(Dr. Jens Petersen [CDU]: Unwissen hat ein Gesicht! – Gegenruf von Carina Gödecke [SPD]: Die letzte Reihe meldet sich! – Hend- rik Wüst [CDU]: Unsere letzte Reihe ist im- mer noch besser als Ihre erste!)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Turbo-Abitur, Herr Wüst, bewegt die Menschen so sehr, dass sich sogar Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin in die öffentliche Diskussion eingeschaltet haben. Es wurde über eine mögliche Reduzierung der zur Erreichung des Abiturs notwendigen Wochenstunden laut nachgedacht.
Am 6. März 2008 hat dann die Kultusministerkonferenz den Beschluss „Möglichkeiten der Flexibilisierung beim Abitur nach zwölf Jahren“ gefasst. Ich zitiere aus dem Beschluss:
„Eine Reduktion der Debatte auf formale Stundenumfänge löst nicht die Probleme von G 8, sondern kann sie verstärken, da das Verhältnis von Inhalt und Zeit weiter verschärft würde.“
Das ist richtig. Wir dürfen nicht nur die Unterrichtszeit in den Blick nehmen, die zur Erreichung des Abiturs notwendig ist. Vielmehr gilt es, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit das Abitur nach zwölf Jahren gelingen kann.
Allerdings darf man den Stundenumfang auch nicht aus der Debatte ausblenden. Wie lauten also die Vorgaben der KMK? – Notwendig sind mindestens 260 Wochenstunden, die im Lehrplan fachgebunden ausgewiesen sein müssen. Hinzu kommen fünf Wochenstunden Wahlunterricht. Insgesamt gilt es also, 265 Wochenstunden von der fünften Klasse an über die einzelnen Schuljahre bis zum Abitur zu verteilen. Und hier genau, also bei der Verteilung, beginnen die Probleme, die uns Schwarz-Gelb mit der Einführung von „G8“ in Nordrhein-Westfalen eingebrockt hat.
Die Landesregierung hat ein komplettes Schuljahr ausschließlich in der Sekundarstufe I gestrichen, und das führt zu einer massiven Unterrichtsbelastung bei den Kleinen in den Klassen 5, 6 und 7. Da sind die Nöte besonders groß.
Lassen Sie uns jetzt einmal zu den Rahmenbedingungen kommen. Extrem bitter stößt nämlich auf, dass die Schulen, die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrerinnen und Lehrer mit den Folgen dieses Turbo-Abiturs alleingelassen werden. Eine erste hilflose Reaktion der Landesregierung war es, plötzlich den Samstag wieder generell als Schulalltag einzuführen.
Der zweite Versuch war etwas tauglicher. Laut einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 9. Februar 2008 hat der Staatssekretär mit der Landeselternschaft der Gymnasien, der Rheinischen Direktorenvereinigung, der Westfälisch-Lippischen Direktorenvereinigung und dem Philologen-Verband eine Reihe konkreter Absprachen bezüglich der Umsetzung der Schulzeitverkürzung in Nordrhein-Westfalen getroffen.
Ich frage mich nur: Welche Verbindlichkeiten hat diese Absprache denn? Genauso frage ich mich: Wie kommunizieren Sie diese Absprache eigentlich in unsere Schulen in Nordrhein-Westfalen hinein? Sind die Regelungen verbindlich? Handelt es sich dabei um Empfehlungen? Gibt es neben dem, was im Bildungsportal der Landesregierung steht, noch andere Informationen für die Schulen? – Sie regieren anscheinend neuerdings über das Bildungspor
Die dritte Reaktion war der Hinweis auf die Verschlankung der Lehrpläne. Sicher ist es richtig, hier über die notwendige Stofffülle nachzudenken, exemplarisches Lernen in den Mittelpunkt zu stellen und kompetenzbasierte Curricula zu thematisieren. So, wie Sie es hier praktiziert und kommuniziert haben, kam allerdings sehr schnell der Verdacht auf, dass hektisch, aber sehr hektisch nach Billiglösungen gesucht wurde. Meine Kollegin Frau Beer hat das eben noch untermauert.
Das eigentliche Problem hat diese Landesregierung entweder verschlafen oder fahrlässig ignoriert. Wer zwölf statt 13 Schuljahre auf dem Weg zum Abitur will, der muss Ganztag statt Halbtag ermöglichen.
Das deutliche Signal, dass Eltern ihre Kinder jetzt vermehrt an Gesamtschulen anmelden, um ihnen den zeitlichen Druck an einem Gymnasium zu ersparen, ignoriert diese Landesregierung einfach. Der Elternwille wird hier in Nordrhein-Westfalen missachtet.
Anstatt sich wegzuducken, muss diese Landesregierung – ich bin auf den Vortrag gespannt, den wir gleich hören werden – unverzüglich darlegen, wie die Probleme mit dem „G8“ in NordrheinWestfalen gelöst werden. Das nächste Chaos steht nämlich kurz bevor.
