Protocol of the Session on August 27, 2008

Sie können doch Ihre Mitarbeiter gleich noch bitten, Ihre Zahlen zu überprüfen. Jetzt nehmen Sie doch bitte einen kleinen Moment Platz. Das ist ein Gebot der demokratischen Debattenkultur.

Ich habe Ihnen wirklich noch ein paar andere interessante Zahlen zu bieten, die Sie dann gleich mit überprüfen lassen können, Frau Kollegin Kraft.

(Hannelore Kraft [SPD]: Muss ich dabei sit- zen?)

Dann müssen Sie nicht nach jedem Zahlenbeispiel immer nach hinten laufen.

(Beifall von der FDP – Hannelore Kraft [SPD]: Bin ich Ihnen zu groß? Dann kann ich mich auch wieder setzen!)

Ich habe Sie gefragt, wo die Sozialdemokraten sparen wollen. Da haben Sie netterweise drei Beispiele genannt.

Erstens haben Sie gesagt, die 72 prolongierten kw-Stellen hätten Sie nicht verlängert. Sie reden über 72 Stellen, die wir über 2010 hinaus verlängern wollen, von 284.500 Stellen insgesamt. Sie

bringen diese 72 Stellen allen Ernstes als Beispiel für den Sparwillen in einem Personalhaushalt von 284.500 Stellen, das ist doch nicht Ihr Ernst!

(Beifall von der FDP – Hannelore Kraft [SPD]: Sie können gern die Presseerklärung noch einmal nachlesen! Der Presseerklärung haben Sie nicht widersprochen!)

Ihr zweites Beispiel betraf den Flughafen Münster/Osnabrück. Das war auch klasse; gut, dass Sie uns noch einmal daran erinnert haben. Sie haben gesagt, da könnte man jetzt sparen. Zufälligerweise habe ich den Antrag aus den letzten Haushaltsberatungen dabei, mit dem Sie das unterlegt haben. Da ging es um die Streichung von Zuschüssen an den Flughafen Münster/Osnabrück mit dem Gesamtvolumen von 2,3 Millionen €.

(Hannelore Kraft [SPD]: Die haben Sie jetzt noch einmal draufgelegt!)

Aber hallo, das ist ja ein wirklicher Konsolidierungsbeitrag! Ich verrate Ihnen jetzt einmal ein Geheimnis: Wissen Sie, von wem dieser Antrag eigentlich kam? Von dem Chefökonomen dieses Parlaments, von Herrn Sagel.

(Heiterkeit und Beifall von FDP und CDU)

Sie haben als Sozialdemokraten dem Antrag von Herrn Sagel zugestimmt, Zuschüsse für ein Infrastrukturprojekt komplett zu streichen,

(Gisela Walsken [SPD]: Es geht an dieser Stelle doch gar nicht um Infrastruktur! Das wissen Sie doch genau!)

das unter Ihrer politischen Verantwortung so beschlossen worden ist. Herr Horstmann ist ja leider nicht mehr in diesem Parlament; er ließe die Ohren hängen, wenn er dies jetzt hören müsste, weil er als Verkehrsminister dafür im Münsterland gefochten hat.

(Beifall von FDP und CDU)

Wir werden diesen Antrag und diese tolle Initiative gerne noch einmal den sozialdemokratischen Kommunalpolitikern im Münsterland zukommen lassen, damit sie nicht vergessen, wie die SPD hier im Düsseldorfer Landtag zu diesem wichtigen Projekt steht.

Als drittes Beispiel, bei dem man sparen könnte, sprachen Sie von 21 Millionen € für die WestLB. Es ist nur eine Kleinigkeit, aber es sind 23 Millionen €, die jetzt aus den Risiken schlagend werden. Meinen Sie denn allen Ernstes, eine andere Regierung als diese könnte diese Zahlungen vermeiden?

(Gisela Walsken [SPD]: Das ist doch erst der Anfang, Herr Kollege!)

Das ist doch wirklich absurd. Sie waren doch über Jahrzehnte stolz auf Ihre Staatsbank WestLB. Sie haben sie doch gegen unsere Initiativen, das Eigentum des Landes an der WestLB einmal kritisch zu hinterfragen, immer verteidigt. Es gab ja auch diverse Vorteile in früheren Zeiten: Flugbereitschaft und andere Dinge. Das war doch Ihre Verantwortung. Sie haben noch in der letzten Wahlperiode unsere Initiativen mit Gelächter zurückgewiesen, die Bürger von diesen Risiken zu befreien. Jetzt werden hier erste dieser Risiken schlagend, und Sie sagen allen Ernstes, eine solche Zahlung könnte diese Landesregierung vermeiden?

(Hannelore Kraft [SPD]: Wer hat denn zu welcher Zeit die Papiere gekauft?)

