Dieses sensible Thema ist nicht geeignet, politische Paukenschläge im Lande zu erzeugen. Das hat uns die Diskussion in den vergangenen Jahren nachhaltig gezeigt.
(Rainer Schmeltzer [SPD]: Was machen Sie denn da? Es sind arrogante Paukenschläge, die Sie da loslassen!)
Zusammengefasst: Wir müssen im Maßregelvollzug kostengünstiger werden, Verweildauern verkürzen, Nachteinschluss, Bürokratieabbau, für nicht Therapiefähige oder -willige Lösungen finden, Stationsgrößen überprüfen.
An der Sicherheit wird nicht gespart. Die Sicherheit der Bevölkerung und der Beschäftigten hat höchste Priorität. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Burkert. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Bischoff das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann den Unmut verstehen, Frau Steffens, ich habe ihn auch.
Herr Burkert, ich habe mir vorher die Redeliste angesehen und gedacht: Die schicken jetzt extra einen Neuling hierhin, der die Debatte der letzten Legislaturperiode nicht mitbekommen hat. Frau Steffens hat auf die Protokolle hingewiesen, wo Herr Henke eine Rolle gespielt hat, Herr Post hat eine kleinere Rolle gespielt und Herr Arentz eine besonders große. Er ist aus bekannten Gründen ja nicht mehr hier im Hause. Ich habe gedacht: Herr Burkert ist nicht beschlagen, nicht beleckt; er kann hier schön reden. Aber, Herr Burkert, so kommen Sie uns nicht weg. So geht es nicht.
(Hendrik Wüst [CDU]: Er hat auch schön ge- redet! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Herr Wüst, Sie hatten immer schon eine komische Auffassungsgabe!)
Ich bin von Beruf Pädagoge. Sie gehören zu den Enttäuschungen meines Fachgebiets. Wir haben im Ausschuss letzte Woche darüber geredet, Frau Steffens hat Ihnen hier vorgetragen, welche Vorwürfe die Opposition hat, und Sie verstehen gar nichts? Das ist reine Rhetorik. Jeder, der seine fünf Sinne zusammen hat, kann verstehen, welche Kritikpunkte wir haben. Sie haben reine Rhetorik vorgetragen und ein Stück weit Scheinheiligkeit.
Zu Ihrer Nummer mit Rheine: Da sind 78 befristete Stellen nicht verlängert worden. Das wissen Sie, das weiß Herr Laumann, das weiß ich. Dort hat es Demonstrationen gegeben, die weder Frau Steffens noch ich bestellt habe. Das wissen Sie, das weiß Herr Laumann, das weiß ich.
Sie stehen scheinheilig hier und sagen, die Opposition ist so boshaft und will ihnen ein Thema aufdrücken. – Blödsinn! Das haben Sie sich selber aufgedrückt. Besonders Herr Laumann hat sich das Thema aufgedrückt,
(Barbara Steffens [GRÜNE]: Wir haben das Thema nicht hochgezogen! – Minister Karl- Josef Laumann: Ach ja?)
indem er nämlich wie ein Elefant im Porzellanladen in der Branche herumgelaufen ist. Darauf gehe ich aber gleich noch ein.
Die Vorbemerkung ist, Herr Burkert: Trotz Ihrer Rede bleibt es dabei, dass die SPDLandtagsfraktion ihre konstruktive Zusammenarbeit in dieser Frage anbietet. Diese hat bei mir ein paar Zweifel aufkommen lassen, nichtsdestotrotz ist aber das Thema wichtiger als das, was Sie hier ausgeführt haben.
Für uns heißt es allerdings – auf die Sicherheit komme ich gleich noch einmal, wo Sie einfach erzählen, die Sicherheit sei gewährleistet –: Erste Priorität hat die Sicherheit innerhalb und außerhalb der Einrichtung. Weil das so ist, hatte die Vorgängerregierung ein Konzept entwickelt, wo genau das genau so Priorität hatte. Das hat Herr
Laumann übernommen, ist dann auf uns zugegangen und hat gesagt: Es möge doch so sein, dass man im Bereich Forensik parteiübergreifend arbeitet. Das machen wir auch. Ich habe es gerade noch einmal angeboten.
