Protocol of the Session on September 14, 2005

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: „Gebühren“ ha- ben Sie gesagt!)

- Ich habe stets von „Studienbeiträgen“ gesprochen. Das war keine vergnügungssteuerpflichtige Veranstaltung. Ich kann mich gut an viele Diskussionen an Ständen in der Bonner Innenstadt erinnern, wo ich angegangen worden bin. Ich habe mir aber die Zeit genommen und mit den Studierenden geredet. Und ich habe sie überzeugt.

(Beifall von CDU und FDP - Lachen von SPD und GRÜNEN)

Offenkundig ist das nicht nur mir so ergangen, sondern vielen Kolleginnen und Kollegen ist es so ergangen. Sonst säßen wir nicht als Mehrheit in diesem Parlament.

(Beifall von CDU und FDP)

Das heißt, wir haben die Wahl gewonnen und Sie haben Sie verloren. Wir haben sie trotz oder vielleicht auch wegen unseres Eintretens für Studienbeiträge gewonnen, Sie haben sie verloren. Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes haben entschieden.

Wenn ich Sie reden höre, komme ich zu der Auffassung, dass Sie den Eindruck ein paar Tage vor der Bundestagswahl erwecken wollen, wir wollten

Studiengebühren einführen. Studiengebühren gibt es doch schon lange, Frau Kollegin Kraft. Sie und nicht wir haben Studiengebühren in NordrheinWestfalen eingeführt!

(Beifall von CDU und FDP - Rainer Schmelt- zer [SPD]: Was haben Sie für eine Wahr- nehmung? Sie betreiben eine Verdrehung der Tatsachen!)

Ich erzähle Ihnen jetzt einmal, wie diese Studiengebühren aussehen und wie in einem solchen Gesetzgebungszusammenhang Ihre Vorgehensweise typischerweise aussieht. Ihr Studienfinanzierungskontenmodell oder wie immer es heißt ist für mich das Musterbeispiel eines sozialistischen Gesetzes.

(Beifall von der CDU)

Sozialistische Gesetze erfüllen drei Kriterien. Das erste Kriterium besteht darin, dass diese Gesetze hoch kompliziert sind. Sie müssen hoch kompliziert sein, weil nur so die Bürokratie genährt wird, von der Sie leben.

(Beifall von CDU und FDP)

Nicht nur ich sehe diesen Sachverhalt so, sondern beispielsweise auch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Am 11. März dieses Jahres hat es kritisiert, dass Rechtsverordnung und Gesetz so verwickelt formuliert seien,

dass sie teilweise unverständlich sind, sodass sich die Frage stellen mag, ob die Einzelregelungen wegen des Verstoßes gegen das Gebot einer minimalen Normenklarheit nichtig sind und ob diese Teilnichtigkeit dazu führt, dass auch zusammenhängende weitere Regelungen zur Berechnung des Studienguthabens davon berührt werden.

Das haben wir uns nicht aus den Fingern gesogen, sondern das sagt das Gericht. Das Gericht hat Recht. Also das erste Kriterium eines sozialistischen Gesetzes ist erfüllt. Es ist hoch kompliziert.

Das zweite Kriterium eines sozialistischen Gesetzes ist die Vergesellschaftung der Einnahmen. Sie haben den Studierenden Geld genommen und haben es dem Finanzminister gegeben. Schwupp war es weg im großen Fass ohne Boden.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie haben die Studierenden abgezockt.

(Beifall von CDU und FDP)

Bei den Hochschulen ist nichts angekommen. Null!

(Hannelore Kraft [SPD]: Das ist eine Mär!)

Die Hochschulen sind auf den Kosten der Bürokratie sitzen geblieben. Die Bürokratie war kompliziert genug. Die Hochschulen mussten die Studiengebühren erheben und blieben auf den Kosten sitzen.

Das heißt, die Studierenden haben bei Ihnen ohne Gegenleistung gezahlt. Wie rechtfertigen Sie, Frau Kraft, Studiengebühren ohne Gegenleistung zu erheben?