Was plant diese Landesregierung eigentlich mit der großartig angekündigten Reform der Oberstufe? Aufgrund der von Schwarz-Gelb vorgenommenen Änderungen herrschen in den Gymnasien in Nordrhein-Westfalen zurzeit Chaos und blanke Verunsicherung über das, was in der Oberstufe passiert. Nach dem Turbo-Abi kann man jetzt vermuten, dass als Nächstes der Turbolader für diese Oberstufe kommt.
Angekündigt haben Sie nämlich vier Leistungsfächer und ein Profilfach zum Abitur mit je vier Stunden wöchentlich, also insgesamt fünf Fächer auf erhöhtem Leistungsniveau bis zum Abitur. Dabei sind Deutsch, Mathematik, eine Naturwissenschaft und eine Fremdsprache für alle Schülerinnen und Schüler verbindlich vorgeschrieben. Derzeit gibt es bei uns zwei Leistungskurse mit jeweils fünf Stunden und zwei Grundkurse mit jeweils drei Stunden, die im Abitur geprüft werden. Ich wiederhole: Ihr Modell sieht für die Oberstufe
fünf Fächer vor, wohlgemerkt auf verdichtetem Leistungsniveau, aber mit jeweils nur vier Stunden Unterricht. – Das ist ein Problem für die Schulen. Dies wird zu einer erneuten Verdichtung führen.
Das jetzt schon vorhandene Chaos hat Frau Beer bereits angesprochen. Die Eltern der derzeitigen Siebtklässler bekommen überhaupt keine verlässliche Information über die notwendige Wahl der weiteren Fremdsprache im achten und im neunten Schuljahr. Ich will es einmal an einem Beispiel deutlich machen. Kann man denn beispielsweise Spanisch erst in Klasse 10 wählen, wenn man es als Abiturfach haben will? Oder muss man es bereits jetzt in der Sekundarstufe I belegen, um die Zulassung als Abiturfach zu bekommen? – Das wollen die Eltern jetzt wissen. Die Lehrer und Lehrerinnen können ihnen das aber nicht sagen, weil sie überhaupt noch nicht wissen, was Sie im Rahmen der Reform der gymnasialen Oberstufe planen.
So eine dilettantische Arbeit und so eine Unsicherheit an Schulen hat es wirklich noch nie – noch nie! – vorher gegeben.
Sie steuern mit der Reform der Oberstufe bildungspolitisch in die nächste Katastrophe an unseren Schulen hinein; denn den Zeitplan haben Sie schon völlig verpasst. Längst hätte diese Reform in der Verbändebeteiligung sein müssen. Sie ist noch nirgendwo zu sehen. Man kann nur Ihre Äußerungen über das nachlesen, was Sie denn vorhaben. Wann, bitte schön, kommt diese Reform der gymnasialen Oberstufe, damit an unseren Schulen endlich Sicherheit einkehrt?
Das nächste Experiment auf dem Rücken unserer Kinder naht, und zwar mit Riesenschritten. Wir als SPD-Fraktion erwarten eine klare Aussage zur Reform der gymnasialen Oberstufe, damit unsere Schulen handlungs- und unsere Lehrerinnen und Lehrer sprachfähig werden und die Eltern nicht weiter verunsichert sind.
Wenn Sie mich fragen, kann ich Ihnen allerdings nur empfehlen: Packen Sie Ihre Reformpläne in der Art, wie Sie diese Reform vorhaben, schnell ein! Sonst geht das, was Sie in der Sekundarstufe I angerichtet haben, in der Oberstufe nahtlos weiter. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einmal feststellen, dass die Einführung der verkürzten Schulzeit noch unter rotgrüner Verantwortung durchgeführt wurde – um das hier auch einmal ganz klar zu sagen.
(Widerspruch von SPD und GRÜNEN – Syl- via Löhrmann [GRÜNE]: Wie schlecht muss es Ihnen eigentlich gehen?)
Lassen Sie mich auch feststellen, dass schon damals häufig Nachmittagsunterricht – Arbeitsgemeinschaften usw. – stattgefunden hat. Wo waren denn da Ihre Rahmenbedingungen, Frau Schäfer? Null! Sie haben unter Ihrer Verantwortung null Voraussetzungen geschaffen.
Ich erinnere an Ihren Eiertanz, den Sie in Sachen „Einführung der Schulzeitverkürzung“ veranstaltet haben, als das europaweit und in fast allen Bundesländern längst eingeführt wurde.
Frau Schäfer, ich darf auch an das erinnern, was Sie im Februar 2001 im Schulausschuss gesagt haben. Damals hieß es, dass die SPD-Fraktion die generelle Verkürzung auf acht Jahre bis zum Abitur ablehnt.
„Das Abitur nach zwölf Schuljahren wird der Regelfall. Voraussetzung dafür ist mehr Unterrichtszeit und mehr Förderung in den Klassen 5 bis 10.“