Protocol of the Session on July 13, 2005

Wir werden den Menschen mehr Freiheit geben - vor allen Dingen den Menschen, die gute Ideen umsetzen wollen. Wir geben den Menschen mehr Freiheit, die mit besserer Bildung bessere Chancen suchen. Wir geben den Menschen mehr Freiheit, die Familie und Beruf vereinbaren wollen. Und wir geben den Menschen mehr Freiheit, die in NRW etwas unternehmen wollen.

Zweitens. Wir wollen die soziale Marktwirtschaft als eine Ordnung der Solidarität und Subsidiarität wiederbeleben. Wir wollen Gerechtigkeit. Gleichheit ist nicht gerecht, meine Damen und Herren. Gerecht ist, Vielfalt zuzulassen und dabei stärker auf Teilhabe zu setzen als auf Umverteilung. Wir wollen Solidarität. Klassenkampf ist nicht solidarisch. Solidarisch ist, gegenseitige Verantwortung der Starken für die Unterstützung der Schwächeren und der Schwächeren für die Leistungsfähigkeit der Starken zu organisieren.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, es war falsch, Solidarität als Sache des Staates und nicht mehr als Sache der Gesellschaft und jedes Einzelnen zu begreifen. Es ist mit der Freiheit, Würde und Eigenverantwortung jedes Einzelnen nicht vereinbar, dass der Staat immer mehr Aufgaben für den Einzelnen wahrgenommen und sich immer mehr Zuständigkeiten angemaßt hat. Wir werden das ändern.

Drittens. Wir wollen die Ordnungspolitik, die von den Vätern der sozialen Marktwirtschaft als wirtschaftliche Strukturpolitik entwickelt wurde, um eine soziale Ordnungspolitik ergänzen. Die Absicherung normaler ökonomischer Risiken und die Sicherung von Lebensstandards muss stärker auf privater Basis erfolgen. Die Solidargemeinschaft kann nur noch die Grundsicherung gewährleisten. Das muss sie dann aber auch verlässlich über Jahrzehnte garantieren. Zur Absicherung des Lebensstandards wird mehr private Vorsorge nötig.

Meine Damen und Herren, soziale Ordnungspolitik setzt auf das Versicherungsprinzip, auf selbstverwaltete und politikferne Sozialsysteme, auf Selbstverwaltung der Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammern und auf eine starke kommunale Selbstverwaltung. Versicherungsfremde Leistungen dürfen aus den Sozialkassen nicht mehr bezahlt werden, sondern müssen aus Steuermitteln erbracht werden.

(Lachen von der SPD - Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

In der sozialen Ordnungspolitik muss sich Leistung lohnen. Wer vorsorgt und sich abgesichert hat, darf, wenn er in Not gerät, nicht so behandelt werden, als hätte er nicht vorgesorgt, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Viertens. Wir wollen die soziale Marktwirtschaft wiederbeleben als eine Ordnung, in der der Wettbewerb als überlegenes Organisationsprinzip anerkannt wird, und zwar nicht nur auf den Märkten, sondern auch in den Schulen und Hochschulen. Markt und Wettbewerb sind zweierlei. Ich spreche ausdrücklich nicht von der Ökonomisierung aller Lebensbereiche. Bildungschancen dürfen zum Beispiel nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.

(Beifall von CDU und FDP - Demonstrativer Beifall von der SPD)

Es gibt Dinge, die außerhalb von Angebot und Nachfrage liegen. Ich spreche vom Wettbewerb als Organisationsprinzip. Deshalb will die neue Landesregierung Fördermittel auch in wettbewerblichen Verfahren vergeben und nicht mehr mit der Gießkanne. Meine Damen und Herren, der Bio-Regio-Wettbewerb hat gezeigt: Das ist erfolgreicher.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Wiederbelebung der sozialen Marktwirtschaft wird unser Land in den nächsten Jahren verändern und - davon bin ich überzeugt - auch zu einem neuen Aufbruch führen. Wir wollen, dass Nordrhein-Westfalen bleibt, was es ist: ein weltoffenes, ein soziales, ein sicheres und ein lebenswertes Land. Aber unser Land bleibt nicht, wie es ist. Es wird ein anderes Nordrhein-Westfalen: Es wird freier und dynamischer, es lässt mehr Raum für Innovationen, Eigeninitiative und Kreativität, es wird attraktiver für Investitionen in die Zukunft, es wird seinen Wohlstand wieder mehren, statt weiter von der Substanz zu zehren, und es wird neue Arbeit geben, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, unser Land steht vor drei großen Herausforderungen:

- Wir nehmen die Herausforderungen der Globalisierung an durch eine nachhaltige und solide Haushaltspolitik, durch eine Wirtschaftspolitik zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung und durch eine Arbeitsmarktpolitik, die neue Chancen eröffnet.

