einem von der Landesregierung verhängten Tabu, diskutiert offen die Schulstrukturfrage und will Haupt- und Realschulen abschaffen. Minister Pinkwart verweist darauf, die FDP wolle die „Verantwortung vor Ort stärken und alle am Schulleben Beteiligten in den Regionen Entscheidungsfreiheit zurückgeben.“ Damit wird das aktuelle Regierungsprogramm von CDU und FDP zur Farce, zumal die Landesregierung mit der Einschränkung der Möglichkeiten für die Kommunen, Schulen in Verbünden zusammenzuführen, mit dem schwarz-gelben Schulgesetz beschnitten und damit die Entscheidungsfreiheit vor Ort drastisch eingeschränkt hat.
Nach Aussage von Minister Pinkwart soll die Regionale Mittelschule erst in der nächsten Legislaturperiode eingeführt werden. Unklar ist, aus welchem Grund die Lösung eines offensichtlichen, von der FDP zu Recht erkannten Problems mit dem gegliederten Schulsystem erst in der nächsten Legislaturperiode angegangen werden soll.
Herzlichen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Löhrmann! Das Festhalten der Landesregierung an der Struktur des Bildungssystems in Nordrhein-Westfalen wird grundsätzlich nicht dadurch infrage gestellt, dass der Koalitionspartner FDP über Veränderungen in der nächsten Legislaturperiode diskutiert. In einer funktionierenden Demokratie gibt es keine Tabuthemen. Innerparteiliche Diskussionen sind keineswegs mit Regierungshandeln zu verwechseln.
Das Schulgesetz hält Antworten auf die demografische Entwicklung bereit: die Bildung von Grundschulverbünden, den Erhalt einzügiger Hauptschulen im ländlichen Raum, die Bildung von gemeindeübergreifenden Schulzweckverbänden und die Erweiterung des bestehenden Schulangebots durch organisatorische Zusammenschlüsse von Schulen. Das alles sind Gestaltungsmöglichkeiten, die mit dafür sorgen werden, dass den Schülerinnen und Schülern in Nordrhein-Westfalen auch in Zukunft ein differenziertes, begabungsgerechtes und wohnortnahes Schulangebot gemacht werden kann.
keit der Kommunen. Die eigenverantwortliche Schule entwickelt nach dem Schulgesetz ihr eigenes pädagogisches Profil und gestaltet den Unterricht und das Schulleben unter Berücksichtigung ihres lokalen und regionalen Umfeldes weitgehend selbstständig. Sie selbst legt die Ziele der innerschulischen Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung fest und entscheidet, wie die grundlegenden gesetzlichen Vorgaben erfüllt und umgesetzt werden.
Die regionalen Bildungsnetzwerke, die wir in jedem Kreis und in jeder kreisfreien Stadt anstreben, sollen ermöglichen, alle an Bildung in Nordrhein-Westfalen beteiligten Parteien einzubeziehen. Gegenüber dem früheren Recht sieht das Schulgesetz eine sehr weitgehende Beteiligung der Lehrerschaft, der Eltern sowie der Schülerinnen und Schüler bei der Bestellung der Schulleiterin oder des Schulleiters vor.
Sehr geehrte Frau Löhrmann, Ihre Frage, warum die Landesregierung regionale Schulentwicklung blockiere, lässt sich zusammenfassend folgendermaßen beantworten: Die Landesregierung blockiert keine Entwicklung von Schule. Über guten Unterricht fördert sie die Schülerinnen und Schüler stärkenorientiert – und zwar alle, sowohl die begabten als auch diejenigen, die es schwerer haben.
Angesichts der großen Herausforderungen kommt es bei unserem Bildungssystem nicht darauf an, die Schulstrukturen unseres Landes grundlegend umzuwerfen. Es kommt darauf an, Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern und Jugendlichen berufliche Perspektiven zu geben. Es kommt auf guten Unterricht an und darauf, dass er stattfindet.
Der Landesregierung ist wichtig, dass jeder junge Mensch in Nordrhein-Westfalen eine Chance bekommt. Nicht erst seit gestern wissen Sie, dass es uns damit ernst ist. An dieser Stelle darf ich meinen Kollegen, Minister Pinkwart, zitieren: Diese Landesregierung schafft erstmals wieder vernünftige Bedingungen für das Lernen. – Vielen Dank.
Frau Ministerin, herzlichen Dank für Ihre Antwort. In Ihren politischen Entscheidungen sind Sie auch an das Landeshaushaltsrecht gebunden, das effizienten Mitteleinsatz vorschreibt. Für Hauptschulen oder die Steuerung des so vielgliedrigen Schulsystems
geben Sie mehr aus, als eigentlich nötig wäre; das hat der kleinere Koalitionspartner offenbar erkannt.
Erscheint dieses Vorgehen vor dem Hintergrund der Forderung nach effizientem Mitteleinsatz aus Ihrer Sicht geboten?
Frau Löhrmann, ich glaube, wir sind einer Meinung, dass jeder Cent, den wir für Kinder und Jugendliche einsetzen, in jedem Fall effizient ist.
Sehr geehrte Frau Ministerin, die Waldorfschulen tun es, die Gesamtschulen tun es; die Waldorfschulen und auch die Gesamtschulen lassen Kinder mit unterschiedlichen Schulformempfehlungen gemeinsam lernen. Meine Frage richtet sich auch an Herrn Minister Pinkwart, der als Protagonist der regionalen Mittelschule sehen muss, dass in dieser Schulform auch in anderen Bundesländern Kinder mit unterschiedlichen Übergangsempfehlungen gemeinsam lernen: Wie würden Sie die Aussage bewerten, dass das gemeinsame Lernen von Kindern mit unterschiedlichen Schulformempfehlungen ein Verbrechen an Kindern ist?
