Protocol of the Session on December 7, 2007

Sie bestätigen sich mit diesem Antrag noch einmal Ihre Ideologie, damit Sie bis 2010 durchhalten.

(Lachen von der FDP)

Das ist den Kindern und Jugendlichen gegenüber nicht in Ordnung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie handeln wider alle Vernunft und wider alle eigenen Erkenntnisse.

(Horst Becker [GRÜNE]: So sind sie!)

So wie der Mönch in Brechts „Leben des Galilei“, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. An Brechts kleinem Mönch sollten Sie sich ein Beispiel nehmen. Er vertieft sich nämlich am Ende in die wissenschaftliche Lektüre, die ihm Galilei gegeben hat, und überwindet seine ideologischen Vorbehalte, weil ihn die Faszination des Neuen, die Wahrheit ergreift und er dann nicht mehr davon loslassen kann.

Diese Hoffnung habe ich auch bei Ihnen noch nicht aufgegeben. Herr Solf, Sie haben mir da wieder Mut gemacht. Ich hoffe, dass Sie endlich anfangen, sich gründlich zu informieren, die neuesten Erkenntnisse wahrzunehmen und sich vor allem das konkrete Lernen etwa in Skandinavien oder in unseren Reformschulen anzugucken.

(Beifall von den GRÜNEN)

Mit unserem Entschließungsantrag wie auch mit meinem Brief laden wir Sie ein, sich mit uns gemeinsam auf den Weg zu einer neuen Schule zu machen. Herrn Pinkwart haben wir offenbar schon überzeugt. Er hat sich auch persönlich bei mir für meinen Brief bedankt.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, in unserem Antrag steht kein Wort, das Sie ernsthaft ablehnen könnten – kein einziges Wort! Und wer eine solche Kommission ablehnt, der kann doch von seiner eigenen Position nicht besonders überzeugt sein.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Lassen Sie uns gemeinsam um die beste Schule für NRW ringen – mit Sachargumenten, mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, mit Experten und mit Inaugenscheinnahme. Und dann schauen wir, worauf wir uns gemeinsam verständigen können – für bessere Leistungen von Kindern und Jugendlichen in der Spitze und in der Breite.

Denn bei PISA ist Deutschland nur in einem trauriger Weltmeister: bei der sozialen Ungerechtigkeit. Das wollen wir alle ändern. Das müssen wir auch ändern. Am besten geht das vor Ort in den Kommunen, die ein breites Bildungsangebot für Kinder und Jugendliche bereithalten.

Da steht selbst der Bundespräsident an unserer Seite. Ich hoffe, Sie haben die entsprechende Passage seiner Rede, die wir in unserem Antrag

zitieren, besonders gründlich gelesen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU.

Und verstecken Sie sich nicht hinter irgendwelchen Umfragen; denn deren Ergebnisse hängen ganz massiv von der Art der Fragestellung ab.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich gebe Ihnen gleich eine Übersicht, aus der hervorgeht, dass das Ergebnis genau davon abhängt, wie gefragt wird. Konkret: In Horstmar/Schöppingen wollen 80 % der Eltern die neue Schule. Würde ich nach einer Einheitsschule gefragt, würde ich das auch ablehnen, weil ich keine Einheitsschule will. Das ist doch völlig klar.

(Beifall von den GRÜNEN – Lachen von der FDP)

Dieser Kampfbegriff sagt nämlich nichts über die neue Schule aus, die wir haben wollen. Wir brauchen Schulen der Vielfalt – Schulen, die die Vielfalt der Kinder nutzen und fördern.

Folgen Sie dem Bundespräsidenten! Vernunft statt Ideologie, das ist die Zauberformel für bessere Schulen. Das ist auch die geistige Überschrift über die von uns vorgeschlagene Kommission. Bundespräsident Köhler schließt seine schon angesprochene Rede wie folgt:

„Es kommt deshalb darauf an, gründlich nachzudenken und rasch zu handeln. Es kommt darauf an, mehr zu tun als bisher.“

Dem kann ich mich voll und ganz anschließen. Wir dürfen im Sinne unserer Kinder und Jugendlichen nicht wertvolle Zeit bis zur nächsten Landtagswahl – das sind zweieinhalb Jahre – verstreichen lassen, bis es hier zu Veränderungen kommt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ziehen Sie Ihren Antrag zurück! Er ist ein Glaubensbekenntnis, mit dem Sie falsches Zeugnis ablegen. Und stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu! – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Frau Löhrmann. – Für die Landesregierung spricht nun Ministerin Sommer.

