Protocol of the Session on January 24, 2008

Die Antragstellerinnen haben direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen also gleich zur Abstimmung.

Erstens stimmen wir über den Inhalt des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/6003 ab. Wer ist für diesen Antrag? – Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktionslose Sagel. Wer ist dagegen? – FDP und CDU. Wer enthält sich? – Die SPD-Fraktion. Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen der Mehrheit abgelehnt.

Zweitens kommen wir zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags der Fraktion der SPD Drucksache 14/6005. Wer ist für diesen Antrag? – SPD, Grüne und der Fraktionslose Sagel. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist auch dieser Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Ich bedanke mich für die Beratung des Tagesordnungspunktes 2.

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, muss ich eine Rüge aussprechen. Sie betrifft den Kollegen Hegemann von der Fraktion der CDU. Er ist bei seiner Rede in der gestrigen Plenarsitzung auf einen Zwischenruf eingegangen und hat dabei einen Vergleich aus dem Tierreich gezogen, der absolut unparlamentarisch und daher zu rügen ist. Den Vergleich selbst erspare ich Ihnen und uns heute.

Wir kommen nun zu:

3 Empfehlungen der Werthebach-Kommission umsetzen – Gewalt in Justizvollzugsanstalten bekämpfen!

Antrag

der Fraktion der SPD

Drucksache 14/5775

Erlauben Sie mir bitte einige Hinweise, bevor ich dem ersten Redner das Wort erteile.

Im Vorfeld sind Bedenken geäußert worden, ob eine Plenardebatte zu diesem Thema zulässig ist, wenn sich gleichzeitig der Parlamentarische Untersuchungsausschuss mit den tatsächlichen Verhältnissen im nordrhein-westfälischen Jugendstrafvollzug und Jugenduntersuchungshaftvollzug beschäftigt. Wir alle haben diesen Ausschuss eingesetzt und ihm einen Auftrag erteilt. Ob und inwieweit dieser Auftrag gegenüber dem Plenum Sperrwirkung entfaltet, ist bisher weitgehend ungeklärt.

Sperrwirkung kann aber, wenn überhaupt, nur dann eintreten, wenn sich der Antrag, der jetzt behandelt werden soll, mit dem Auftrag des Untersuchungsausschusses zumindest überschneidet. Soweit sich die Rednerinnen und Redner also jetzt dem Antrag entsprechend ausschließlich mit der Umsetzung der Ergebnisse der WerthebachKommission und deren Stand befassen, kann ich keinen Grund für eine Sperrwirkung erkennen.

Gleichwohl betrachte ich es hier als meine Aufgabe, an alle Rednerinnen und Redner zu appellieren, bei der Teilnahme an der Diskussion die notwendige Zurückhaltung zu üben und vorgezogene Beweiswürdigungen zu unterlassen. Dieser Hinweis erfolgt vor allem vor dem Hintergrund, dass der Untersuchungsausschuss seine Beweiserhebung noch nicht abgeschlossen hat. Eine vorgezogene Beweiswürdigung würde nach meinem Empfinden dem Gebot rechtsstaatlicher Fairness widersprechen. Für Mitglieder des Untersuchungsausschusses ist dieses Verbot ausdrücklich im Untersuchungsausschussgesetz geregelt.

Ich danke Ihnen dafür, dass Sie das so zur Kenntnis nehmen, eröffne die Beratung und rufe als ersten Redner für die antragstellende Fraktion der SPD Herrn Kollegen Sichau hier ans Pult. Bitte schön, Herr Sichau.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht um die WerthebachKommission. Wie schon im Rechtsausschuss danke ich auch hier für den Bericht, Frau Ministerin. Er zieht aus unserer Sicht wichtige Folgerungen nach sich, die wir in unseren Antrag aufgenommen haben.

Über die Wissenschaftlichkeit dieser Kommission kann bekanntlich gestritten werden. Trotz des wichtigen Wertes dieses Berichts entspricht dieser für unsere Begriffe keineswegs wissenschaftlichen Anforderungen, was seine Bedeutung allerdings nicht mindert. Beispielsweise das gesetzliche Trennungsgebot wäre hinsichtlich Abweichungen insgesamt wissenschaftlich zu überprüfen.