Vor wenigen Tagen haben wir von einer Untersuchung – ich glaube, sie ist noch nicht ganz veröffentlicht – eines renommierten Professors aus Berlin gehört. Er beantwortet eine Frage, die uns immer wieder gestellt wird: Ist es richtig, die Kinder länger, nämlich sechs Jahre lang, im Grundschulverbund zusammen zu lassen? Die Studie sagt dazu – hierfür haben wir ein erstes Ergebnis –: Gerade für Kinder, die schneller lernen und die begabter sind, ist eine Zusammenlegung über sechs Jahre schwierig.
Ich glaube, es kommt zunächst einmal darauf an – das ist das Credo, das ich weitergeben möchte; das wollte ich auch eben in meiner kurzen Rede
sagen –, dass es guten Unterricht gibt, dass der Unterricht stattfindet und nicht ausfällt. Darauf konzentrieren wir uns.
Frau Ministerin, Sie haben eben darauf hingewiesen, dass das Schulgesetz regionale Möglichkeiten vorsehe, die aber vielen Gemeinden, wie das Internetportal „Der Westen“ am 13. April 2008 beschrieben hat, nicht ausreichten. Kleinstädte wie Ascheberg im Münsterland oder Schalksmühle im Sauerland sähen in der Gemeinschaftsschule eine Chance, die es in Schleswig-Holstein gibt. –
Warum verwehren Sie, obwohl es dafür keine parlamentarische Mehrheit mehr gibt, diesen Kommunen eine Entwicklung inklusive der von Ihnen sonst so hochgelobten gymnasialen Bildung?
Sehr geehrte Frau Löhrmann, wir glauben, dass die Möglichkeiten, die das Schulgesetz jetzt bietet – wir haben bereits eine Reihe von Beispielen hierzu im Land –, ausreichen, um die Bedürfnisse der Gemeinden zu befriedigen.
Frau Ministerin, wie gesagt: Die FDP hat die Debatte um die Schulstruktur in die Koalition hineingetragen. In der Zeitung war am 10. April nachzulesen, dass Ihr Kollege, Herr Pinkwart, ausgeführt hat, es sei vernünftig, nach 2010 eine regionale Mittelschule oder eine differenzierte Regionalschule mit einem berufsgymnasialen Zweig anzubieten.
Haben Sie mit Ihrem Kollegen darüber gesprochen? Und worin besteht der Unterschied zwischen diesen beiden Systemen?
Ich glaube, Frau Schäfer, es wäre überschätzt, wenn wir sagten, es gäbe eine Debatte über Schulstruktur im Kabinett oder sonst wo.
Sie wissen, dass ich immer hinhöre, wenn jemand etwas sagt. Ich höre immer hin – das meine ich sehr ernst –, wenn aus Oppositionskreisen Anregungen zur Verbesserung von Qualität in Schulen geäußert werden. Ob ich mir diese Meinung aber zu eigen mache, ist eine ganz andere Frage. Aber das schadet einer Debatte überhaupt nicht.
Wir haben eine Festlegung durch den Koalitionsvertrag, den Herr Pinkwart sicherlich – wir haben darüber gesprochen – einhalten wird. Viel zu früh ist es, über die Ausgestaltung, die vielleicht irgendwann einmal möglich wird, zu debattieren.
Sie wissen selbst: In anderen Bundesländern existieren verschiedene Modelle der schulischen Bildung mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Ich habe deswegen nachgefragt: Sie heißen manchmal Regionalschulen, beinhalten aber etwas ganz anderes.
Ich glaube, dass sich noch niemand zum jetzigen Zeitpunkt über Ausformung einer möglichen anderen Schulform Gedanken machen sollte. Denn das steht einfach nicht zur Debatte.
Frau Ministerin, ich darf Sie darauf hinweisen, dass in den beiden letzten Jahren, in denen der Deutsche Schulpreis vergeben worden ist, gerade die Gesamtschulen zu den herausragenden Preisträgern gehörten. Es ist sehr schwergefallen, andere Schulformen zu finden, die auch in dieser Kategorie aufgetaucht sind.
Darf ich deshalb noch einmal an Sie, Frau Ministerin, und an Herrn Minister Pinkwart die Frage richten: Ist das gemeinsame Lernen ein Verbrechen an Kindern?
Frau Beer, wir sind es gewohnt – das stumpft leider etwas ab –, wenn man von Chaos oder von Verbrechen spricht.
Ich würde diese Vokabeln im Zusammenhang mit Kindern nicht gebrauchen. Wir haben – diese Verantwortung nehmen wir in der Landesregierung sehr ernst – Verantwortung für fast drei Millionen Kinder und Jugendliche. Ich möchte in diesem
Sie haben bewusst gesagt: Da gibt es Gesamtschulen; die sind gut. – Das finde ich in Ordnung. Wir haben aber auch die beste Hauptschule und die beste Grundschule Deutschlands in unserem Land. Man darf nicht vergessen, dass Schulen anderer Schulformen – abgesehen von den Gesamtschulen – existieren, die sehr gute Arbeit im Sinne der Individualität machen.