Die Fraktionen der CDU und der FDP haben sich nämlich auf den von Ihnen vorgelegten Bericht der Arbeitsgruppe berufen, den ich, wie gerade geschildert, um 16:50 Uhr bekommen habe. Das gilt für die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion gleichfalls.
Der Zwischenruf „Sauerei“ mag nicht besonders parlamentarisch sein, Herr Minister Laumann, aber er trifft dennoch die Realität und das Vorgehen Ihres Ministeriums.
Nein, wir sind nicht die Inquisition. Wir sind die Opposition. Und wir sind eine Fraktion hier im Landtag. Es ist üblich, dass die Landesregierung – Herr Palmen, Sie werden sich noch an Ihre frühere Tätigkeit erinnern – die Fraktionen gleichzeitig und gleichberechtigt informiert. Ich habe Ihnen gerade nachgewiesen, dass dies nicht der Fall ist.
Wenn CDU und FDP einen Antrag mit Datum 23. Mai stellen und ich selber als Sprecher meiner Fraktion das Papier, auf das sich der Antrag beruft, um 16:50 Uhr des heutigen Tages, also am 1. Juni, bekomme, dann habe ich Ihnen das nachgewiesen, Herr Palmen.
Herr Kollege Bischoff, ich habe zwei ordnungsgemäß angemeldete Zwischenfragen von Kollegen, und zwar einmal von Herrn Dr. Romberg und dann von Herrn Henke. Wollen Sie die zulassen?
Herr Bischoff, glauben Sie mir, dass ich genauso verwundert war, dass der Bericht auch in mein Fach erst zu dem von Ihnen genannten Zeitpunkt, nämlich gegen 15:30 Uhr, gelegt wurde und dass ich ihn dann erstmalig in der Hand gehalten habe?
Glauben heißt nicht Wissen. Aber ich bin hoch verwundert. Sie haben den Antrag unterschrieben – Ihr Name steht darunter: Dr. Stefan Romberg –, den wir gerade beraten:
„Der Landtag begrüßt, dass zur Vorklärung der Problemlagen in Diensten und Einrichtungen sowie der Handlungsmöglichkeiten der Landespolitik von der Landesregierung eine Arbeitsgruppe ‚Entbürokratisierung in der Pflege’ eingesetzt worden ist, die nunmehr ihren Abschlussbericht vorgelegt hat. Darin werden insbesondere folgende Entbürokratisierungspotenziale aufgezeigt …“
Dann skizzieren Sie mit vier Spiegelstrichen Ihre Interpretation der mit dem Papier vorgelegten Ergebnisse der Arbeitsgruppe. Wenn Sie mir jetzt sagen, Sie hätten das gar nicht gesehen, dann kann ich nur sagen: Ziehen Sie den Antrag zurück, aber ganz schnell! Den haben Sie unterschrieben! Darunter steht Ihr Name! Sie haben auch gerade dazu gesprochen.
Sie bewerten also etwas, was Sie noch gar nicht gesehen haben, Herr Dr. Romberg. Datum 23. Mai! Das ist ein dicker Hund!
Ist Ihnen bekannt, dass es bereits vor dem Antrag der Koalitionsfraktionen eine öffentlich zugängliche, auch im Internet stehende Pressemitteilung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales gegeben hat, in der Auskunft über Zusammensetzung und Arbeitsauftrag dieser Arbeitsgruppe gegeben wird? Und haben Sie zur Kenntnis genommen, dass unter den
Menschen, die dort tätig sind, auch eine ganze Reihe von Leuten ist, die sich der Diskussion mit Abgeordneten nicht entziehen?
Jetzt hören Sie doch einmal zu, Herr Minister! Seien Sie doch nicht so aufgeregt! – Es geht doch darum, ob die Landesregierung die Fraktionen entweder nicht gleichzeitig mit den Papieren bedient hat, die sie ihnen für eine solche Debatte zur Verfügung stellen müssen, oder ob – das muss ich sagen, nachdem sich Herr Dr. Romberg eingebracht hat; dann ist es politisch noch merkwürdiger – zwei Fraktionen einen Antrag auf Basis eines Arbeitsgruppenberichtes stellen, den sie gar nicht kennen. Das ist ja noch merkwürdiger. Da ist mir ziemlich egal, was das Internet oder die Presseabteilung des Ministeriums sagt. Ich bin hier Abgeordneter.