Wir konzentrieren uns in unserem Antrag auf fünf Vorschläge.

Erstens. Werthebach fordert sachgerecht eine Stärkung des offenen Vollzuges, insbesondere für Kurzstrafige. Das würde den geschlossenen Vollzug entlasten und die gesetzlich vorgegebene Einzelunterbringung auch in der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen-Feldmark in ihrer normativen Bedeutung berücksichtigen.

Zweitens. Durch die Einführung beispielsweise eines Zweischichtbetriebes von jeweils 18 Wochenstunden kann die Beschäftigung im Strafvollzug erhöht und eine bessere Tagesstrukturierung erreicht werden. Hier wären entsprechende Modellvorhaben vonnöten.

Drittens geht es uns um wichtige Ausweitungen des sozialen Trainings sowie des Antigewalttrainings. Es müssen mittelfristig mehr als zwei Trainings für je neun Gefangene pro Jahr angesichts der vorhandenen Gefangenenzahl eingerichtet werden. Keine Gewalt, deutlich hinschauen – dieses Prinzip der Drogenhilfe muss auch im Strafvollzug deutlicher wahrnehmbar und offensiver vertreten werden.

(Beifall von der SPD)

Der Begriff „Besonderes Vorkommnis: Gewalt im Vollzug“ ist zu präzisieren, damit er weitgehend einheitlich angewandt und kommuniziert werden kann. Auch hier treten wir dem Vorschlag von Herrn Werthebach bei und erwarten eine kurzfristige Umsetzung.

Noch etwas zum Ausbau der Sozialtherapie: Beim Ersatzbau der Sozialtherapie Gelsenkirchen im Gelsenkirchener Süden können Sie das mit einer sachgerecht erhöhten Platzzahl von ungefähr 250 Gefangenen in einer solitären Sozialtherapie umsetzen.

Viertens. Wir haben oft über eine angemessene Personalausstattung im Strafvollzug debattiert, und das auch in Zeiten dramatisch einbrechender Steuereinnahmen, die Sie ja immer wieder verschweigen nach dem Motto: Sie haben ja nur gekürzt! – Das war die andere Seite. Seit 2006 gibt es Gott sei Dank deutlich andere Zahlen und damit andere Zeiten.

Wir können uns auch aus Transparenzgründen dem Vorschlag von Werthebach nur deutlich anschließen, im Vollzug ein mathematischanalytisches Personalbedarfsberechnungssystem einzuführen. Werden Sie hier bitte tätig, Frau Ministerin! Auch der Strafvollzug hat ein PebbsyÄquivalent wie bei Staatsanwaltschaft und Gerichtsbarkeit verdient. Stellen Sie ihn diesbezüglich in nächster Zeit auch tatsächlich gleich.

Fünftens geht es um die Prüfung eines Vollstreckungsstopps für Ersatzfreiheitsstrafen, wohlgemerkt für Menschen, die ihre Geldstrafen nicht bezahlen können, die also eigentlich nicht in den Strafvollzug gehören. Hier muss alsbald die Förderung der Fachstellen für gemeinnützige Arbeit ausgeweitet werden. Solche Menschen sollen gemeinnützig für die Gesellschaft tätig werden, statt den Belegungsdruck im Vollzug erhöhen und weitere Kosten zu verursachen.

(Beifall von der SPD)

Im Rechtsausschuss werden wir das Ganze vertieft mit dem Ziel der Verwirklichung diskutieren. Wir nehmen Sie beim Wort, Werthebach entsprechend zu beachten, Frau Ministerin.

