Ich möchte mich – ich spreche auch für die Mitglieder der CDU-Fraktion -aus materiellen Fragen der Lohnfindung heraushalten.
Nun zu dem, was im Bundesrat zur Abstimmung steht, Herr Bischoff: Die Große Koalition im Bundestag hat sich im letzten Juni darauf verständigt, in diesem Land keinen flächendeckenden, einheitlichen, gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, sondern tariflichen Mindestlohnvereinbarungen dort zum Durchbruch zu verhelfen, wo es von den Tarifpartnern gewünscht wird. Wir wollen die Tarifpartner stärken, aber nicht ersetzen. Ich meine, das ist der richtige Weg.
Für uns als CDU bleibt es dabei: Wer für tarifliche Mindestlöhne ist, muss ein Interesse daran haben, dass möglichst viele Beteiligte einer Branche in eine freiwillige Verhandlungslösung einbezogen werden. Deswegen ist das Kriterium der 50prozentigen Tarifbindung auch nicht willkürlich.
Wir wissen, dass eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung in einer sozialen Marktwirtschaft ein starker Eingriff in diese Freiheit ist. Deswegen ist es notwendig, dass die Mehrheit der Beteiligten einer Branche eine Vereinbarung schließt.
Diese muss dann zur Not auch für die Minderheit gelten. Es dürfen nicht umgekehrt Minderheiten für Mehrheiten verhandeln.
In diesem Zusammenhang wird immer von Ludwig Erhard gesprochen. Deshalb will ich Ihnen sagen: Dieses Land ist nach dem Zweiten Weltkrieg nicht durch einen Wettbewerb um möglichst niedrige Löhne wirtschaftlich stark geworden,
„Wohlstand für alle“ bedeutet etwas anderes als Mindestlöhne. Wir stehen für Wohlstand für alle und nicht für Billiglöhne, die nicht auskömmlich und daneben auch noch sittenwidrig sind.
Ob ein Lohn allerdings sittenwidrig ist, hängt von der Qualifikation der Beschäftigten sowie vom Umfeld ab. Daher hat sich die Große Koalition – ich meine: zu Recht – auf Grundsätze verständig, die realistisch und vernünftig sind. Wir respektieren in jedem Fall die Entscheidung der Tarifvertragsparteien.
Man mag oftmals unterschiedlicher Auffassung sein; deshalb ist es wichtig, sich ein paar Fakten zum Thema Mindestlohn in Erinnerung zu rufen. Es gab und gibt in Deutschland aus guten Gründen keinen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Daran hat sich interessanterweise keine Regierung in der Vergangenheit versucht. Es gibt das Arbeitnehmerentsendegesetz seit 1996, Frau Steffens, damit tariflichen Mindestlohnvereinbarungen in der Bauwirtschaft der Weg bereitet werden konnte. Daran – das betone ich – war übrigens auch die FDP beteiligt.
In der Großen Koalition wurde eine Erweiterung des Arbeitnehmerentsendegesetzes um die Gebäudereiniger und die Briefdienstleister beschlossen. Das wurde hinsichtlich der gesetzlichen und tariflichen Mindestlöhne in der Geschichte dieses Landes gemacht.
Das heißt im Klartext: CDU, SPD und FDP sind die Parteien, die in Sachen der tariflichen Mindestlöhne in Deutschland etwas bewegt haben. Diese und keine anderen! Ob es Ihnen von Bündnis 90/Die Grünen passt oder nicht.
Herr Kollege, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bischoff?
Wahr ist auch: Sie von Bündnis 90/Die Grünen waren nie dabei. Sie haben viel geredet, getan haben Sie hierbei aber nichts. Nicht eine einzige Branche haben Sie in sieben Jahren rot-grüner Regierung in das Arbeitnehmerentsendegesetz aufgenommen, obwohl es das Gesetz schon seit 1996 gab.
Eine Absicherung der Menschen durch eine Lohnuntergrenze hat es mit Ihnen nicht gegeben; das ist Fakt.
Völlig klar ist, dass wir die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in allen Branchen sorgfältig beobachten werden.
Wir haben heute in Nordrhein-Westfalen 210.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze mehr als zum Ende der rot-grünen Regierung.
Herr Kollege Kleff, entschuldigen Sie, wenn ich Sie noch einmal unterbreche. Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Steffens?
Sind Sie sich darüber im Klaren, wie und nach welchem Verfahren die Aufnahme ins Entsendegesetz funktioniert, dass das nicht einfach eine Entscheidung einer Regierung ist, sondern dass es dafür auch die Entscheidung der Tarifpartner geben muss?
Meine zweite Frage lautet: Sind Sie sich darüber im Klaren, dass genau das, was Sie eben beschrieben haben, beim Postgewerbe passiert ist? Dort gibt es die Tarifvereinbarung. Eine Mehrheit, die diese Tarifvereinbarung beschlossen hat,
Frau Steffens, ich habe eben bereits darauf hingewiesen, dass wir nur dann Übernahme ins Arbeitnehmerentsendegesetz vornehmen, wenn das die Tarifvertragsparteien wollen – nicht von uns aus, sondern mit Zustimmung und Wollen. Dass das in Ihrer siebenjährigen Regierungszeit seit 1996 nicht gewollt war, können Sie mir heute nicht erzählen.
Was das Verhalten der Regierung im Bundesrat angeht, sollten Sie sich bei Herrn Beck und bei Herrn Brüderle erkundigen. Sicher finden Sie dort entsprechende Parallelen zu Vereinbarungen bei unterschiedlichen Meinungen zu Themen der Bundespolitik.
Und noch einmal an die Adresse von Bündnis 90/Die Grünen: Wenn Sie in Ihrer siebenjährigen Mitregierung auch nur einen kleinen Beitrag zur Mindestlohndiskussion gebracht hätten, könnten Sie heute mitreden. So aber müssen Sie sich zurückhalten.