Sie aber nicht hinwegreden: Sie als Land bremsen die Kommunen beim bundesrechtlich vorgesehenen Ausbau der Betreuung von Kindern unter drei Jahren aus. Sie bremsen die Kommunen, die mehr tun wollen, aus. Geben Sie diese Deckelung auf, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Landesregierung hat noch einen Scherbenhaufen durch Ihr Verschleppen, Ihren Dilettantismus und Ihr Wegsehen angerichtet: den bei der WestLB. Nun, wo sie selbst den Scherbenhaufen nicht mehr übersehen kann, fordert sie andere auf, ihn möglichst schnell zu beseitigen. Herr Finanzminister, Herr Ministerpräsident, so etwas nennt man: sich vor der Verantwortung drücken.

Ich darf daran erinnern, dass Herr Rüttgers noch 2007 die WestLB zur Chefsache erklärt hat. Sie haben gemeinsam mit Ihrem Finanzminister vom großen Finanzplatz Düsseldorf geträumt und deshalb sinnvolle und notwendige Fusionsverhandlungen mit der LBBW torpediert.

Nun, wo das Desaster seinen Lauf nimmt, ziehen Sie sich zurück und versuchen, mit präsidialem Stil so zu tun, als wenn Sie mit all dem nichts zu tun hätten. Jetzt, ein Jahr später, muss der arme Herr Linssen kleinlaut erklären, dass die Aufrechterhaltung des Finanzplatzes NordrheinWestfalen so nicht mehr möglich ist.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Nicht zu viel Mit- leid!)

Diese späte Erkenntnis kommt uns alle sehr teuer zu stehen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn im schlimmsten Fall muss das Land beim Risikoschirm für fast 4 Milliarden € komplett einstehen. Es ist jetzt schon klar, dass Sie beim Verkauf der Landesanteile allenfalls die Hälfte hereinholen können. Die brauchen Sie, damit die NRW.BANK nicht auch noch vor die Wand fährt.

Herr Ministerpräsident, wenn das kein finanzpolitischer Offenbarungseid ist, was denn dann? Sie sind mit Ihrer Politik in Bezug auf die WestLB auf der ganzen Linie gescheitert. Auch der Verweis auf die Vergangenheit hilft nicht.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Das haben Sie nicht so gern!)

Sie waren doch immer dabei, Herr Dr. Linssen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Schon an anderer Stelle haben wir darauf hingewiesen, dass Sie dabei waren wie kein anderer im Hause.

(Gisela Walsken [SPD]: Das kann man nicht oft genug sagen!)

An Ihrer Stelle wäre ich ganz vorsichtig.

Ich zitiere noch einmal den Bonner „GeneralAnzeiger“ vom 26. August 2008:

Aus vertraulichen Unterlagen der Bank geht hervor, dass die Bank zwei Drittel der Schrottanleihen erst nach dem Regierungswechsel angehäuft hat und zwischenzeitlich fast 30 Milliarden € in ihren Depots führte.

Das Zitat ist es wert, auch zweimal im Protokoll vermerkt zu werden.

Wer soll das jetzt alles hinbiegen? Nicht der Chef – es ist keine Chefsache mehr –, nicht einmal der Finanzminister, sondern die Sparkassen sollen eingreifen, und zwar vor dem Hintergrund der Drohkulisse Sparkassengesetz. Herr Linssen, Herr Rüttgers, so können Sie mit unseren Sparkassen nicht umgehen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Wider- spruch von Minister Dr. Helmut Linssen)

Sie können nicht erst den Scherbenhaufen anrichten und dann für den Fall, dass die Sparkassen ihn nicht beseitigen, mit dieser Drohkulisse kommen. Das Sparkassengesetz muss vom Tisch. Wir sind nicht die Einzigen, die das fordern. Beim Scherbenhaufen WestLB sollten Sie für jede Hilfe dankbar sein, die Sie überhaupt noch von irgendeiner Seite erhalten.

Niemand weiß heute, was in einem Jahr oder in zwei Jahren mit der WestLB sein wird. Trotzdem sollen die Sparkassen auf Gedeih und Verderb an die privatisierte WestLB gekettet werden. Das ist eine Blindheirat auf Verdacht.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Das stimmt doch gar nicht! – Gegenruf von Gisela Walsken [SPD]: Natürlich stimmt das!)

Ihr Freund Breuer schlägt doch die Hände über dem Kopf zusammen, wenn er Ihnen zuhört. Dann werde ich doch die Sachen im Parlament formulieren dürfen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das Sparkassengesetz kann unter diesen Voraussetzungen das Aus für diese bewährte kundennahe und die Region unterstützende Bankenlandschaft bedeuten, die nicht nur die großen Geschäfte im Blick hat, sondern auch die kleinen

Leute, die soziale Struktur und das kulturelle Angebot vor Ort. Die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen brauchen gute Finanzierungen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. – Herr Ministerpräsident, ich kann Ihr Agieren bei der WestLB auch kurz zusammenfassen: erst Chefsache, dann Tauchstation! Das häuft sich.

Wenn die Arbeitslosenzahlen wieder steigen, werden Sie alles und jeden dafür verantwortlich machen, nur nicht sich selbst. Als Arbeitsplätze entstanden sind, war es genau andersherum, obwohl Sie genau wissen, dass das auf die schwierigen Reformen der rot-grünen Bundesregierung zurückzuführen ist. Damit betreiben Sie eine Politik der Täuschung, Herr Rüttgers, von der sich die Menschen abwenden.

(Zuruf von Manfred Kuhmichel [CDU])

Diese Politik macht eine Partei wie Die Linke und andere Protestparteien stark. Dafür tragen auch Sie mit Ihrem Handeln Verantwortung.

Wenn Sie dann noch versprechen, dass trotz der Kürzungen der letzten Jahre kein Arbeitslosenzentrum geschlossen wird, von 183 Zentren aber nur noch 20 überbleiben, weil alle anderen wegen Ihrer Kürzungen schließen müssen,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Und davon nur noch neun bis zum 31. Dezember!)

ist das nur ein weiteres aktuelles Beispiel dafür, wie Schwarz-Gelb die soziale Spaltung vergrößert, konkret die Politikverdrossenheit fördert und die Menschen im Stich lässt.