Protocol of the Session on July 14, 2005

Herr Rüttgers, das war schon ein starkes Stück, was Sie hier gestern versucht haben

(Beifall von der CDU)

- warten Sie ab; immer vorsichtig mit dem Applaus! -: vollmundig 1.000 neue Lehrer ruck, zuck zur Reduzierung des Unterrichtsausfalls als Einlösung Ihres Wahlversprechens anzukündigen. Das heißt, Sie stellen diese 1.000 Lehrerstellen gegen die 5 Millionen Stunden Unterrichtsausfall, die Sie ja im Wahlkampf konstatiert haben.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Das müssen Sie nachlesen!)

- Doch, das hat Ihr Ministerpräsident gestern gesagt. Das sind die ersten 1.000 der 4.000, die Sie versprochen haben; das hat er gestern gesagt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN - Wider- spruch von CDU und FDP)

- Dann sagen Sie es deutlich, dass diese 1.000 Stellen nicht zu den 4.000 gehören.

Sie wussten doch ganz genau: Sie erfüllen damit nur die gesetzliche Vorgabe des Schulfinanzgesetzes, die jede andere Regierung auch hätte erfüllen müssen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN - Wider- spruch von CDU und FDP)

Sie brauchen die 1.000 Lehrerinnen und Lehrer.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie müssen die 1.000 Lehrerstellen schaffen, weil die Schülerzahlen gestiegen sind: 300 Stellen in den Grundschulen, 500 im Bereich Sek II und 200 bei den Förderschulen.

(Zuruf von Minister Michael Breuer)

- Bitte?

(Minister Michael Breuer: Wo waren denn Ih- re Stellen im Haushalt?)

- Die Stellen können noch nicht im Haushalt gewesen sein - das kann ich auf Ihren Einwurf erwidern -, weil diese neuen Bedarfe noch gar nicht klar waren. Das ist in jedem Schuljahr so.

(Lachen von CDU und FDP - Zurufe - Unru- he - Glocke)

Bei Ihnen sind die führenden Haushaltspolitiker nicht mehr dabei. Das halte ich Ihnen zugute.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Aber Sie sollten wissen - vielleicht können Sie Herrn Diegel noch mal anrufen -: Das ist der normale Vorgang. Wenn die Anmeldungen für die Schulen erfolgt sind, dann werden die Schülerzahlen korrigiert, und dann müssen die neuen Stellen erbracht werden. Das ist ein ganz normaler Vorgang, der dem Gesetz entspricht.

Sie wissen doch, dass Sie nur die gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Herr Ministerpräsident, trotz dieser 1.000 Lehrerstellen - und das ist der entscheidende Fakt - bleibt es bei den 5 Millionen Stunden Unterrichtsausfall, und darüber wollten Sie die Lehrer, Eltern und Schüler in diesem Land - Ihre gesamten Wählerinnen und Wähler - täuschen. Sie haben Ihre Amtszeit mit einer Lehrerlüge begonnen.

(Anhaltender Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, auch das Ziel Haushaltskonsolidierung wurde heute schon aufgegeben.

(Jan Söffing [FDP]: Das ist dünnes Eis für Sie!)

- Das finde ich gar nicht. Warten wir erst mal ab.

(Gegenruf von Marc Jan Eumann [SPD]: Durch das Eis sind Sie durchgebrochen!)

Herr Ministerpräsident, Sie haben angekündigt, Ihr Ziel sei ein verfassungskonformer Haushalt. Das gehe nicht, so sagen Sie, von heute auf morgen. Auch das haben Sie anders gesprochen. Ihre Koalition geht nach dem Wortlaut des Koalitionsvertrages sogar davon aus, dass sie die Verschuldungsgrenze der Verfassung bis zum Jahr 2010 nicht einhalten kann.

(Widerspruch von CDU und FDP - Christian Lindner [FDP]: Das war eine Vorlage von Herrn Dieckmann!)

- Nein, das war keine Vorlage von Herrn Dieckmann. Es war eine Vorlage aus dem Haus und nicht eine des Ministers. Vorsicht, Freunde! Sie müssen sich nicht auf Bürokratie stützen, sondern auf die politisch Verantwortlichen, die dann immer andere Entscheidungen treffen. Das müssen Sie noch lernen.