Nur, wenn dann derselbe Minister 25 % Kürzungen in drei Jahren vorschlägt – das haben die Träger gesagt bekommen, übrigens nicht alle Träger, sondern er geht einzeln durchs Land und teilt ihnen das mit –, wenn er dieses Konzept quasi aushöhlt und ich Ihnen gleich nachweisen werde, dass die Sicherheit dann eben nicht mehr gewährleistet ist, können Sie doch nicht davon ausgehen, dass Ihnen die Parteien hier im Landtag einen Freifahrtschein für ein Etikett geben, das Sie von der Vorgängerregierung übernommen haben, wo das Konzept aber bei weitem nicht mehr das ist, was es vorher war. Sie können doch nicht davon ausgehen, dass wir sagen: Das habt ihr toll gemacht. Laumann sagt, er macht dasselbe. Er tut es zwar nicht, aber wir sollen Ja sagen. Das ist doch ein Witz, und Ihre Scheinheiligkeit hat diesen Eindruck verstärkt.
Bis 25 % zu kürzen heißt für die Einrichtungen, damit Sie das mit der Sicherheit verstehen können, Herr Burkert – es ist, wie gesagt, eine Enttäuschung für die Pädagogen, aber vielleicht schaffe ich es ja; Frau Steffens hat es nicht geschafft, dass Sie das verstanden haben –: Die Träger teilen uns erfolgreich mit, dass 70 bis 80 % der Betriebsmittel Personalausgaben sind. Sie teilen uns erfolgreich mit, dass es bei diesen Personalausgaben fixe Größen gibt, die man nicht verändern kann. Wenn sie dieselbe Patientenzahl haben, werden sie wahrscheinlich nicht die Zahl der Essen am Tag reduzieren können und damit nicht die Zahl der Köche. Sie werden auch den Pförtner nicht abschaffen können. Auch im Verwaltungsbereich gibt es eine bestimmte Beschäftigungszahl, die sie nicht verringern können.
Wenn man dann weiß, dass diese 70, 80 % das Wesentliche sind, dann ist bei einer Kürzung von 20 bis 25 % in drei Jahren auch für Laien ohne große Fantasie erkennbar, dass die Kürzungen im Bereich des therapeutischen Personals zu vollziehen sind. Es ist völlig klar, dass das therapeutische Personal den Kürzungen unterliegen muss und damit die Qualität der Therapie sinkt.
Wenn die Qualität der Therapie sinkt, sinkt die Sicherheit. Wenn nämlich die Kontakte der Therapeuten zu ihren Patientinnen und Patienten abnehmen, nehmen sie bei diesen weder Wesensveränderungen im erforderlichen Maße wahr noch
deren eventuelle Absicht, sich möglicherweise zu entfernen. Das ist völlig logisch und nachvollziehbar und eigentlich für jeden verständlich, der das verstehen will, Herr Burkert.
Herr Minister Laumann, konstruktive Zusammenarbeit bezieht sich einmal auf die Träger; darüber haben wir gesprochen. Sie bezieht sich aber auch auf die Fraktionen hier im Landtag von NordrheinWestfalen. Das habe ich gerade angedeutet. Sie haben eine Absprache aus dem Jahre 2004 – sozusagen eine Finanzplanung, die auf Initiative des Ministeriums gemeinsam mit allen Trägern und Beteiligten gemacht worden ist – einseitig zulasten der Träger gekündigt. Sie haben diese Versammlung nämlich nicht wieder einberufen, sondern sind durchs Land gegangen und haben einzeln mit den Einrichtungen gesprochen und Kürzungen angedroht.
Genau so ist das! Sie gestehen das hier ein. – Träger sagen mir, dass Sie damit das gemeinsame Konzept außer Kraft gesetzt haben, und zwar einseitig. Das empört nicht nur die Träger und Beteiligten – übrigens auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Klinken –, sondern ist auch das Gegenteil von Verlässlichkeit der Landespolitik. Diese Verlässlichkeit haben Sie verlassen. Sie haben die Verlässlichkeit der Landespolitik außer Kraft gesetzt und die Verlässlichkeit der Absprachen einseitig gekündigt. Von dieser Stelle aus sage ich Ihnen: Das empört nicht nur die Träger, sondern das empört auch meine Fraktion und mich.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass das Thema sensibel ist, haben Sie mehrfach angesprochen, Herr Laumann. Und die Kommunikation von Ihrer Seite – ich habe gerade versucht, das nachzuweisen – ist Null. Sie haben weder mit der „Landschaft“ noch mit dem Hause oder den Fraktionen – jedenfalls denen der Opposition – gesprochen.