Nachdem Herr Burkert hier also solch ein Horrorszenario dargestellt hat, hat mich ein Satz in Ihrem Antrag besonders angesprochen – wo Sie übrigens das Ergebnis der Arbeitsgruppe bewerten –, mit dem Sie die Abschaffung überflüssiger Gesetze fordern. Da habe ich erst einmal gesagt: Boah! Abschaffung überflüssiger Gesetze! – Das fordern Sie ja so pauschal. Nach dem ersten Eindruck sagt man: Da haben Sie bei allen Wirtsleuten und in allen Hinterstuben und an allen Stammtischen einen Treffer gelandet. „Alle überflüssigen Gesetze abschaffen“ ist eine Tautologie.
Jetzt frage ich mich aber: Was meinen Sie mit der Abschaffung überflüssiger Gesetze? Ich habe Ihnen beiden sehr gut zugehört, Herr Burkert und Herr Dr. Romberg – kein Wort. Ich weiß jetzt nicht, welche Gesetze in Ihren Augen überflüssig sind und welche nicht. Sie erwarten von uns aber eine Stellungnahme zu dem Antrag.
Ich will an einem Beispiel aus einem anderen Arbeitsgebiet deutlich machen, dass die Ansichten dabei durchaus auseinander gehen können. Beim Tariftreuegesetz beispielsweise streiten wir derzeit über Folgendes: Ich – auch meine Fraktion – halte das für ausgesprochen wichtig und darüber hinaus für verbesserungsbedürftig. Frau Thoben, die nicht anwesend ist, findet das gar nicht wichtig; sie findet es überflüssig. Wenn ich es richtig
verstehe, ist Herr Laumann eingeknickt; er sagt eigentlich gar nichts zu dem Thema, weil er möglicherweise ganz ähnlich denkt wie ich. Ich weiß es nicht.
Ich will an diesem Beispiel deutlich machen, dass die Definition überflüssiger oder nicht überflüssiger Gesetze geradezu das Wesen der politischen Auseinandersetzung ist. Wenn Sie derart allgemeine Formulierungen, nämlich dass Sie die überflüssigen Gesetze abschaffen, hineinpacken und dadurch unsere Zustimmung erlangen wollen, müssen wir, bitte schön, erst einmal darüber diskutieren, welche Gesetze Sie überhaupt meinen. Das ist ein Antrag, der überhaupt nicht detailliert vorgeht und überhaupt nicht abwägt – das ist mir bei Herrn Burkert auch noch einmal aufgefallen –, dass Gelder Dritter, in dem Fall in der Regel Gelder der Pflegeversicherung, verbrannt werden und dass es auf der einen Seite zwar eine Belegpflicht und auch eine Nachweispflicht geben muss, auf der anderen Seite aber natürlich keine überbordende Bürokratie entstehen darf.
Zwischen diesen beiden Anforderungen muss man abwägen. Auch ich kenne das. Ich will das an einem Beispiel aus einem anderen Bereich zeigen. Ich habe jahrelang Jugendarbeit gemacht. Jugendarbeiter wie ich sind in der Regel Sozialarbeiter, Diplompädagogen oder sonst was, die alles mögen, nur nicht, bitte schön, dauernd Belege oder irgendwelche Unterschriftenlisten zu sammeln und sie dann auszufüllen und einzureichen. Das mochte ich auch nicht. Den Kram fand ich ziemlich überflüssig.
Ziemlich überflüssig. – Nun ist Herr Laschet zu dieser späten Stunde auch nicht mehr da. Dabei wäre ich interessiert daran, ihn zu fragen. Es geht nämlich um Landesgelder aus seinem Ministerium. Würde er auch sagen: „Das ist alles überflüssig, das brauchen wir nicht“? Er möchte nämlich schon, dass nachgewiesen wird, was mit seinem Geld geschehen ist. Das wollen die Pflegeversicherungen auch.
