Protocol of the Session on June 5, 2008

(Zuruf von Gerd Stüttgen [SPD])

Gleichzeitig stärken wir aber auch die Vorsorge für künftige Pensionsverbindlichkeiten. Wir haben die viel zu lange vernachlässigte Vorsorge für die steigenden Beamtenpensionen angepackt. Allein 2007 haben wir 925 Millionen € in die Versorgungsrücklage des Landes eingezahlt. Auch für die Tarifbeschäftigten sorgen wir vor: Für alle neuen Beschäftigten legen wir monatlich 500 € zurück, um deren Rentenzahlungen abzusichern. Das, meine Damen und Herren, ist nachhaltige Finanzpolitik, die den Beschäftigten des Landes zugutekommt.

Meine Damen und Herren, wir wissen, dass wir insbesondere den Beamtinnen und Beamten in den letzten Jahren viel zugemutet haben. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten aber auch immer wieder deutlich gesagt, dass nun das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Das heißt konkret: Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, damit der Tarifabschluss für die Angestellten des Landes 1:1 für die Beamtinnen und Beamten übernommen wird.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Ab wann? Wann wollen Sie damit anfangen?)

Dieses Ziel bekräftigen wir mit unserem Antrag, Herr Groth.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Ja, das Ziel!)

Damit kommen wir den berechtigten Forderungen der Beamtinnen und Beamten nach. Somit zeichnet sich eine deutliche Steigerung der Einkommen

der Landesbediensteten im Jahr 2009 ab. Das ist haushalterisch sicherlich nicht unproblematisch, weil es zu beachtlichen Ausgabensteigerungen kommt. Aber wir sind den Beamtinnen und Beamten schuldig, dass es nicht zu einer weiteren Abkopplung der Beamten von der allgemeinen Einkommensentwicklung kommt.

(Zuruf von Ewald Groth [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, mit unserem Antrag stärken wir darüber hinaus den von Rot-Grün abgeschafften mittleren Dienst in der Landesverwaltung. Erstmals seit 2003 wurden im laufenden Haushaltsjahr wieder 100 neue Stellen für Anwärter des mittleren Dienstes ausgebracht. Wir wollen die angemessene Nachbesetzung frei werdender Stellen in der Finanzverwaltung sicherstellen, um eine ausgewogene Altersstruktur zu gewährleisten.

Die Rückkehr zur dreigeteilten Laufbahn in der Finanzverwaltung ist aus unserer Sicht darüber hinaus ein probates Mittel, den gleichmäßigen Steuervollzug im Lande Nordrhein-Westfalen sicherzustellen. Zugleich bieten wir durch diese Maßnahme Realschulabsolventen wieder eine Perspektive in der Finanzverwaltung. Dies dient im Übrigen auch der Entlastung der Mitarbeiter im gehobenen Dienst. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es hat sich als einer der Fehler der früheren Landesregierung herausgestellt, den mittleren Dienst abzuschaffen. Diesen Fehler gilt es zu korrigieren.

Mit unserem Antrag bestärken wir ferner die Landesregierung in der Absicht, das veraltete Dienstrecht zu modernisieren. Ziel muss es sein, dass Leistung stärker honoriert und Flexibilität gefördert wird. Hierzu bedarf es dringend einer Reform des Beamtendienstrechts. Wir sind sicher, dass mit einem zukunftsfähigen Dienstrecht die Perspektiven für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst gestärkt werden können. Diesen Weg wollen wir mit der Landesregierung weitergehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Möbius. – Für die Fraktion der FDP spricht nun die Kollegin Freimuth.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Steuern sind die hauptsächliche Einnahmequelle des Staates. Deshalb ist für unseren Staat und für unser Gemeinwesen eine funktionierende, Recht und Ge

setz umsetzende und bürgerorientierte Finanzverwaltung von höchster Wichtigkeit.

Die Finanzverwaltung prägt das Bild des Staates in breiten Kreisen der Bevölkerung. Zentrales Element unseres Antrages ist daher nicht nur die Verwaltung als ein abstraktes Gebilde, sondern das sind vor allem die in diesem Bereich beschäftigten Finanzbeamtinnen und Finanzbeamten. Von ihrer Fachkompetenz, ihrer Leistungsbereitschaft, aber auch ihrer Bürgerorientierung hängt nicht nur die Erzielung des größten Einnahmeteils des Staates ab, sondern auch die Akzeptanz des Staates und seiner Besteuerung insgesamt.

Die Beschäftigten des Landes Nordrhein-Westfalen, insbesondere in der Vorbildverwaltung – so will ich sie einmal nennen, so ist sie ja auch schon vielfach bezeichnet worden –, nämlich in der Finanzverwaltung, haben aufgrund der schwierigen Haushaltssituation, die wir als Hinterlassenschaft von Rot-Grün vorgefunden haben, in den letzten Jahren und auch schon unter Rot-Grün zahlreiche, sicherlich auch sehr schmerzhafte Einschnitte an über viele Jahre gewohnten Standards hinnehmen müssen. Die Kombination aus Kürzung von Sonderzuwendungen, Nullrunden, Einmalzahlungen, Nichtumsetzung von Tarifabschlüssen hat bei vielen Beschäftigten enorme Enttäuschung und Frustration herbeigeführt.