(Lebhafter Beifall von SPD und GRÜNEN)

Dass Sie sich auf solche angeblichen Aussagen der Vorgängerregierung berufen, ist für mich politisches Schmierentheater vom Feinsten.

Fakt ist: Im Land muss eine harte Sparpolitik gefahren werden. Der Finanzminister ist nicht zu beneiden. Das ist in den letzten Jahren schon begonnen worden. In den Haushalten ---

(Lachen von CDU und FDP - Zuruf von der CDU: Aber wir können es!)

- Hören Sie doch erst einmal zu. Wie gesagt: Die Haushaltsleute sind nicht mehr dabei, aber wir können es noch einmal deutlich machen. - In den Haushalten …

(Zuruf von der CDU: Haben Sie Wahrneh- mungsstörungen?)

- Aber sie sind doch jetzt in einer anderen Funktion. Oder haben Sie den Rollenwechsel noch nicht vollzogen?

(Lebhafter Beifall von SPD und GRÜNEN)

In den Haushalten von 2001 bis 2005 haben wir die Ausgaben des Landes real um über 1 Milliarde € gesenkt. Das darf man an dieser Stelle betonen. Sie sprechen nämlich immer von stetig steigenden Ausgaben.

Und: Ministerpräsident Steinbrück hat im März hier im Plenum öffentlich angekündigt, dass es für 2006/2007 einen Konsolidierungsbedarf von mehr als 2 Milliarden € geben wird. Das haben Sie gewusst, als Sie sich zur Wahl gestellt haben.

Sie, Herr Rüttgers, waren als Oppositionsführer quasi der oberste Haushaltswächter des Landes; ich entschuldige mich bei Frau Scholle. Als neuer Regierungschef können Sie jetzt nicht so tun, als wären Sie von diesen Zahlen überrascht. Und mit ungedeckten Blankoschecks kommen Sie nicht über die nächsten fünf Jahre, Herr Ministerpräsident.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Verfassung des Landes gilt auch für die neue Mehrheit. Sie dürfen nur dann einen Haushalt aufstellen, in dem die Neuverschuldung die Investitionen übersteigt, wenn die Voraussetzung dafür wirklich vorliegt. Das bedeutet, dass das Parlament nach genauer Prüfung eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts feststellen müsste. Das gilt auch für den Nachtrag, den Sie jetzt vorlegen müssen.

Die Haushälter aus der CDU-Fraktion kennen diese Zusammenhänge bestens. Sie haben mit ihren Klagen in Münster sehr dazu beigetragen, dass hier Klarheit geschaffen wurde. Damit haben Sie aber auch die Rahmenbedingungen für Ihre heutige Arbeit geschaffen. Das bedeutet: Verstößt ein von Ihnen vorgelegter Haushalt gegen Art. 83 der

Landesverfassung, dann ist das Ihr finanzpolitischer Offenbarungseid. Einen Ausnahmetatbestand Erblast sieht die Verfassung nicht vor.

(Beifall von CDU und GRÜNEN - Zurufe von der FDP)

In den letzten Tagen war es erfreulich zu hören, dass Ihr Finanzminister den Kurs nicht mitträgt, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Ich erinnere mich: In unserem gemeinsamen Auftritt bei „Hart, aber fair“ haben Sie eingeräumt, dass Ihnen die Haushaltslage auch in der Dimension bekannt gewesen sei.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Herr Rüttgers, reden auch Sie sich nicht aus der Verantwortung! Die Menschen haben Sie gewählt, weil Sie den Abbau der Verschuldung versprochen haben - und das nicht erst in der nächsten Wahlperiode. Sie haben die Regierungsverantwortung für dieses Land gewollt. Sie haben sie bekommen. Sie kannten die Rahmenbedingungen. Jetzt heißt es: Regieren statt lamentieren!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Damit es auch für die Menschen in diesem Land, die uns jetzt zuschauen oder zuhören, ganz klar ist: Jede Unterrichtsstunde, die zukünftig ausfällt, ist nun Ihre ausgefallene Unterrichtsstunde, Frau Sommer!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)