Protocol of the Session on March 7, 2007

Ich danke Herrn Minister Uhlenberg für die Beantwortung. Meine Damen und Herren, damit ist die Dringliche Anfrage 110 erledigt.

Ich rufe nun die

Mündliche Anfrage 103

aus der letzten Fragestunde auf – die Frage war damals von der Frau Abgeordneten Beer von Bündnis 90/Die Grünen gestellt worden –:

Chaos und unsinnige Verfahren bei der Einführung der Sprachstandserhebungen für die Vierjährigen?

Das nordrhein-westfälische Schulgesetz sieht für dieses Jahr erstmals die Durchführung von Sprachstandserhebungen bei vierjährigen Kindern vor. Mit den Vorbereitungen hierfür ist die Landesregierung erkennbar in Verzug geraten.

Bis dato wurde nur das Testverfahren für die erste Erhebungsgruppe (alle Vierjährigen in den Kindertagesstätten) vorgestellt. Eine Schulung der Lehrerinnen und Lehrer ist in großen Teilen nicht erfolgt. Erzieherinnen und Erzieher, die das Verfahren in naher Zukunft durchführen sollen, scheinen bislang ganz außen vor zu sein. Das Testverfahren für das zweite Erhebungsverfahren (alle Kinder, die keine Kindertagesstätte besuchen und die im ersten Erhebungsverfahren sprachliche Defizi- te aufgewiesen haben) liegt noch nicht vor. Kommunen und Kindertagesstätten sehen sich mit chaotischen Zuständen und einem unsinnigen Verfahren konfrontiert.

Wie ist der Stand der Einführung von Sprachstandserhebungen für die Vierjährigen?

Ich bitte Frau Ministerin Sommer um Beantwortung dieser Fragen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Beer! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich diese Frage zunächst in Ausführlichkeit beantworten.

Dem Schulausschuss liegt inzwischen ein schriftlicher Bericht der Landesregierung zum Stand des Verfahrens „Sprachstandsfeststellung zwei Jahre vor der Einschulung“ vor. Viele Ihrer Fragen – so hoffe ich, sehr geehrte Frau Beer – werden dort beantwortet.

Frau Prof. Fried, die das Instrument zur Sprachfeststellung wissenschaftlich entwickelt hat, wird am 21. März in den Schulausschuss kommen.

Das wird sicher dazu beitragen, weitere offene Fragen zu klären. Das Spiel für die erste Stufe ist mittlerweile in allen Schulen. Wie geplant kann jetzt mit der Durchführung begonnen worden.

Lassen Sie mich trotzdem Satz für Satz auf die in Ihrer Anfrage aufgestellten Behauptungen eingehen. Zunächst einmal, Frau Beer, haben Sie Recht: Das nordrhein-westfälische Schulgesetz sieht in diesem Jahr erstmals die Durchführung von Sprachstandsfeststellungen bei vierjährigen Kindern vor. Es findet also zwei Jahre vor der Einschulung dieser Kinder statt. Damit nimmt Nordrhein-Westfalen bundesweit eine Vorreiterrolle ein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir wissen uns dabei unter anderem einig mit Herrn Bundesminister Müntefering. Er hatte sich im letzten November ebenfalls für Sprachtests für

alle vier- bis fünfjährigen Kinder ausgesprochen. Wer sprachlich noch nicht so weit ist, solle zu einem Sprachförderkurs verpflichtet werden, sagte er damals der „Bild am Sonntag“.

Meine Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, nun behaupten Sie, die Landesregierung sei mit ihren Vorbereitungen erkennbar in Verzug geraten. Dem ist nicht so. Schon im Antrag zum selben Thema, den wir im vergangenen November an dieser Stelle behandelt haben, war von angeblichem Chaos und einem angeblich unsinnigen Verfahren die Rede. Diese Vorwürfe habe ich damals zurückgewiesen und tue es heute noch einmal mit aller Entschiedenheit.