(Beifall von CDU und FDP)

Das dritte Kriterium eines sozialistischen Gesetzes ist das sozialistische Rechnungswesen.

(Heiterkeit von CDU und FDP)

Da wird bezüglich der Einnahmen eine Planzahl gesetzt. Diese Planzahl lag bei 90 Millionen €. Ich weiß nicht, woher sie kommt. Möglicherweise stammt sie vom Wetteramt. Man hat sich aber darauf verständigt.

(Heiterkeit von der CDU)

Und weil die Abzocke der Studierenden ohne Gegenleistung nicht durchzuhalten ist, haben Sie im Jahr 2005 gesagt: Gut, wir machen fifty-fifty. 50 % erhält der Finanzminister, und 50 % bekommen die Hochschulen zur Verbesserung der Studienbedingungen.

Um an die 45 Millionen € für die Hochschulen zu kommen, haben Sie diese 45 Millionen € in den ersten Nachtrag zum Haushalt 2005 eingestellt. Dann sind Sie hergegangen und haben den Hochschulen ganz großzügig dieses Geld geschenkt - ganz großzügig am Anfang des Wahlkampfs, aber nicht allen, sondern nur den braven Hochschulen.

(Hannelore Kraft [SPD]: Leistungsbezogen!)

Das ist Vater Staat im 18. Jahrhundert: Sie haben es nur den braven Hochschulen geschenkt, und die anderen sind auf ihren Kosten sitzen geblieben.

(Beifall von der CDU)

Frau Kollegin Kraft, um die Sache sozialistisch richtig rund zu machen, haben Sie den Hochschulen mitgeteilt: Wenn diese Planzahl möglicherweise nicht eintrete, sei sie im Jahr 2006 zu verrechnen. - Das heißt, wenn die Planzahl nicht erfüllt ist, zahlen die Hochschulen das Geschenk, das sie großzügigerweise von Ihnen bekommen haben.

(Christian Weisbrich [CDU]: Clever!)

Jetzt zur Realität: Die Planzahl war wie in jedem sozialistischen System, wie in jedem sozialistischen Gesetz ausschließlich virtuell. Das Aufkommen in 2005 dürfte bei rund 30 Millionen € liegen - nicht bei 90, sondern bei 30 Millionen €. Und von diesen 30 Millionen € haben Sie 45 dem Finanzminister und 45 den Hochschulen gegeben.

(Heiterkeit und Beifall von CDU und FDP)

Ja, so funktioniert das im Sozialismus. So macht man das im Sozialismus.

Frau Kollegin Kraft, das war absehbar. Das konnte ein einigermaßen fachkundiger Mensch erkennen.

Herr Kollege Stahl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Jäger?

Ich habe Ihnen Anfang April vorgeworfen, dass Sie hier mit Lüg und Trug arbeiten. Sie wussten das. Sie wussten, dass Sie die Menschen bescheißen. Sie wussten es, und Sie haben es getan!

(Beifall von CDU und FDP)

Herr Kollege Stahl!

Und ich sage Ihnen, Frau Kraft: Sie haben die Menschen belogen, und Sie haben Ihr Vertrauen als Politikerin verspielt.

Jetzt gehe ich noch ein bisschen in den größeren Zusammenhang: Sie haben nicht nur die Menschen belogen. Sie sind vielmehr als SPD und auch als Ministerin auf der ganzen Linie gescheitert. Sie waren als Ministerin erfolglos, weil es Ihnen in Ihrer Zeit nicht gelungen ist, irgendein großes gutes Projekt nach Nordrhein-Westfalen zu holen. Von einer Spallationsquelle bis hin zu einem Max-Planck-Institut - Sie haben es nicht geschafft!

(Minister Karl-Josef Laumann: Der Mann ist gut!)

Es ist nichts besser geworden!

Herr Kollege Stahl, ich bin gerade auf eine Sache aufmerksam gemacht worden. Ich bitte Sie, Formulierungen wie „Sie haben beschissen!“ oder Ähnliches zu unterlassen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Er hat doch Recht!)

Ich überlege, ob ich noch einen drauflege, aber es ist die Sache nicht wert.