Es kommt hinzu, dass die ausufernde Steuergesetzgebung des Bundes nicht nur die Bürgerinnen und Bürger fesselt und einzwängt, sondern auch den Beamtinnen und Beamten in der Steuerverwaltung das Leben noch zusätzlich erschwert. Stichwort Alterseinkünftegesetz – um hier nur eines zu nennen –: Da haben die Finanzbeamtinnen und Finanzbeamten mit sehr, sehr viel Engagement, aber auch unter erheblicher zusätzlicher Arbeitsbelastung den Anforderungen des Gesetzgebers und den Informationsbedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger entsprochen.

An dieser Stelle darf ich mich noch einmal bei allen Beteiligten ganz, ganz herzlich bedanken. Das war wirklich vorbildliche, bürgerorientierte Finanzverwaltung.

Den Forderungen nach einer besseren personellen Ausstattung der Finanzämter, die daraus abgeleitet werden, bringe ich persönlich alles Verständnis entgegen. Dennoch – das ist ein Konflikt, den wir immer haben; jeder Haushaltsgesetzgeber hat diesen Konflikt –: Wir müssen uns natürlich auch an dem orientieren, was aufgrund der Haushaltssituation finanzierbar, gestaltbar und verantwortungsvoll machbar ist. Wir müssen das auch im Interesse nachfolgender Generationen entscheiden. Wir sind uns ebenso einig darüber,

dass wir die öffentlichen Haushalte insgesamt konsolidieren müssen.

Wir wissen alle: Ohne die mittel- und langfristige Senkung des Anteils der Personalausgaben an den Gesamtausgaben ist eine Konsolidierung des Haushaltes nicht zu erreichen. In diesem Spannungsbogen stehen wir. In diesem Spannungsbogen stellt sich dann auch die Frage: Was tun?

Ein Weg der Entlastung für die Finanzbeamten stellt sicherlich die Einführung des mittleren Dienstes dar. Die frühere Annahme, dass einfache Geschäftsprozesse durch IT erledigt werden könnten, hat sich nicht ohne Weiteres bestätigt. An das Fiasko FISCUS will ich an dieser Stelle lieber gar nicht erinnern. Wir müssen uns aber damit auseinandersetzen, dass diese Aufgaben nun vom gehobenen Dienst wahrgenommen werden müssen, der vielleicht eher auf komplexe Steuerfälle hätte konzentriert werden können. Deswegen entlastet der mittlere Dienst und trägt zu einer Steigerung der Effizienz der Finanzverwaltung bei.

Zusätzlich ist die Qualität der Risikomanagementsysteme kontinuierlich zu verbessern. Die Harmonisierung und Intensivierung des IT-Einsatzes sei hier ebenfalls erwähnt.

Es gilt, die Belastungen der Beschäftigten in der Finanzverwaltung zu senken und die Kosten des Steuervollzuges mit den Interessen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und der nachfolgenden Generationen und dem Interesse der Haushaltskonsolidierung in Einklang zu bringen.

Ich möchte auf zwei Punkte dieses Antrags eingehen. Einen weiteren will ich nur ganz kurz streifen, nämlich die Anknüpfung an die Diskussion der früheren Jahre, was die Modernisierung des Dienstrechtes angeht. Es ist erforderlich, dass sich Leistungsbereitschaft und Engagement unserer Beamtinnen und Beamten auch wieder in Anerkennung niederschlagen. Da müssen wir, glaube ich, gemeinsam eine Diskussion über die geeigneten Instrumente führen. Wir haben einige Möglichkeiten auch durch die Föderalismusreform. Die sollten wir nutzen.

Einen Punkt herauszustellen ist mir besonders wichtig, weil er die eigentliche Ursache beschreibt. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin der festen Überzeugung: Wenn es uns nicht gelingt, unser Steuerrecht, unser Steuersystem einfacher, transparenter und gerechter auszugestalten, können wir noch so sehr an den Symptomen herumdoktern – an der Ursache für die Komplexität und die Über

lastung der Finanzverwaltung werden wir nichts ändern.

Wir als FDP haben – zuletzt auf unserem Bundesparteitag – Vorschläge unterbreitet und zum Beispiel die Einführung eines Stufentarifs vorgeschlagen, der Transparenz hineinbringt, der es wieder ermöglicht, dass sich ein Steuerpflichtiger seine Steuerbelastung selber ausrechnen kann. Wir haben auch vorgeschlagen, die Sondertatbestände und Ausnahmeregelungen zu entschlacken, wenn nicht sogar in weiten Teilen ganz abzuschaffen. Das, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist dringend erforderlich.