Ich ergreife aber auch gerne die Gelegenheit, die Mitglieder des Landtags über den Entwicklungsstand bei dieser wegweisenden Reform zu informieren: Im Oktober vergangenen Jahres fanden Dienstbesprechungen mit allen Schulrätinnen und Schulräten statt. In diesen Dienstbesprechungen wurde das Verfahren erläutert und wurden erste Schritte der Umsetzung in die Wege geleitet. In der Folge sind landesweit Kindertageseinrichtungen den einzelnen Grundschulen für die erste Stufe des Verfahrens zugeordnet worden. So wurden schon im Vorfeld erste Kontakte zwischen Kindertageseinrichtungen und Grundschule möglich.

Bereits im November erhielten alle Kindertageseinrichtungen und Grundschulen eine schriftliche Fachinformation über das geplante Verfahren. Gleichzeitig wurden in den Schulämtern die Lehrkräfte und sozialpädagogischen Fachkräfte bestimmt, die die zweite Stufe der Sprachstandsfeststellungen durchführen sollen.

Des Weiteren stellen Sie, verehrte Frau Beer, fest, dass bis dato nur das Untersuchungsinstrument für die erste Stufe der Sprachstandsfeststellung vorgestellt wurde. Ja, das stimmt. Für eine Einschätzung dieses Sachverhalts muss man aber wissen, dass die Materialien für die erste und die zweite Stufe auf derselben testtheoretischen Grundlage entwickelt worden sind. Das heißt: Auch ohne das Material der zweiten Stufe ist es möglich und sinnvoll, die Systematik, die Aussagefähigkeit und die wissenschaftlichen Hintergründe der von der Universität Dortmund entwickelten Untersuchungsinstrumente für beide Stufen zu erläutern.

Auch die Bereiche der Sprache, die überprüft werden, sind gleich. Der Unterschied zur ersten Stufe ist lediglich, dass es sich bei der zweiten Stufe um ein zeitintensiveres Einzelscreening mit mehr Untersuchungsitems handelt. Es werden

mehr differenzierende Aufgaben an das Kind gestellt.

Das Material für die erste Stufe der Sprachstandsfeststellung liegt jetzt allen Grundschulen vor. Die erste Stufe kann wie geplant noch vor Ostern im März durchgeführt werden.

Bereits seit einigen Wochen liegen allen Schulämtern die Hintergrundinformationen über das in der ersten Stufe zum Einsatz kommende Spiel, die Spielanleitung und der Protokollbogen vor. Alle Beteiligten konnten sich insofern schon auf die erste Stufe vorbereiten. Das Material der zweiten Stufe wird rechtzeitig vor der Durchführung im Mai vorliegen.

Sie sagen nun, dass eine Schulung der Lehrerinnen und Lehrer in großen Teilen nicht erfolgt sei. Ich bin sicher, dass alle im Prozess Beteiligten die notwendigen Informationen erhalten und auch weitergegeben haben. Ich kann auch beurteilen: Die Grundlagen für alle erforderlichen Informationen sind gelegt. Anfang Januar hat die Universität Dortmund mit je zwei bis drei Lehrkräften aus jedem Schulamt Veranstaltungen durchgeführt, bei denen die theoretischen Grundlagen für die Instrumente des gesamten Tests in beiden Stufen verdeutlicht wurden. Gleichzeitig wurde das Material für die erste Stufe, ein Test in kindgerechter Spielform, vorgestellt. Aufgabe dieser Multiplikatoren war es, diese Informationen im Schneeballsystem an die Lehrkräfte in ihrem Schulamt weiterzugeben. Ich gehe selbstverständlich davon aus, dass dies auch geschehen ist.