Deswegen wiederhole ich es hier noch einmal genauso laut und klar, wie ich es im Ausschuss ausgeführt habe: Wenn Sie wollen, dass es eine konstruktive Zusammenarbeit gibt, Herr Minister Laumann, muss sich das Verhalten der Landesregierung kurzfristig ändern.
Um es in der Fußballweltmeisterschaftssprache zu formulieren: Der Ball liegt eindeutig in Ihrer Hälfte! – Wie gesagt, wir haben es vor einer Woche am 14. Juni im Ausschuss besprochen: Ich
will nicht verhehlen, dass Staatssekretär Winter – nicht der Minister –, der im Moment nicht da ist, deutlich zu erkennen gegeben hat, dass er dieser Kritik zumindest nicht fundamental widerspricht und man den Weg des konstruktiven Miteinanders gehen wolle. Ich habe ihm geantwortet, dass ich die Zeichen erkannt habe. Ich habe das Gefühl gehabt, dass auch er die Zeichen und das, was wir vorher kritisiert hatten, erkannt hatte.
Das will ich nicht infrage stellen, aber noch einmal zum Ausdruck bringen, was ich im Ausschuss am Ende der Beratungen gesagt habe: Es kommt nicht nur darauf an, etwas anzukündigen, sondern es kommt auch darauf an, es zu machen, Herr Minister Laumann. Damit meine ich die konstruktive Zusammenarbeit. Daran werden wir Sie messen.
Zum Abschluss zum Antrag der Grünen, auf den ich ganz wenig eingegangen bin. Wir unterstützen diesen Antrag. Möglicherweise wird es im Ausschuss den einen oder anderen Punkt oder das eine oder andere Komma zu beraten geben, möglicherweise werden wir noch einen Punkt finden, den wir verändern wollen. Aber die Grundintention des Antrags halten wir für richtig.
Noch einmal: Das Verhalten der Landesregierung – zusammengefasst – in punkto „Priorität für die Sicherheit durch Therapieerfolge“ und in punkto „Kommunikation“ – sensible Kommunikation bei diesem sensiblen Thema, Herr Minister Laumann – wird über den weiteren Gang im Hause entscheiden. Ich sage es Ihnen noch einmal: Sie müssen Ihr Verhalten ändern. Wenn Sie das tun, werden wir zu einem konstruktiven Miteinander finden. Wird das nicht der Fall sein, werden wir im Wettbewerb um konkurrierende Modelle und konkurrierende Konzepte streiten.
In diesem Sinne wünsche ich uns nach wie vor sehr, dass die Rede von Herrn Burkert ein Ausrutscher war. Das wünsche ich nicht nur Herrn Burkert, sondern der gesamten CDU-Fraktion und der Landesregierung sehr. Ansonsten bekommen wir, glaube ich, Konfliktstoff. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bischoff. – Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Romberg das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Kollegen hatten sich eigentlich vorgenommen, sachlich und möglichst unemotional an das Thema heranzugehen.
Ich hatte den Eindruck, dass das nicht überall gelungen ist. Irgendwie ist der Maßregelvollzug vielleicht auch so emotionsgeladen, dass man das in einer solchen Situation gar nicht leisten kann. Aber Begriffe wie „Scheinheiligkeit“ helfen nicht, wenn man als Ziel das politische Miteinander hat.
(Beifall von der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Die Inhalte, die damit gemeint sind, helfen auch nicht!)
Mehrere Dinge sind angesprochen worden. Einheitlich habe ich als oberstes Ziel das Prinzip Sicherheit herausgehört. Dann wurde die Maßgabe aufgestellt, dass Therapie Sicherheit bedeutet. Das kann man aber nur teilweise unterschreiben. Therapie bedeutet eben nicht nur Sicherheit, sondern bedeutet auch Freiheit und Eigenverantwortung. Man will ja, dass sich psychisch kranke Menschen, die Straftaten begangen haben, ändern.
Man sollte immer klar sagen: Will man in dieser Gesellschaft Maßregelvollzug verantwortlich durchführen, geht das nicht mit 100 %iger Sicherheit für die Bevölkerung. Eine solche 100 %ige Sicherheit ist nicht möglich. Dann kann man sich Maßregelvollzug als System, als Prinzip ganz sparen. Das wollen wir nicht.