Hören Sie doch bis zum Ende zu! – Jetzt werden es mindestens 35,7. Für das nächste Jahr weisen Sie nur 37,4 Millionen € aus. Wir sagen: Es sind mindestens 37,7 Millionen € – aber vorsichtig geschätzt, Herr Finanzminister. Das ist der eigentliche Punkt. Sie schaffen sich Handlungsspielräume – und das ist der Sinn und Zweck des Ganzen –
am Parlament vorbei in bisher nicht gekannten Größenordnungen: für 2006 rund 500 Millionen €, für 2007 mindestens 400 Millionen €, und das auch noch zulasten der Kommunen, Herr Finanzminister.
Ich bleibe beim Bild vom Sparstrumpf, Herr Minister. Der Sparstrumpf wächst und wächst. Eigentlich brauchen Sie jetzt schon einen Geldspeicher. Bei uns nennt man Sie jetzt schon „Dagobert Linssen“.
Es bleibt dabei: Sie sagen das Eine und tun das Andere. Jeder zusätzliche Euro bei den Steuereinnahmen geht in den Schuldenabbau: Das war Ihr Versprechen, Herr Finanzminister, Herr Ministerpräsident. Und die Wahrheit? Sie haben Steuermehreinnahmen von mehr als 2,1 Milliarden €. Und davon brauchen Sie etwa 1 Milliarde €, also rund die Hälfte, für mehr Ausgaben, Herr Minister.
Herr Ministerpräsident, ich zitiere aus Ihrer Rede mit den „Top 10 der Lebenslügen“, die Sie auf „Zollverein“ gehalten haben und die in der „Wirtschaftswoche“ so schön zusammengefasst worden ist. Ich zitiere die Lebenslüge Nr. 9; da geht es um „Haushaltskonsolidierung verhindert Wachstum“. Sie sagen:
„Konsolidierung in wirtschaftlich schlechten Zeiten führt aber nicht zu einer Abschwächung, sondern zu einer Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage.“
„Die Konsolidierung muss allerdings auf der Ausgaben-, nicht auf der Einnahmenseite stattfinden, ausgenommen öffentliche Investitionen.“
Ja, aber was geschieht tatsächlich in Ihrem Haushalt, Herr Minister Linssen? Er wächst um 2,2 %. Und Sie steigern die Ausgaben um 1,1 Milliarden €. Das ist kein Sparhaushalt. Sie sind kein Sparkommissar, Sie sind schon gar nicht der „Eiserne Helmut“, Herr Finanzminister!
(Beifall von der SPD – Rainer Schmeltzer [SPD]: Der Finanzminister kennt die Lebens- lüge Nr. 9 noch nicht!)
Noch einmal zu den Investitionen – da kann ich Sie auch nicht rauslassen –: Die landeseigenen Investitionen werden sogar um 350 Millionen € zurückgefahren. Das entspricht 10 %.
Wir halten fest: Sie konsolidieren nur über die Einnahmen. Der Mehrwertsteuer sei Dank, Herr Papke; da brauchen Sie gar nicht wegzugucken. Sie wollten sie ja eigentlich gar nicht haben.
Herr Ministerpräsident, was ist denn da die Lebenslüge: Ist Ihrer Meinung nach dieser Haushalt schädlich, weil weder die Ausgaben sinken noch die Investitionen steigen, oder war möglicherweise Ihr Ziel einer raschen Haushaltskonsolidierung eine Lebenslüge, die Sie mit diesem Entwurf aufgegeben haben? – Sie hätten springen können, haben aber vor den Hindernissen gescheut. In Aachen heißt das dieser Tage „Verweigerung vor dem Oxer“.
Meine Damen und Herren, Sie sagen das Eine, tun aber das Andere. Das gilt auch beim Personal. Hier haben Sie Großes angekündigt. Ein Blick auf den Haushalt zeigt: Es gibt keinesfalls 3.200 Stellen weniger, wie uns Minister Linssen glaub
haft machen will. Richtig ist – da muss man schon genauer hinschauen –, dass in den Behörden wie schon seit Jahren – auch zu unseren Zeiten – rund 3.000 Stellen wegfallen werden. Das geschieht durch die Realisierung der sogenannten kw-Vermerke; das heißt „kann wegfallen“. Das geschieht dann, wenn die Mitarbeiter ausscheiden.
Der Unterschied zu unserer Zeit ist, dass Sie mehr neue Stellen schaffen, als sie alte abbauen. Und darum sind am Ende im Saldo 167 Stellen mehr im Haushalt. Schauen Sie auf Seite 109 des Haushaltsgesetzes, Herr Minister.
Auch zu unserer Zeit wurden neue Lehrer, neue Polizisten, neue Staatsanwälte und neue Betriebsprüfer eingestellt. Und trotzdem haben wir im Saldo der letzten zwei Jahre unserer Regierung jeweils rund 1.000 Stellen abgebaut. Sie wollten durch Personalabbau sparen, aber Sie schaffen es bisher nicht einmal, unsere Zahlen zu erreichen, Herr Finanzminister. Das ist die Wahrheit.