Erzieherinnen und Erzieher sind Ihrer Meinung nach bislang außen vor. Diese Behauptung kann so nicht stehen bleiben. Alle Kindertageseinrichtungen haben schon im November eine ausführliche und gründliche Fachinformation erhalten. Ende Januar und Anfang Februar veranstaltete die Universität Dortmund drei eineinhalbtägige Fachtagungen für die Fachberaterinnen und Fachberater aus dem Elementarbereich, die als Multiplikatoren eingesetzt werden. Hier wurde ähnlich wie für den Schulbereich über die Ziele, über die pädagogischen und testtheoretischen Grundlagen und über die Instrumente informiert. Ergänzt wurden diese Informationen durch Hinweise zur Sprachförderung im vorschulischen Bereich und zur Elternarbeit. Aus unseren Veranstaltungen wissen wir, dass in vielen Fällen bereits Kontakte und Absprachen zwischen den Lehrkräften der Grundschule und den Fachkräften der Tageseinrichtungen laufen.

Noch einmal: Das Material der ersten Stufe liegt vor. Die zweite Stufe unterscheidet sich davon

nicht grundsätzlich. Die theoretischen Hintergründe sind, wie schon erläutert, bekannt und beschrieben. Ebenso sind die Bereiche der Sprache, die überprüft werden, festgelegt und bereits mit Untersuchungsitems belegt. Diese Items wurden in einer Pilotstudie wissenschaftlich überprüft, bevor sie in der Endform veröffentlicht wurden. Wir legen großen Wert auf eine sichere, wissenschaftlich und testtheoretisch fundierte Entwicklung und Prüfung der Untersuchungsmaterialien. Wie von Beginn an vorgesehen und mit Frau Prof. Fried vereinbart, wird das konkrete Material für die zweite Stufe in diesen Tagen vorgelegt werden.

Ihrer Meinung nach sehen sich Kommunen und Kindertageseinrichtungen mit chaotischen Zuständen und einem unsinnigen Verfahren konfrontiert. Diesen Satz weise ich noch einmal mit Entschiedenheit zurück.

(Beifall von der CDU)

Wir befinden uns zwar in einem zugegebenermaßen engen Zeitplan, ein Flyer für Eltern mit Informationen über die Sprachstandsfeststellung bei Kindern zwei Jahre vor der Einschulung liegt allerdings in gedruckter Form vor. Alle Kindertageseinrichtungen haben bereits 25 Flyer erhalten. Wir werden diesen Flyer in Kürze übrigens auch auf Russisch und Türkisch präsentieren.

Alle Schulämter erhielten schon vorab die LayoutFassung für dringende Informationszwecke. Die Grundschulen informieren in einem Musterbrief die Eltern der Kinder aus Kindertageseinrichtungen über den Termin der ersten Stufe der Sprachstandsfeststellung. Er ging rechtzeitig Ende Februar allen Schulen per Schulmail zu. Anfang Februar gab es zudem gemeinsame Gespräche des Schulministeriums und des Generationenministeriums mit Vertretern aus allen Schulämtern sowie Jugendämtern über konkrete Fragen bei der Umsetzung und Vorbereitung der Sprachstandsfeststellung.

Abschließend fragen Sie, Frau Beer, nach dem Stand der Einführung von Sprachstandsfeststellungen der Vierjährigen. – Mit Hinweis auf meine Ausführungen antworte ich Ihnen: Wir sind im Zeitplan. Alle Vorarbeiten sind gemacht. Alle erforderlichen Informationen sind bekannt. Es herrscht weder Chaos, noch ist von einem unsinnigen Verfahren zu sprechen.

Lassen Sie mich noch einmal betonen: Die flächendeckende Sprachstandsfeststellung aller Kinder bereits zwei Jahre vor der Einschulung ist ein entscheidender Schritt zu besseren Bildungschancen für alle Kinder. Wir haben uns entschieden, bereits im Frühjahr 2007 diese Sprach

standsfeststellung erstmalig flächendeckend durchzuführen. Dadurch erhalten Kinder, die zusätzliche Unterstützung benötigen, so schnell wie möglich eine zwei Jahre andauernde vorschulische Förderung.

Gleichzeitig aber legen wir auch Wert auf eine fundierte wissenschaftliche Entwicklung der Instrumente sowie der wissenschaftlichen Begleitung. Wir konnten schließlich nicht auf vorhandene Testverfahren für Kinder dieser Altersstufe zurückgreifen.

