Wir gehören nicht zu denen, die diesen Standort schlechtreden. Nein, das tun wir nicht. Das war Ihre Rolle im letzten Wahlkampf; daran kann ich mich noch verdammt gut erinnern, Frau Ministerin. Sie haben dieses Land nachhaltig schlechtgeredet.
Wir wissen, dass am Standort Bochum und an den anderen Standorten viel Gutes entwickelt wird, dass es dort vorangehen kann. Aber mit Ihrer Konzeption der Verteilung der EU-Fördermittel in einem Wettbewerb, der über das ganze Land
verteilt wird, werden Sie diese Ziele nicht erreichen können. Das ist das Problem, das wir faktisch vor uns sehen.
Keine Konzepte für BenQ, keine Konzepte für Kohlerückzug und wahrscheinlich auch keine wirklichen Konzepte für Nokia – wir warten ab. Ein Plan für die Wirtschaftspolitik, eine Vorstellung von der Zukunft des Landes – wir können nichts entdecken. Da muss sich etwas ändern, Frau Ministerin.
Kommen wir zu Nokia! Nokia ist eine neue Dimension einer Wirtschaftsentscheidung von einer Härte, die wir bisher in diesem Land nicht gekannt haben. Ein Standort, der Gewinne macht, wird von heute auf morgen zugemacht – eiskalt und offensichtlich ohne jede Bewegung.
Dieses Vorgehen dürfen wir alle nicht dulden, und es darf nicht Gegenstand von parteipolitischen Auseinandersetzungen sein. Wir haben es auch nicht dazu gemacht. Vielmehr ist es richtig und wichtig, dass wir alle an der Seite der Beschäftigten in Bochum stehen, nicht nur an der Seite derjenigen, die in der Produktion arbeiten, sondern auch derjenigen, die in Forschung und Entwicklung tätig waren und leider mitbetroffen sind.
Ich glaube, heute ist der richtige Zeitpunkt, noch mal deutlich zu sagen: Dieses Unternehmen muss sich im Klaren darüber sein, was hier gerade passiert. Sie unterschätzen wohl die Wirkung in der Bevölkerung, die Wirkung in unserer Gesellschaft. Für die Menschen ist das Maß voll. Das Fass ist übergelaufen. So eine marktradikale Vorgehensweise wird in diesem Land nicht geduldet.
Die gestrige Demonstration hat das gezeigt. Mehr als 20.000 Einträge auf unserer Internetseite zeigen das. Die Menschen wollen so etwas nicht. Sie wollen eine soziale Marktwirtschaft und keine radikale Marktwirtschaft.
Hier ist schon der Raum, auch für die Beschäftigten eine Botschaft zu senden, Herr Minister. Es geht nicht um neue Erkenntnisse, es geht um Solidarität, auch in einer solchen Aktuellen Stunde hier im Haus.
Aber ebenfalls wichtig ist, dass diese Solidarität nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft ist und wir nachhaltig an der Seite der Beschäftigten stehen.
BenQ ist da ein mahnendes Beispiel – ich sage das noch mal –: Nach anfänglicher verbaler Solidarität sind konkrete Taten, aktive Hilfen ausgeblieben. Das ist in der Region nachhaltig bemerkt worden, und aus dieser Nummer kommen Sie auch nicht raus.
Es reicht für eine Landesregierung nicht, Solidaritätsadressen auszusprechen. Vor Ort wird ein Plan, eine Strategie zum Umgang erwartet. Die Prüfung von Rückzahlungsansprüchen ist richtig und wichtig. Davon wird sich Nokia aber nicht beeindrucken lassen, wenn man auf die Bilanzzahlen schaut. Wie wollen Sie diesen Druck aufbauen? Dazu habe ich heute wenig gehört.
Der zweite Punkt, der im Zusammenhang mit Nokia diskutiert wird, ist die Frage der Subventionen. Ich sage auch in diesem Raum – das ist für Sie nichts Neues –: Subventionen sind nicht generell des Teufels. Wir stehen dazu, dass wir dieses Werk hierhergeholt haben. Das waren wichtige Arbeitsplätze in der Region, und es war gut, dass wir gerade Un- und Angelernte dort in Beschäftigung bringen konnten.
