Protocol of the Session on November 16, 2006

Meine Damen und Herren, ich heiße Sie herzlich willkommen zur heutigen, der 44. Sitzung des Landtages Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich neun Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Meine Damen und Herren, es gibt zwei Änderungsanträge zur heutigen Tagesordnung.

Die Koalitionsfraktionen haben nach § 19 unserer Geschäftsordnung beantragt, die Tagesordnung der heutigen Sitzung zu ergänzen um folgenden neuen Tagesordnungspunkt 3: Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung Drucksache 14/2478 „Gesetz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten (Ladenöffnungsgesetz)“. Gibt es hierzu Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Dann können wir zur Abstimmung kommen. Wer mit dieser Ergänzung der Tagesordnung einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Dann ist das mit großer Mehrheit so beschlossen.

Wir werden die dritte Lesung des Entwurfs für ein Ladenöffnungsgesetz als neuen TOP 3 vorsehen. Im Einvernehmen mit den Fraktionen schlage ich eine Redezeit nach Block I vor. Gibt es dazu Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir entsprechend verfahren.

Weiterhin haben sich die Fraktionen darauf verständigt, Punkt 14 „Zukunft der Medien“ Drucksache 14/1880 von der Tagesordnung abzusetzen und für die Plenartage am 6. und 7. Dezember vorzusehen. – Ich sehe auch hier keinen Widerspruch, sodass wir so beschlossen haben.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf:

1 Aktuelle Stunde

Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen – Für Qualitätsverbesserungen in einem fairen Wettbewerb aller Schulformen

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP gemäß § 90 Abs. 2 GeschO

Die Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP haben mit Schreiben vom 13. November 2006

gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Debatte und gebe Herrn Recker von der CDU-Fraktion das Wort.

Schönen guten Morgen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den letzten Tagen ein Stück Gespenster- oder Geisterdebatte von Rot-Grün unter dem Aspekt „Benachteiligung von Gesamtschulen“ erlebt. Insofern wollen wir hier ganz deutlich dazu Stellung nehmen, um was es eigentlich geht.

Sie wissen, es ist oberstes Ziel der schwarzgelben Koalition, die Qualität der Schulen und das Leistungsvermögen der Schülerinnen und Schüler zu verbessern. Wir wollen, dass alle Schülerinnen und Schüler ihre Fähigkeiten optimal entfalten können.

Wir wissen aber genauso, dass nordrheinwestfälische Schülerinnen und Schüler bei fast allen Leistungsvergleichen in der Vergangenheit sehr, sehr negativ abgeschnitten haben und dadurch natürlich auch weniger Bildungs- und Ausbildungschancen hatten.

Wir sind uns aber auch einig, meine Damen und Herren: Unsere jungen Menschen in NordrheinWestfalen sind mindestens genauso begabt wie die in anderen Ländern und unsere Kollegen genauso engagiert.

(Beifall von CDU und FDP)

Also muss es Rahmenbedingungen geben, die Politik gewährt oder nicht gewährt hat. Ich will nur zwei kurze Aspekte nennen, die aber, glaube ich, bei allen heute Inhalt der Diskussion sind.

Viele Jahre, ja fast Jahrzehnte, waren Begriffe wie Leistung, Erziehung und Disziplin in diesem Lande tabu. Nivellierung war das Gebot der Stunde, meine Damen und Herren.

Zum anderen waren wir – auch das können Sie nachschauen – im Hinblick auf Stundenvolumen und Unterrichtsausfall einsamer Spitzenreiter in der Bundesrepublik, leider im negativen Sinne, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Wir, die Koalition, haben gehandelt, und wir werden weiter handeln. Durch das neue Schulgesetz und die gleichzeitig zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel gewähren wir endlich die Rahmenbedingungen, die den Schulen beziehungsweise den Schülern eine Perspektive geben. Wir

haben endlich die notwendigen Voraussetzungen geschaffen. Wir wollen die Leistungen in der Breite und in der Spitze steigern.

Aber wir sagen genauso, meine Damen und Herren: Diese von uns angestrebten Qualitätsverbesserungen dürfen nur in einem fairen Wettbewerb aller Schulformen umgesetzt werden.

In diesen Wettbewerb eingebettet ist die Gesamtschule. Wir haben immer dazu gestanden: Die Gesamtschulen sind, auch unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes für die dort angemeldeten Kinder, Teil unseres Schulwesens und haben eine faire Chance verdient – genau wie jede andere Schulform.

Wir haben aber auch immer, wie es im Koalitionsvertrag formuliert ist, behauptet: Gesamtschulen müssen sich im fairen Wettbewerb bewähren. Für sie sollen dieselben Standards unter den gleichen Rahmenbedingungen gelten. – Das war immer unsere Aussage.