Von Anfang an war klar, dass der Zeitplan sehr dicht wird. Wir haben das im Interesse einer frühen Förderung in Kauf genommen, ohne deshalb jedoch auf Seriosität zu verzichten. Wir sind jedoch keinesfalls – wie Sie, Frau Beer, es unterstellen – im Zeitverzug.

Sie sehen: Wir sind trotz der wirklich umfangreichen Aufgaben gut aufgestellt. Die Rückmeldungen aus den zahlreichen Gesprächen und Veranstaltungen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchführen, sind ausgesprochen positiv. Die Vorbereitungen laufen entsprechend den Planungen.

Ich bin sicher, dass die Sprachstandsfeststellung zwei Jahre vor der Einschulung dazu beiträgt, unseren Kindern einen erfolgreichen Schulanfang zu ermöglichen. Ich hoffe auch unverändert, dass wir uns in diesem Ziel gemeinsam einig sind. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Sie haben jetzt die Gelegenheit zu Zusatzfragen. Als Erste hat sich Frau Beer von den Grünen gemeldet. Bitte schön.

Frau Ministerin, herzlichen Dank für Ihre ausführlichen Darlegungen. In der Tat haben wir am 21. März Gelegenheit, das Thema in allen Details zu diskutieren. Leider bestätigen gerade die Gesprächsergebnisse dieser Woche noch einmal die Ernsthaftigkeit meiner Frage. Ich will das an dieser Stelle aber gar nicht weiter ausführen; denn hier geht es ja um Fragen.

Heute hat mich eine Nachricht erreicht, dass es auf Initiative des Lehrerverbandes GEW weitere Nachbesserungen aus der Sicht der GEW bei den Sprachstandserhebungen gegeben hat. Unter anderem wird ausgeführt, dass – wenn einzelne Kinder oder eine Gruppe offenkundig überfordert sind – der Test abgebrochen werden kann. Bei der testtheoretischen Fundierung sollte – auch

wenn keine flächendeckende Evaluation stattgefunden hat – das ja eigentlich ausgeschlossen sein.

Ich frage an der Stelle trotzdem: Wie wird mit den Kindern verfahren, wenn der Test abgebrochen werden muss? Greifen dann die bewährten Sprachstandsfeststellungen und Instrumente, die Diagnostik der Kita? Können die Erzieherinnen damit entsprechend weiter verfahren? Was wird aus den Kindern?

Bitte, Frau Ministerin.

Sehr geehrte Frau Beer, das Instrument abzubrechen, geschieht nicht willkürlich. Ich stelle mir folgendes Beispiel vor, das im Übrigen die Schulmail bewirken sollte: Wir haben ein vierjähriges Kind, das als zukünftige Schülerin gerade aus dem Ausland gekommen ist und über keinerlei Deutschkenntnisse verfügt. Es wäre sinnlos, mit diesem Kind zu spielen, wenn es noch nicht einmal eine Frage identifizieren kann. Wie könnte ich mit einem solchen Kind spielen? An der Stelle ist es wichtig, dass sich eine Erzieherin, eine Lehrerinnen bzw. ein Lehrer nicht aufs Glatteis begeben, weil jemand nachfragen könnte, wie getestet wurde. In der Verantwortlichkeit der Lehrerin und der Erzieherin kann man einen solchen Test getrost abbrechen. Ein solches Kind wird für die Sprachförderung in Gänze vorgesehen.

Vielen Dank. – Frau Abgeordnete Kastner von der Fraktion der CDU, Sie haben jetzt Gelegenheit zu einer Frage.

Zunächst einmal möchte ich mich im Rahmen der Fragestunde durchaus bei der Fraktion der Grünen für die Fragestellung bedanken, gibt sie doch noch einmal Gelegenheit, das einzigartige Modell NordrheinWestfalens erneut ausführlich darzustellen.

Sie haben sich ganz bewusst für ein zweistufiges System entschieden. Können Sie uns noch einmal darstellen, warum ausgerechnet ein zweistufiges System und das bei Vierjährigen und nicht in einer anderen Altersstufe?