Eines bitte ich ebenfalls zu berücksichtigen: Strukturschwächere Gebiete – dort, wo Strukturwandel zuschlägt – brauchen eine aktive Unterstützung. Das hat gestern sogar Bundeskanzlerin Merkel in den Interviews gesagt. Vielleicht sollten Sie mit der mal Rücksprache nehmen. Diese Region kann man nicht alleine lassen.
An den Subventionen für Nokia – auch das dürfen Sie bitte nicht vergessen – waren CDU und FDP, Herr Kollege Papke, im Bund genauso mitbeteiligt wie SPD und Grüne in NRW. Diese Hilfe war richtig, und sie war zielführend. Sie sollten dazu stehen, statt jetzt eine theoretische Debatte darüber zu führen, um von Ihrer Konzeptionslosigkeit abzulenken. Das ist doch die Absicht, die dahintersteht.
Sie haben Ende letzten Jahres diese Bank zur Chefsache erklärt. Dann hätten Sie heute den Mumm haben können, hier auch den Kopf dafür hinzuhalten. Das kann man von einem Regierungschef in Nordrhein-Westfalen erwarten!
Die WestLB ist immer mehr ins Rutschen geraten. Immer wieder haben wir Sie auf die Risiken der Bank für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für den Bankenplatz NRW mit Düsseldorf und Münster hingewiesen.
Immer wieder haben Sie das als Stimmungsmache und Schwarzmalerei der SPD abgetan. Und wir waren sehr zurückhaltend, weil wir wissen, dass es darum geht, dass man diese Bank nicht kaputt redet. Wir als Opposition haben sehr verantwortungsvoll in den letzten Monaten kommuniziert.
Für uns ist und bleibt wichtig, dass diese Bank als starke Bank in Nordrhein-Westfalen bleibt. Doch die Sprache der Zahlen ist eine andere. Die Wahrheit ist: Im Herbst war es laut Minister Linssen noch ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag, über den wir damals reden sollten. Jetzt liegt der Konsolidierungsbedarf schon bei ca. 2 Milliarden €. Wenn ich heute in den Zeitungen lese, dass der Vorsitzende des Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverbandes jetzt schon sagt, das werde nicht ausreichen, erwartet der Landtag von Nordrhein-Westfalen von Ihnen, dass Sie Daten und Fakten auf den Tisch legen: Schluss mit der Salamitaktik!
Und wir bleiben bei unserem Vorwurf, dass Sie wertvolle Zeit verloren haben. Ja, das ist so! Sie haben wertvolle Zeit verloren mit Ihren politischen Taktierereien. Persönliche Machtspiele mit bzw. gegen Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Oettinger und den Präsidenten des WestfälischLippischen Sparkassen- und Giroverbandes, Herrn Gerlach. Das ist nicht nur unser Urteil, sondern auch das Urteil der Presse. Dazu zitiere ich gern mit Erlaubnis der Präsidentin das „Handelsblatt“ vom 21. Januar 2008:
„Aber für die verlorene Zeit präsentieren die Kapitalmärkte jetzt die Rechnung. Bis zu 2 Milliarden € müssen die Eigentümer in die Bank pumpen …“
Jetzt zeigt sich, wie verantwortungslos Rüttgers’ Vorgehen gewesen ist. Eine vorausschauende Politik hätte darin bestanden, früh nach Lösungen zu suchen.
Das ist die Wahrnehmung da draußen. Sie entspricht natürlich nicht Ihrer eigenen Wahrnehmung, Herr Ministerpräsident.
Schuldhaftes Verzögern nennen so etwas die Juristen, wenn ich richtig informiert bin – als Hobbyjuristin.
Zeit ist verstrichen, die nicht genutzt wurde, um tragfähige Restrukturierungskonzepte für die strauchelnde WestLB zu entwickeln.
Der Vorwurf, Herr Ministerpräsident, den Sie in den Zeitungen in den letzten Tagen verbreiten, dass wir Sie sozusagen zum Betrug, zum Unterschlagen von Zahlen aufgefordert hätten, ist schon ziemlich hanebüchen, Herr Ministerpräsident.
Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung, aber ein bisschen Substanz dabei wäre schon nett gewesen!