(Beifall von der CDU)

Übrigens: Alles andere wäre „Sand in die Augen streuen“. Mit einer Nivellierung beziehungsweise unterschiedlichen Bewertungen von Leistungen tun wir den jungen Menschen am wenigsten einen Gefallen. Wir wollen Bildungsgerechtigkeit. Dazu bedarf es auch übereinstimmender, vergleichbarer Kriterien.

Es gab Rahmenbedingungen für verschiedene Schulformen, die aus unserer Sicht ungerecht waren. Einige ganz wenige Beispiele: Niemand in diesem Hause konnte begründen, wieso zum Beispiel die am meisten belastete Schulform, nämlich die Hauptschule, nicht dieselben Möglichkeiten erhielt wie etwa die Gesamtschule. Die Hauptschule konnte sich in diesem Wettbewerb nicht behaupten, weil man ihr nicht dieselben Möglichkeiten, zum Beispiel bei der Ganztagsbeschulung, anbot. Diese Benachteiligung der Hauptschulen ist nun beendet.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie erinnern sich: An dieser Stelle habe ich immer wieder gesagt, dass es pädagogisch und sozial unvertretbar ist, gerade dieser Schulform nicht diese Möglichkeiten zu geben.

Es ist schon makaber: Sie haben es in über 30 Jahren nicht geschafft, wenigstens auch der Hauptschule diese Chance zu geben, und fordern nun bei den Haushaltsberatungen für alle Schulformen die Ganztagsbeschulung. Meine Damen und Herren, warum haben Sie das in den 30 Jahren nicht umgesetzt?

(Beifall von der CDU)

Der Punkt ist: Zwischen Theorie und Praxis liegen bei Ihnen Welten. Wir fangen an, hier Gerechtigkeit herzustellen.

Zu dieser Thematik gehört auch die Bemessung der Schulleitungspauschale bei den Gesamtschulen. Das ist eine aktuelle Frage. Ja, es ist so: Wir stellen übernommene Besitzstände auf den Prüfstand. Ein solcher Besitzstand ist zweifellos der erhebliche Zuschlag, den die Gesamtschulen im Vergleich zu anderen Schulformen für die Schulleitung bislang erhalten. Die Aufgaben für die Leitung eines Berufskollegs zum Beispiel – das haben wir immer wieder gehört – sind nicht weniger vielfältig und komplex als die für die Leitung einer Gesamtschule.

(Zuruf von der SPD: Das stimmt nicht, Herr Recker!)

Der zeitliche Aufwand dafür ist auch nicht geringer.

Wir sind dafür, Gleiches gleich zu behandeln, und dagegen, dass eine Schulform gegenüber der anderen privilegiert wird. Damit wollen wir Schluss machen – nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall von der CDU)

Bei der Diskussion sollte man übrigens auch wissen – das gehört zur Fairness –, dass die Leitung einer Gesamtschule, bezogen auf die Sekundarstufe I, auch bei der Abschaffung des Sonderzuschlags noch wesentlich mehr Leitungszeit zur Verfügung hat als zum Beispiel die Leitung eines Gymnasiums. Diese günstige Relation, unter anderem auch durch die Ganztagsbeschulung, ist die Basis für die Berechnung des Freistellungsvolumens. In der Sekundarstufe II sind die Bedingungen für beide Schulformen identisch.

Nur, eines ist auch klar: Diese gewonnenen Stellen – das müssen wir immer wieder sagen – werden nicht eingespart, wie es der ein oder andere draußen verkündet, sondern genutzt, um 100 Sozialpädagogen, die bisher in befristeten Beschäftigungsverhältnissen an Förderschulen tätig sind, endlich dauerhaft in den Schuldienst übernehmen zu können.

(Beifall von der CDU)

Die alte Landesregierung konnte die sozialpädagogischen Fachkräfte an den Förderschulen nämlich nur befristet beschäftigen, weil die Stellen einen kw-Vermerk hatten.

Meine Damen und Herren, diese wenigen Beispiele machen deutlich, dass die Qualität an den

Schulen verbessert werden soll und wird, aber – das sagen wir auch – unter fairen und gleichen Bedingungen. Das haben wir den Menschen vor der Wahl gesagt, und genau das setzen wir jetzt um, meine Damen und Herren. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Recker. – Für die SPD spricht nun die Kollegin Hendricks.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Stunde als Theaterdonner, die Inszenierung einer Tragikomödie im x-ten Akt! Mir ist noch nicht ganz klar, in welcher Phase des Dramas wir uns gerade befinden: im retardierenden Moment, um Spannung vor der Katastrophe aufzubauen, oder schon mitten in der Katastrophe selbst?

Egal, eines steht fest: Wieder einmal haben Sie eine Maske aufgesetzt und versuchen dadurch, Ihr wahres Gesicht zu verbergen. Hinter dem scheinheiligen Vorwand des fairen Wettbewerbs soll diese Aktuelle Stunde einzig und allein dazu dienen, von den tatsächlichen, sachlich nicht begründeten Verschlechterungen für die Gesamtschulen abzulenken.