Es ist immerhin eine Zahlung für das, was Sie dem Land eingebrockt haben, Frau Kollegin Kraft.

(Gisela Walsken [SPD]: Da sitzt er im Kabi- nett, Mitglied des Aufsichtsrats! – Zuruf von Michael Groschek [SPD])

Herr Kollege Groschek, ich kann das nur reflektieren. Das waren die drei Sparvorschläge, die Frau Kollegin Kraft in Ihrer Rede benannt hat. Das wird nicht ausreichen, um das Land zu sanieren. Das ist meine Ahnung.

Nun möchte ich by the way noch auf ein paar andere Punkte hinweisen.

(Gisela Walsken [SPD]: Wann fangen Sie mit Haushaltspolitik an?)

Ich habe mir nämlich einmal angeguckt, welche haushaltsrelevanten Vorschläge Sie persönlich und Abgeordnete Ihrer Fraktion in den letzten Monaten unterbreitet haben. Das war so eine Art Dauerfeuer. Auf 100 Millionen € kommt es ja nicht an. Ich möchte Ihnen nicht alles vortragen, denn dann wäre meine Redezeit abgelaufen.

Sie persönlich haben gefordert: Sonderprogramm 200 Millionen € zur Unterstützung des Ruhrgebiets nach dem Steinkohleausstieg; Kritik an der Streichung von 148 Stellen in der Landesforstverwaltung; Antrag zur Befreiung von Rundfunkgebühren für Geringverdiener; Sofortprogramm in Höhe von 75 Millionen € zur Verbesserung der Ausbildungssituation; Forderung, es bei der bisherigen Anzahl an Amtsgerichten zu belassen und von geplanten Fusionen abzusehen; 300 Millionen € mehr für Familie und Kinder, unter anderem für ein beitragsfreies letztes Kindergartenjahr; Kritik, dass die Landesregierung die Kürzung des

Bundes in Höhe von 519 Millionen € für den Nahverkehr nicht komplett kompensiert. – Wollen Sie eigentlich das Parlament und die Öffentlichkeit auf den Arm nehmen, Frau Kollegin,

(Beifall von FDP und CDU – Gisela Walsken [SPD]: Das ist doch Ihr Job!)

oder spielen Sie hier „Alice im Wunderland“? Sie haben nichts zu bieten. Sie fordern nur permanent in allen Politikfeldern zusätzliche Ausgaben. Sie haben keine Linie für die Modernisierung des Landes. Sie haben einen langen Wunschzettel, der vermutlich morgen schon wieder verlängert wird, weil ja absehbar ist, dass einer Ihrer Abgeordneten oder Sie persönlich wieder einen neuen Wunsch durch das Land pusten.

Ich möchte nun noch auf einen weiteren Punkt hinweisen, weil es da wirklich um Geld geht und wir in der Tat die exakt gegenteilige Position zu Ihnen haben, nämlich auf den Steinkohlebergbau. Ich habe eine Erklärung von Ihnen mitgebracht, in der Sie einen Sockelbergbau in NordrheinWestfalen mit einem Gesamtvolumen von 10 Millionen t fordern. Da werden Sie mit den Worten zitiert: Die Kosten für diesen Sockelbergbau schätzt die SPD-Politikerin auf 700 Millionen bis 1 Milliarde €.

Damit Sie sich dem tatsächlichen Wert etwas besser nähern, möchte ich auf Folgendes hinweisen: Die unstreitige – die Wirtschaftsministerin hat die Zahlen im Wirtschaftsausschuss dieser Tage vorgetragen – Vollkostenrechnung pro Tonne Steinkohle – Herr Kollege Priggen wird das gerne bestätigen – liegt momentan bei etwa 340 € je Tonne. Das macht bei 10 Millionen t 3,4 Milliarden € Subventionskosten. Rechnen wir einmal mit einem Erlös von etwa 1 Milliarde € – dieser steigt ja momentan, weil man derzeit am Weltmarkt je Tonne Steinkohle deutlich mehr erlösen kann als noch vor zwei oder drei Jahren –, dann sind wir immer noch bei einem zusätzlichen Finanzbedarf, Frau Kollegin Kraft, von etwa 2,5 Milliarden €. Sagen Sie doch bitte, wie Sie das auch nur anteilig aus dem Landeshaushalt finanzieren wollen. Das ist die Traumtänzerei,

(Beifall von FDP und CDU)

die Sie gerade in der Haushaltspolitik hier seit Jahren betreiben. An jeder Ecke, wo Sie gehen und stehen, jagen Sie eine neue Sau durch das Dorf, fordern Sie eine neue zusätzliche Ausgabe. Das ist alles nicht seriös zu finanzieren, Frau Kollegin Kraft.

