Protocol of the Session on May 31, 2006

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Laschet das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass die Aussage, es gäbe nichts Überflüssigeres als diesen Antrag, die die SPD-Fraktion getroffen hat, der Sache nicht gerecht wird. Wir werden in den nächsten fünf Jahren noch sehr häufig über Bildung, Sprachkompetenz und Sprachförderung sprechen müssen. Ich glaube, darüber kann man

auch gar nicht genug sprechen, um das Bewusstsein zu schaffen, damit Eltern erkennen, wie wichtig Sprache für ihre eigenen Kinder ist. Aus diesem Grunde ist dieser Antrag der Koalitionsfraktionen sehr hilfreich, der noch einmal ein paar klare Prinzipien in die Debatte einbringt.

Ich hoffe, dass die SPD mit der einmaligen Beratung letztes Jahr im Oktober – Sie haben die Sitzung zitiert – nicht das Denken eingestellt hat, sondern dass auch innerhalb der SPD-Fraktion während der nächsten Wochen, Monate, vielleicht sogar Jahre, immer abgeklopft wird, wie es mit der Sprachentwicklung weitergegangen ist, wie das umgesetzt wird, was jetzt im Schulgesetz verankert ist, wie wir die Kindergärten und Kindertagesstätten zu Orten frühkindlicher Bildung auch im Hinblick auf Sprache machen können. Insofern ist keine Debatte über Bildung und Sprache eine zu viel. Deshalb ist es gut, dass dieser Antrag heute hier beraten wird.

Es ist richtig, dass es inzwischen bei vielen Punkten dafür einen großen Konsens zwischen den Fraktionen dieses Hauses gibt. Aber in den Inhalten übereinzustimmen, das seit 2001 einmal in einer Integrationsoffensive festgeschrieben zu haben, ist etwas anderes, als etwas in konkrete Politik und Haushaltsdaten münden zu lassen. Insofern waren das in den letzten vier Jahren sehr spannende Debatten, die ich alle einmal nachgelesen habe. Diese Regierung fängt jetzt aber an, das umzusetzen.

(Beifall von der CDU)

Diese Regierung wird ein Gesetz über Kindertagesstätten entwickeln, ein Gesetz über frühkindliche Bildung, in dem kindgerecht auf jedes Kind hin konzentriert Sprachförderung zur Regelaufgabe in den Kindertagesstätten wird. Das gab es bisher nicht. Deshalb lohnt es in der Debatte, ans Konkrete zu erinnern.

(Beifall von Michael Solf [CDU])

Diese Regierung hat mit dem Schulgesetz die Schuleingangsuntersuchung auf das vierte Lebensjahr vorgezogen. Damit sind wir in Deutschland unter allen 16 Bundesländern vorn. Manche reden darüber zwar sehr laut, auch manche Unionsländer. Wir machen das aber konkret verpflichtend, und viele tausend Kinder werden in den Genuss dieser Sprachförderung kommen. Deshalb ist das wichtig und nicht „unterkomplex“, wie diese Debatte läuft. „Unterkomplex“ ist ein neues Wort, sodass diese Debatte für mich eine Art Sprachfördercharakter hat. Ich habe heute das neue Wort unterkomplex gelernt. Aber das ganze ist nicht unterkomplex, sondern es ist sehr wichtig.

Außerdem beginnt das große Umdenken ein bisschen bei der Union, aber insbesondere bei den Grünen. Vor wenigen Monaten hatte die Schulkonferenz in der Hoover-Schule in Berlin beschlossen, Sprachkompetenz bei Kindern dadurch zu fördern, indem man auch in der Pause auf dem Schulhof deutsch spricht. Damals eilte Claudia Roth empört auf den Schulhof und hat gesagt, dass sei Diskriminierung, und gefragt, wie man den Kindern nur vorschreiben könne, in der Pause ebenfalls deutsch zu reden.

Nun lese ich das, was die Grünen als neues Papier auf der Bundesebene beschlossen haben. Dort steht wörtlich drin:

„Daher plädieren wir für freiwillige Vereinbarungen zwischen Eltern, Lehrkräften und Schülern, Deutsch als Verkehrssprache auf dem Schulgelände verpflichtend zu machen.“

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Herzlich willkommen in der Wirklichkeit! Sprache ist jetzt bei den Grünen auch in der Pause anerkannt.