(Dietmar Brockes [FDP]: Das muss jemand sagen, der zehn Jahre verschlafen hat! – Gegenruf von Ralf Jäger [SPD]: Her Brockes ist wach und kann sprechen!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die wahren Experten für Schule und Unterricht sind die Lehrerinnen und Lehrer.

(Beifall von CDU und FDP)

Damit wir uns aber nicht wieder den Vorwurf einhandeln, wir würden Experten nicht zu Wort kommen lassen, bringe ich hier zwei Beispiele. Der Dortmunder Bildungsforscher Wilfried Bos hat den bildungspolitischen Streit um die Schulstruktur in Nordrhein-Westfalen kritisiert. Für die Kompetenzentwicklung der Kinder sei die Frage der Schulstruktur zweitrangig. Seit Jahren sei bekannt, dass die Hauptprobleme des deutschen Schulwesens in der Qualität des Unterrichts insbesondere in der Sekundarstufe I zu finden seien.

(Beifall von CDU und FDP)

Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten sei die Strukturdebatte deshalb verwunderlich.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Auch aus den PISA-Ergebnissen lässt sich aus der Rangfolge der Länder nicht herauslesen, dass die Schulstruktur für den Rangplatz von Bedeutung ist. An dieser Stelle möchte ich einen zweiten Experten nennen, Klaus Hurrelmann, der sicherlich nicht dafür bekannt ist,

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

uns gegenüber unkritisch zu sein. Der Professor für Sozial- und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bielefeld antwortet in einem Interview:

„Dahinter steht immer die Frage, können wir Rückschlüsse ziehen auf den Aufbau des Schulsystems, auf die Gegliedertheit insbesondere des deutschen Schulsystems, ja oder nein? Und das Ergebnis ist ziemlich klar. Aus diesen Ergebnissen kann man über den Aufbau des Schulsystems nur indirekt etwas ableiten. …“

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das reicht ja!)

„Aber es bleibt dabei, das ist eine Studie, die sagt etwas über die Leistungen von Schülern, sie sagt höchstens indirekt etwas über die Leistungen eines Schulsystems. Und da muss man ganz genau unterscheiden.“

Auch wir haben in den letzten Monaten immer wieder darauf hingewiesen, dass die Güte unserer Schulen von der Qualität des Unterrichts und der Unterstützung abhängt, die sie bekommen, nicht aber von der Struktur des Schulsystems.

(Beifall von der CDU)

Glauben Sie nicht auch, meine Damen und Herren von der Opposition, dass diese wichtige Zelle, der Unterricht, die einzig wirklich bedeutsame Zelle für Schulentwicklung, schon so ausgereizt ist, dass wir uns nicht noch um ihre Verbesserung kümmern müssten? Ich glaube, wenn Sie ehrlich sind, finden auch Sie darauf eine Antwort.

(Beifall von CDU und FDP – Ralf Jäger [SPD]: Wer sagt das denn?)

Der wichtigste Maßstab in dieser Diskussion sind die Schülerinnen und Schüler. Der bei ihnen erzielte individuelle Bildungserfolg weist letztlich aus, ob das Schulsystem die gewünschte Qualität hat. In diesem Zusammenhang weise ich auf die im September veröffentlichte Studie – Frau Pieper-von Heiden hat schon darauf hingewiesen – von britischen Wissenschaftlern im Auftrag der Unternehmensberatung McKinsey hin. Sie nennt insbesondere drei Faktoren, mit denen der Erfolg der weltweit erfolgreichsten Schulsysteme erklärt werden kann:

Erstens: die Kompetenz der Lehrkräfte

Zweitens: die Qualität des Unterrichts

Drittens: die individuelle Förderung.

(Beifall von CDU und FDP)

Das sind genau die Bereiche, in denen die Landesregierung nach der Wahl 2005 gehandelt hat. Was tut die Landesregierung, um kompetente Lehrerinnen und Lehrer zu gewinnen? Vor Jahrzehnten, das ist noch gar nicht so lange her, gehörten Lehrer zu den Big Five innerhalb einer Kommune. Sie waren anerkannt und wurden gewürdigt.