Abschließend noch etwas zu Herrn Werthebach selber, der ja immer wieder sagt, er habe früher Menschen hinter Schloss und Riegel gebracht. Er hat aber auch gesagt, er habe sich gewundert, wie es dort aussieht. Es ist natürlich immer wichtig, die Folgen eigenen Handelns zu betrachten. Und das gilt auch hier, indem wir den Strafvollzug entsprechend weiterentwickeln. – Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Sichau. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Giebels.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns einig, dass die Arbeit der Werthebach-Kommission und deren Bericht zu den Sachverhalten gehören, die vom Untersuchungsauftrag des aktuellen PUA umfasst sind. Auch der Einwand, der Untersuchungsauftrag des PUA betreffe nur die Verhältnisse im Jugendstrafvollzug des Landes in der Zeit bis maximal zum Einsetzungsbeschluss, man könne also über den Strafvollzug gegen Erwachsene durchaus beraten, greift nach unserer Auffassung hier nicht.

Die Arbeit der Kommission, der Auftrag, der ihr erteilt worden ist, das Zustandekommen des Berichts, die Fragen, ob die Kommission für ihre Aufgabe ausreichend ausgestattet war, ob die Mitglieder der Kommission für die gestellte Aufgabe geeignet waren, auf welche Tatsachengrundlage sie ihre Feststellungen getroffen hat und wie die Kommission zu ihren Empfehlungen gekommen ist, lassen sich nur einheitlich beurteilen. Weder die Mitglieder der Kommission als Zeugen und Sachverständige noch der Bericht als eigenes Beweismittel lassen sich teilen. Jede Bewertung der Empfehlungen der Werthebach-Kommission – sei es auch nur zum Erwachsenenstrafvollzug – würdigt eben auch die Beweismittel im Ganzen und damit auch zu dem Teil, der den Jugendstrafvollzug betrifft.

(Thomas Stotko [SPD]: Was ist das für eine Rede? Ich denke, das soll nicht Thema sein!)

Sie teilen den Bericht hier auf, und das, obwohl Sie an anderer Stelle den ganzen Bericht und die Qualität des Gutachtens infrage stellen. Da dürfen Sie sich schon fragen lassen, ob das nicht eine merkwürdige Doppelstrategie ist, die Sie hier fahren.

(Ralf Jäger [SPD]: Beachten Sie, was der Präsident gesagt hat!)

Ja, aber Sie müssen sich dann auch daran halten.

Im Untersuchungsausschuss wurde nach dem Auftrag der Kommission, nach zeitlichen Vorgaben, nach finanzieller Ausstattung, nach der Zusammensetzung gefragt und danach, wie und mit welchem Arbeitsaufwand die Empfehlungen zustande gekommen sind. Sie greifen nun einzelne Empfehlungen des Gutachtens auf. Wir meinen, dass das so nicht teilbar ist.

Der vorliegende Antrag, meinen wir, kann jedenfalls nicht ohne Bezugnahme auf die Werthaltigkeit des Berichtes insgesamt und seine Empfehlung debattiert werden. Unabhängig davon stellt

schon der Antrag für sich zwingend den Zusammenhang zu dem Untersuchungsauftrag des PUA her. Es wird auf den Mord in der JVA Siegburg ebenso ausdrücklich Bezug genommen wie auf die danach ergriffenen Maßnahmen der Landesregierung. Das aber sind alles Sachverhalte, die in den PUA gehören und deshalb hier nicht debattiert werden dürfen.

Herr Kollege Giebels, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Sichau?

Aber bitte.

Bitte schön, Herr Kollege Sichau.

Schönen Dank. – Herr Kollege Giebels, dürfen wir das jetzt als Gegenvotum zu dem vorhin verlesenen Votum des Präsidiums bezüglich unserer Diskussion verstehen?

(Thomas Stotko [SPD]: Unglaublich!)

Ist das ein Gegengutachten, oder wie soll man das hier verstehen?

Wir hoffen, dass Sie die Worte des Präsidenten auch wirklich ernst nehmen.

(Thomas Stotko [SPD]: Sie tun es doch nicht! Das ist doch wohl ein Witz!)

Wenn man mal zählt, wie viele Wertungen Sie in Ihren Antrag hineingenommen haben,

(Frank Sichau [SPD]: Erwachsenenstrafvoll- zug!)