Deshalb sind wir – das möchte ich gerne an dieser Stelle kontrastieren – als FDP der Auffassung,

dass wir uns die Ausgaben für die Absatzbeihilfen noch einmal anschauen müssen. Im Etatentwurf – das Thema Steinkohlesubvention ist ja seit unserem historischem Durchbruch beim Ausstieg aus dem Subventionsbergbau ein bisschen aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden – stehen noch 516 Millionen € Absatzbeihilfen für die Steinkohle. Das ist mehr als die Hälfte der gesamten Haushaltsmittel des Wirtschaftsministeriums. Hinzu kommen 54 Millionen € im Haushalt des Arbeitsministers für das Anpassungsgeld der Bergleute.

Es gehört zu den großen historischen Erfolgen dieser Koalition, dass wir es unter Führung des Ministerpräsidenten zu Beginn des vergangenen Jahres geschafft haben, den Ausstieg aus dem Subventionsbergbau zu verabreden. Es gab eine Grundlinie, die wir immer geteilt haben: Wir wollen diesen Ausstieg sozialverträglich gestalten. Niemand soll betriebsbedingt gekündigt werden.

In diesem Zusammenhang will ich auf Folgendes hinweisen: Seitdem haben wir eine außerordentlich positive Entwicklung am Arbeitsmarkt gerade auch in Nordrhein-Westfalen. Alleine in den 160.000 Unternehmen des nordrhein-westfälischen Handwerks sind 20.000 Arbeitsplätze unbesetzt, ganz zu schweigen von den vielen Facharbeiterstellen in der Industrie, die momentan nicht qualifiziert besetzt werden können. Auf der anderen Seite haben wir 25.000 Bergleute, die eine neue Stelle brauchen. Noch nie war der Arbeitsmarkt so aufnahmefähig wir derzeit. Noch nie waren die Chancen für Bergleute in NordrheinWestfalen, jetzt schnellstens einen neuen zukunftssicheren Arbeitsplatz zu bekommen, so gut wie momentan. Deshalb ist es eine Aufgabe der nächsten Monate – im übrigen wäre das nicht nur ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung, sondern auch zur Unterstützung der Bergleute, denen wir ja eine Zukunftsperspektive aufzeigen wollen –, in Gespräche einzutreten, nicht ob man die verabredeten Rahmenbedingungen einseitig aufkündigt – darum geht es nicht –, sondern ob man nicht nachjustiert, ob man nicht gemeinsam mit allen Beteiligten darüber nachdenkt, wie wir diesen sozialverträglichen Prozess des Ausstiegs aus dem Subventionsbergbau beschleunigen können.

(Michael Groschek [SPD]: Da hat der Minis- ter Laumann ja einen interessanten Vor- schlag!)

Dann hätten wir von den 3 Milliarden €, die Nordrhein-Westfalen in den nächsten zehn Jahren noch an Steinkohlesubventionen bezahlen müsste, einen erheblichen Beitrag für Zukunftsinvestitionen und auch für die Haushaltskonsolidierung

zur Verfügung. Das möchte ich deutlich kontrastieren.

(Beifall von der FDP)

Ferner habe ich mir – das ist ja ein Dauerbrenner bei Ihnen – die angeblich fehlende soziale Durchlässigkeit im Bereich der Bildungspolitik aufgeschrieben. Damit haben Sie schon letztens zu glänzen versucht, als ich die Freude hatte, gemeinsam mit Ihnen die Podiumsdiskussion bei der Evangelischen Landeskirche zu bestreiten.

(Hannelore Kraft [SPD]: Ich erinnere mich, das war, als Sie vom begabungsgerechten dreigliedrigen Schulsystem gesprochen ha- ben!)

Sie trompeten durch das Land, die unsoziale Politik dieser Landesregierung werde nicht zuletzt daran deutlich, dass sich die soziale Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schulformen verschlechtert habe. Sie haben versucht, das auch mit Zahlen zu unterlegen. Jetzt werde ich Ihnen einmal andere Zahlen dagegenhalten.

Die Anzahl der sogenannten Absteiger zwischen den Schulformen – ich vergleiche das Schuljahr 2000/2001 mit dem Schuljahr 2007/2008 – hat sich von 19.605 auf 14.497 verringert. In dem Zeitraum von 2001 bis 2007 ist diese Zahl um rund 5.000 Schüler gesunken. 25 % weniger Absteiger im Schulsystem als 2001! – Sie gucken mich an. Ich liefere Ihnen die Zahlen gerne zu.

(Hannelore Kraft [SPD]: Ich lese Ihre offiziel- len Statistiken!)

Sie suchen sich eben immer selektiv die Zahlen heraus, von denen Sie meinen, dass man sie passend machen könne.

(Hannelore Kraft [SPD]: Sie tun das natürlich nicht!)