Insofern – ich wiederhole es – brauchen wir ein Abwägen zwischen den beiden Ansprüchen. Das aber geben weder ihr Antrag noch die Äußerungen von Herrn Romberg oder Herrn Burkert in irgendeiner Form her. Vielmehr geht es dort einfach populistisch – überhaupt nicht fachgerecht – darum, Bürokratie abzubauen. Ich habe es gerade erwähnt: Die Stammtische der FDP sowie der Wirtschaft und der Unternehmen werden Sie damit erreichen. Aber sach- und fachgerecht gehen
Dritter Aspekt. Uns ist aufgefallen, dass Folgendes fehlte: Es ist zu einer durchaus erfolgreichen Methode geworden, bestimmte Einrichtungen zu zertifizieren, sie also positiv auszuzeichnen und mit einem Gütesiegel – natürlich von Dritten – zu versehen, um damit ein Stück weit Bürokratie abzubauen, aber den Menschen auch ein Stück weit die Sicherheit zu geben, dass bestimmte Qualitätsmerkmale eingehalten werden.
Dass man eine solche Vorgehensweise ebenfalls wählen könnte, kommt in Ihrem Antrag nicht vor. Ich glaube zu ahnen, warum das so ist: Es geht Ihnen wirklich nur darum, nach außen hin populistisch deutlich zu machen, dass Sie Bürokratie abbauen. Das hört sich ein Stück weit nach „Hurra, wir haben es geschafft“ an. Ich spüre so eine Art Goldgräberstimmung in Ihrem Antrag. Der Sache haben Sie sich bisher aber überhaupt nicht angenommen.
Um zum Abschluss zu kommen – ich will das noch einmal zusammenfassen –: Ich halte den Antrag für sehr allgemein. Noch einmal: Mit der Grundforderung, die Bürokratie in bestimmten Abläufen zu minimieren, habe ich kein Problem. Darüber kann man reden. Es geht aber um die Einseitigkeit Ihres Antrags. Wie soll ich das sagen? Mir fällt dafür nichts Besseres ein als der Begriff „allgemeine Formulierungen“, den ich eben verwendet habe, als es um die überflüssigen Gesetze und deren Abschaffung ging. Es sind Stilblüten – genau, das Wort habe ich gerade gesucht –, die in dem Antrag stehen.
Wir sollten uns darüber auseinander setzen und auch einmal vom Allgemeinen ins Konkrete kommen. Sie sollten uns im Ausschuss vortragen, welche Gesetze und Verordnungen Sie im Auge haben. Dann können wir im Ausschuss sehr trefflich darüber streiten, was wir angehen wollen oder nicht angehen wollen. Der Antrag in seiner jetzigen Form kann jedenfalls auf gar keinen Fall unsere Zustimmung finden. Wenn er nicht verändert wird, werden wir ihm im Ausschuss nicht zustimmen.
Aber hier geht es zunächst einmal um die Überweisung. Dann werden wir sicherlich darüber streiten können. Herr Laumann, bis dahin habe ich auch das Papier – seit 16:50 Uhr liegt es mir vor – durchgelesen. Ich will es noch einmal zeigen.
Es ist durchaus umfangreich. Herr Romberg hat es dann auch gelesen. Dann kann er seinen Antrag vielleicht noch einmal neu formulieren; denn ich hoffe doch, dass er zu neuen Erkenntnissen kommt, wenn er das gelesen hat. Herr Romberg, vielleicht decken sich Ihre Erkenntnisse mit meinem Redebeitrag, und wir kommen uns im Ausschuss etwas näher. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Bischoff. – Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Steffens für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit dem Punkt Verfahren einsteigen. Ich finde das Verfahren schon erstaunlich. Herr Henke, dass Sie sagen, Ihr Antrag basiere auf der Pressemitteilung oder auf der Presseinformation der Homepage des Ministeriums, halte ich nicht für korrekt; denn ihr Antrag enthält schon Sachen, die in der Presseankündigung nicht stehen, und Sie beziehen sich in Ihrem Antrag explizit darauf und sagen: Darin werden insbesondere folgende Entbürokratisierungspotentiale aufgezeigt. – Dann aber kommen in Ihrem Antrag Sachen vor, die, wie gesagt, auf der Homepage so nicht stehen.
Von daher hatten Sie auf jeden Fall die Informationen über das Ergebnis der Arbeitsgruppe zum Zeitpunkt der Erstellung Ihres Antrags.