Wir müssen uns einfach damit auseinandersetzen, dass die Geschwindigkeit, mit der die bestehende Steuergesetzgebung geändert wird, immer weiter steigt. Im vergangenen Jahr wurde allein das Einkommensteuerrecht zwölf Mal geändert. Jeden Monat eine Änderung! Dazu unzählige Schreiben des Bundesfinanzministeriums und Verwaltungsvorschriften! Kollege Peschkes bestätigt das; er weiß genau, wovon ich rede.

Gerade die fehlende Transparenz ist schuld am Akzeptanzverlust der Besteuerung aufseiten der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft. Wenn Menschen das Gefühl haben, sie zahlen mehr Steuern als der Nachbar, nicht weil sie ein höheres Einkommen erzielen, mehr erwirtschaften, mehr leisten, sondern weil der Nachbar den besseren Steuerberater hat oder einfach anders geprüft wird, dann ist etwas im System nicht richtig, dann ist es ungerecht. Wir müssen auch dieses Übel bei der Wurzel packen.

Meine Damen und Herren, wir werden das im Beratungsverfahren sicherlich in aller Intensität auch anhand der vorgelegten Punkte – es sind ja noch mehr in diesem Antrag enthalten – diskutieren. Ich freue mich darauf und hoffe auf konstruktive Beratungen. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Frau Freimuth. – Für die SPD spricht nun der Kollege Peschkes.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Wenigstens mal ei- ner, der was von der Sache versteht!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Möbius hat sich zu Beginn seiner Rede richtig aufgeplustert, zur Situation in der Finanzverwaltung aber sehr wenig gesagt. Recht wohltuend von Ihrer

Rede, Herr Kollege, hob sich die Rede der Kollegin Freimuth ab. Sie hat die Probleme in der Finanzverwaltung dezidiert beschrieben und auch Lösungsvorschläge gemacht. Ich sage das in Anerkennung,

(Beifall von Christian Lindner [FDP])

ohne einen Keil in die Koalition treiben zu wollen. Der ist ja da.

Gleichwohl wundere ich mich, dass dieser Antrag kommt. Mir ist noch gut die Rede des Herrn Finanzministers bei der Einbringung unserer Initiative im Ohr, bei der der Grundtenor herrschte: Alles ist nicht so schlimm. Jetzt plötzlich entdeckt die Koalition das Herz für die Finanzverwaltung – das alles, nachdem der Antrag der SPD zu diesem Thema schon mehrfach diskutiert wurde, es eine Anhörung dazu gegeben hat und der Finanzausschuss im Finanzamt Aachen war, um das Thema zu erörtern. Mittlerweile – das bestätigen die Kollegen immer wieder, die zu Besuch im Landtag sind – wird der Antrag der SPD durchaus in den Frühstücksrunden von den Beamten in den Finanzämtern diskutiert.

Vor diesem Hintergrund kann ich Ihnen nur sagen: Herzlichen Glückwunsch, Koalition, dass Sie das Thema endlich entdeckt haben! Aber eine alte Weisheit lautet ja: Es ist selten zu früh und nie zu spät. Deshalb willkommen im Klub.

(Beifall von der SPD)

Nachdem ich Ihren Antrag gelesen habe – nicht aufgrund Ihres Redebeitrags –, konzediere ich, dass Sie in der Analyse der Finanzverwaltung und in der Problembeschreibung durchaus auf dem rechten Weg sind. Unser Antrag und auch die öffentliche Anhörung waren für Sie offensichtlich meinungsbildend und bewusstseinserweiternd. Das können Sie öfter von uns haben.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, die seinerzeitige Expertenanhörung zum SPDAntrag – Herr Minister, Sie waren nicht anwesend, aber man hat Ihnen berichtet, dass sie wohl vernichtend für die Landesregierung war – hat sehr deutlich gemacht, dass die Lage in der Finanzverwaltung sehr besorgniserregend ist, um es freundlich zu formulieren.

(Christian Möbius [CDU]: Weiß Gott nicht!)

Nur durch einen sehr hohen persönlichen Einsatz der Bediensteten, der weit über das Maß hinausgeht, das man den Beamten landläufig nachsagt, wird die Finanzverwaltung am Laufen gehalten. Das heißt, nur durch diesen Einsatz der Bediens

teten kommt es zu einer zeitnahen Steuerveranlagung.

Doch das Personal ist für den hohen Einsatz von der Landesregierung nicht belohnt worden. Schwarz-Gelb hat den öffentlichen Dienst von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt, es sind Leistungsprämien gestrichen worden, Sonderzuwendungen wurden gekürzt, und das, obwohl der seinerzeitige Oppositionsführer und heutige Ministerpräsident 2003 noch genau das Gegenteil versprochen hat.

Herr Kollege Möbius, insofern bin ich höchst skeptisch in Bezug auf die Aussage, die Sie gerade getroffen haben, nämlich dass Sie die Tarifabschlüsse 1:1 umsetzen wollen. 2003 werden wir nicht vergessen. Das war ein ganz schlechtes Beispiel für Glaubwürdigkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)