- Wir nehmen die Herausforderungen der Wissensgesellschaft an durch eine neue Schul-, Hochschul- und Innovationspolitik, die unser Land aus dem Mittelmaß an die Spitze führt.

- Wir nehmen die Herausforderungen der demographischen Entwicklung an durch eine neue Politik für Kinder und Familien, durch eine Politik der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, durch eine wirksame Integrationspolitik und durch eine Gesundheits- und Sozialpolitik, die das Älterwerden als Chance begreift.

Meine Damen und Herren, das Wort „Globalisierung“ steht für viele Ängste: in den Industrieländern für die Angst vor der Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer, für die Angst vor sinkenden Einkommen, für die Angst vor der Konkurrenz ausländischer Arbeitskräfte, aber auch für die Angst vor dem Verlust gewachsener Strukturen und regionaler Identität.

Nun, meine Damen und Herren, Globalisierung ist nichts Neues. Sie ist auch nicht aufzuhalten. Sie eröffnet vor allem auch neue Chancen. Wir Deutschen profitieren übrigens schon lange davon. Wir sind Weltmeister im Export. Wir verdienen unser Geld auf den Märkten dieser Welt.

(Zuruf von der SPD: So, so!)

Die Globalisierung führt auch nicht zwangsläufig zu Sozialabbau. Die Gründe für die Probleme unseres Sozialsystems liegen nicht in der Globalisierung sondern darin, dass wir über unsere Verhältnisse gelebt haben, dass wir immer mehr Schulden gemacht haben, dass immer weniger Kinder geboren werden und dass immer mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze weggefallen sind. - Das sind die Probleme dieses Landes.

(Beifall von CDU und FDP)

Die richtige Strategie, mit den Umbrüchen der Globalisierung fertig zu werden, besteht nicht im Lamentieren sondern darin, die Ärmel aufzukrempeln und mehr zu arbeiten. Die Globalisierung bietet den Menschen und Unternehmen in Nordrhein

Westfalen große Chancen. Wir werden diese Chancen besser nutzen.

Dazu gehört, dass wir durch die Sanierung des Landeshaushaltes Schritt für Schritt neue Spielräume für Investitionen und Innovationen schaffen und dadurch mehr Wachstum ermöglichen. Wachstum führt zu Beschäftigung.

Wir werden die Neuverschuldung des Landes in den nächsten Jahren kontinuierlich reduzieren. Wir werden den ungebremsten Ausgabenanstieg nachhaltig zurückführen. Unser Ziel ist ein verfassungskonformer Haushalt. Das wird angesichts von 110 Milliarden € Schulden nicht von heute auf morgen gelingen. Aber es gelingt, wenn wir sofort damit beginnen.

Deshalb haben wir nach der Regierungsübernahme eine Haushaltssperre verhängt.

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Die Wirkung ist begrenzt. Aber es ist ein wichtiges Zeichen. Für 2005 legen wir einen Nachtragshaushalt vor.

(Hannelore Kraft [SPD]: Das werden wir nicht zulassen!)

Er ist gleichzeitig die Schlussbilanz von Rot-Grün. Wir werden darin alle im Haushalt und in den Nebenhaushalten schlummernden Risiken aufdecken und etatisieren.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir werden eine Kommission hochrangiger Finanzexperten mit einer grundlegenden Bestandsaufnahme der Haushaltssituation des Landes beauftragen und ein Haushaltssicherungskonzept vorlegen.

In der Landesverwaltung werden wir jährlich 1,5 % der Stellen abbauen. Davon ausgenommen sind die Bereiche Polizei, Justiz, Finanzen, Schule und Hochschule.