Übrigens: Sie haben vorhin gesagt, die Verwaltung sei gestrafft worden. Auch das ist falsch. Erst einmal haben Sie lauter neue Türschilder aufgehängt; das wollen wir einmal festhalten. Da ist noch gar nichts weggeschafft. Und dann darf man an dieser Stelle auch noch einmal darauf hinweisen, dass es eine ganze Reihe neuer Stellen gibt, die wir zumindest bedenkenswert finden. Ich nehme den neuen Staatssekretär in der Staatskanzlei, ich nehme den neuen zusätzlichen Abteilungsleiter beim Finanzminister, und ich sehe noch einige neue Gruppenleiterstellen, die in diesem Haushalt drin sind.
Ausdrücklich begrüßen wir – das sage ich an dieser Stelle, weil Sie damit eine unserer Forderungen erfüllen –, dass Ihr Haushaltsentwurf einen Aufwuchs für die Übernahme der ausgebildeten Anwärter bei der Polizei enthält. Das ist richtig.
Meine Damen und Herren, es lohnt sich ebenfalls ein Blick auf die Lehrerstellen. Es lohnt sich, auch da einmal etwas genauer hinzuschauen. Ihre Ankündigung war, 1.000 Lehrerstellen jedes Jahr zusätzlich gegen Unterrichtsausfall einzurichten. Im Haushalt stehen auch 1.000 „frische“ Stellen. Allerdings werden gleichzeitig 500 kw-Stellen abgesetzt. Das macht unterm Strich 500. Und davon sollen 250 aus dem neuen Personaleinsatzmanagement fachfremd durch Umsetzungen besetzt
werden. Es bleiben also 250 vollwertige Lehrerstellen für rund 6.700 Schulen. Das macht statistisch 0,04 Stellen pro Schule.
Ich sage Ihnen als betroffene Mutter: Wie damit der Unterrichtsausfall in der Klasse meines Sohnes abgebaut werden soll, ist mir überhaupt nicht klar.
(Beifall von SPD und GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: Jetzt wird Frau Sommer ganz schnell und muss telefonieren!)
Da Sie immer wieder von neuen Lehrerstellen reden, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, rate ich Ihnen: Seien Sie vorsichtig, wenn Sie damit nach vor Ort gehen. Es dämmert so langsam und dringt so langsam durch. Sie sprechen zwar von 4.000 neuen Lehrerstellen, die Sie schaffen wollen, aber bei den Menschen ist schon angekommen, dass es maximal 2.000 sein werden. Denn die übrigen Stellen werden gleichzeitig über kw-Stellen abgebaut.
Da müssten Sie ehrlicherweise mit dem Saldo agieren und nicht nur die Zuwächse nennen, Herr Lindner. Das wäre ehrliche Politik, aber dazu sind Sie nicht in der Lage.
(Beifall von SPD und GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: Zumindest Herr Linssen sollte wissen, was ein Saldo ist!)
Ich bleibe noch einmal in der Reitersprache; wir haben ja zurzeit das große Fest in Aachen: Haushaltswahrheit, Haushaltsklarheit und faire Lastenverteilung – bei dieser Triplebarre, Herr Minister, reißen Sie alle drei Ricks.
Meine Damen und Herren, auch bei der politischen Schwerpunktsetzung – über diese wurde vorhin schon gesprochen – gilt: Sie sagen das Eine und tun das Andere. Herr Ministerpräsident redet vom Jahr der Kinder, vom Schwerpunkt Bildung. Aber da, wo Sie Farbe bekennen und Geld in die Hand nehmen müssen, wo Sie es im Haushalt hinterlegen müssen, kneifen Sie. Dies ist für unser Land fatal.
Kinder, Jugend und Bildung sichern unsere Zukunft. Wir wissen es doch alle, und wir sagen es doch auch alle. Doch hier setzen Sie keine Maßstäbe. Hier gibt es keine nennenswerten Impulse. Mehr Bildung – und das wissen wir auch alle – geht in Kindergärten beispielsweise nur über ver
pflichtende Angebote. Deshalb braucht man eine Beitragsfreiheit. Hierzu haben Sie nicht den Mut, nicht einmal mit der Perspektive 2009, wie ich aus den letzten Tagen schließen kann.
Vielleicht sprechen Sie noch einmal mit der Bundeskanzlerin. In einem interessanten Artikel im heutigen „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagt Frau Merkel:
„’Ich gehe davon aus, dass wir kostenlose Kindergärten haben werden.’ Die Kanzlerin sprach sich dafür aus, zunächst mit einem kostenfreien dritten Kindergartenjahr zu beginnen.“
Die Kürzungen im Jugendbereich nehmen Sie trotz weiterhin stark steigender Einnahmen auch nicht zurück. Das ist und bleibt unsozial, und das Schlimme ist: Es verursacht Folgekosten, die wesentlich höher sind. Das sagen Ihnen doch die Fachleute.
Hier treffen Sie schon in diesem Jahr die Kommunen. Und damit nicht genug: 2007 entlastet sich das Land massiv auf Kosten der Kommunen. Viele befinden sich bereits seit Jahren in einer dramatischen Schuldenspirale. Mit Haushaltssicherungskonzepten, mit Nothaushalten versuchen Sie über die Runden zu kommen. Nun bürden Sie ihnen weitere Belastungen auf:
minus 85 Millionen € durch den Ausfall der Erstattung nicht eingenommener Elternbeiträge in den Kindergärten,