(Hannelore Kraft [SPD]: Viel mehr gibt es doch auch nicht! - Heiterkeit von SPD und GRÜNEN)

- Ein solches Lachen zeigt, dass Sie immer noch nicht gelernt haben zu rechnen.

(Beifall von CDU und FDP - Heiterkeit von der SPD)

Die Mittel für Leistungsgesetze und Förderprogramme werden wir um bis zu 20 % zurückfahren.

(Hannelore Kraft [SPD]: Wo denn?)

Den Satz „Geht nicht“ gibt es angesichts der Schuldenlast des Landes nicht. Wo weniger Geld ist, meine Damen und Herren, sind mehr Ideen und mehr Phantasie gefragt. Dafür werden wir Zeit und Raum geben, damit man sich darauf einstellen kann.

Wir werden die wenigen noch vorhandenen Vermögenswerte des Landes veräußern müssen. Wir werden das Vermögensmanagement des Landes neu aufstellen und uns von Beteiligungen teilweise trennen. Wir wollen die Wohnungen der LEG unter Berücksichtigung der notwendigen Sozialstandards verkaufen. Den Bau- und Liegenschaftsbetrieb und die Landesentwicklungsgesellschaft wollen wir neu ordnen und zusammenlegen. Die Jahresabschlüsse beider Unternehmen für 2004 zeigen, dass das notwendig ist. Beim BLB sind Wertberichtigungen von 750 Millionen € erforderlich gewesen,

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Unglaublich!)

bei der LEG ist die Bestandsaufnahme noch nicht abgeschlossen. Das haben wir nach der Wahl zur Kenntnis genommen.

„Was alle betrifft, muss von allen diskutiert werden“, heißt es bei Cicero. Der Streit hat seinen Ort in den Parlamenten, also auch hier im Landtag. Zu viele Entscheidungen laufen aber am Landtag vorbei. Das hat zur Erstarrung beigetragen. Landesgesellschaften und Landesinitiativen, Gremien, Berater und Experten, Lobbyisten und die öffentliche Verwaltung bilden mittlerweile ein informelles und kostspieliges Machtgeflecht. Gleiches gilt auf kommunaler Ebene für das Leitbild „Konzern Stadt“. Viele Menschen haben den Verdacht, dass es häufig um die Durchsetzung von Einzelinteressen geht und nicht um das Gemeinwohl. Ich will, dass die Politik in NordrheinWestfalen transparenter wird. Wo undurchsichtige Strukturen bestehen, müssen sie abgebaut werden. Dass sie bestehen, meine Damen und Herren, ist gerade wieder vom Landesrechnungshof mit Bezug auf die Landesentwicklungsgesellschaft festgestellt worden. Die LEG ist mittlerweile auf über 100 Beteiligungen angewachsen; darunter sind Tochtergesellschaften zum Betrieb von Autohäusern - auch außerhalb von NRW - oder eine Musical-Gesellschaft. Das zuständige Ministerium hatte nicht einmal Kenntnis von allen Beteiligungen. Das ist vordemokratisch und ineffizient. Das kann so nicht bleiben.

(Beifall von CDU und FDP)

Jahrzehnte wurden Schulden gemacht mit der Begründung, man wolle den Aufschwung nicht kaputtsparen. Diese Wirtschaftspolitik à la Keynes

ist gescheitert. Eine neue Wirtschaftspolitik setzt auf die Konsolidierung des Staatshaushaltes und schafft damit Spielräume für Investitionen und Innovationen. So entstehen neue Arbeitsplätze.

Meine Damen und Herren, wir werden die Wirtschaftspolitik des Landes auf Wachstum und Beschäftigung im globalen Wettbewerb ausrichten. Die Landesregierung bekennt sich ausdrücklich zum Industriestandort Nordrhein-Westfalen. NRW bleibt industrieller Kern in Deutschland und Europa. Die nordrhein-westfälische Industrie ist international wettbewerbsfähig. Das ist die Wahrheit, obwohl oft so getan wird, als sei das anders.

Viele Unternehmensführungen haben in den letzten Jahres Großes geleistet. Dafür verdienen sie Anerkennung und keine Kapitalismuskritik.