(Beifall von der CDU)

Ich glaube, dass die Möglichkeiten, in NordrheinWestfalen diesen Konsens der Integrationsoffensive von 2001 in der Sache fortzuführen, in dieser neuen Legislaturperiode sehr groß sind. Wenn wir jetzt auch noch die Eltern der Zuwanderer erreichen und die Zuwanderer selbst davon überzeugen, dass auch für die Eltern Sprachkompetenz wichtig ist, dass auch die Mütter die deutsche Sprache sprechen müssen, damit sie ihren Kindern helfen können, dann können wir als Land Nordrhein-Westfalen unsere Vorreiterrolle in Deutschland weiter ausbauen. Alle Fraktionen des Landtages sind zur Bewältigung dieser Aufgabe eingeladen. Wir können sicher dazu auch in der Zukunft einen großen Konsens erhalten.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratungen sind.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/1941 einschließlich des Entschließungsantrages der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/2017 an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration – federführend – sowie an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung und an den Aus

schuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich, mit der Hand aufzuzeigen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig von allen vier Fraktionen dieses Hauses angenommen worden.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

10 Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Regelung des Austritts aus Kirchen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften des öffentlichen Rechts (Kirchenaustrittsgesetz – KiAustrG) und des Gesetzes über Kosten im Bereich der Justizverwaltung (Justizverwaltungs- kostengesetz – JVKostG)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/1518

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses Drucksache 14/1926

zweite Lesung

Ich eröffne die Beratung und gebe zunächst für die Fraktion der CDU dem Kollegen Möbius das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe bereits anlässlich der ersten Lesung des hier zur Debatte stehenden Gesetzes darauf hingewiesen, dass die Einführung einer Kirchenaustrittsgebühr den Grundsätzen der Gebührentransparenz und der Gebührengerechtigkeit Rechnung trägt.

Es ist doch wirklich nicht einzusehen, dass ein Gebührentatbestand, der in den meisten Bundesländern gebührenpflichtig ist, ausgerechnet in Nordrhein-Westfalen kostenlos ist. Da kann man herumreden, wie man will: Es entsteht ein nicht unerheblicher Verwaltungsaufwand durch die Entgegennahme der entsprechenden Erklärung, durch das Ausstellen einer entsprechenden Bescheinigung, durch die Weiterleitung an die Finanzbehörden und die Religionsgemeinschaften. Dieser Aufwand wurde bisher aus dem allgemeinen Justizhaushalt getragen.

Eine den Austrittswilligen nicht überfordernde Gebühr für das Verwaltungshandeln in Höhe von 30 € erscheint angemessen. Entsprechende Un

tersuchungen des Landesrechnungshofes gibt es zu diesem Thema.

Es ist aus unserer Sicht auch richtig, dass die Austrittserklärungen gegenüber einer staatlichen Stelle erfolgen sollen, also hier: gegenüber dem Amtsgericht. Würde man den Austrittsakt auf die betroffenen Religionsgemeinschaften übertragen, könnten diese gegebenenfalls hohe Hürden aufbauen. Denken Sie etwa an ein Vorgespräch, mit dem versucht werden soll, den Austrittswilligen von seinem Vorhaben abzuhalten. Dies kann nicht im Interesse des Austrittswilligen liegen. Es ist also richtig, dass die Austrittserklärung gegenüber einer staatlichen Stelle zu erfolgen hat.

Meine Damen und Herren, in der bisherigen Diskussion im Plenum und im Hauptausschuss haben sich keine vernünftigen Gründe ergeben, die gegen die Erhebung einer dem sächlichen und personellen Aufwand entsprechenden Kirchenaustrittsgebühr sprechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, normalerweise debattieren wir im Landtag überhaupt nicht über irgendwelche Gebührentatbestände, da diese überwiegend in Rechtsverordnungen festgelegt werden.

(Zuruf von der SPD: Ein Beitrag für weniger Bürokratie!)

Eine Ausnahme bildet das Kirchenaustrittsgesetz. Darüber müssen wir im Zuge der Gesetzesberatungen sprechen. Wir sollten aber bei aller ernst zu nehmenden Diskussion nicht künstliche Debatten um des Debattierens willen führen. Lassen wir also die Kirche im Dorf! – Vielen Dank.

(Beifall von CDU, FDP und Dr. Michael Ves- per [GRÜNE])

Vielen Dank, Herr Kollege Möbius. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Kollege Töns das Wort.

Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Gesetzentwurf soll die Aufgaben und Kosten, die durch den Verwaltungsakt des Kirchenaustritts in NRW entstehen, regeln. Aber wie schon bei so vielen Gesetzentwürfen vorher liegt der Fehler im Detail.

So stellen sich doch mehrere Fragen, die bis heute von der Landesregierung nicht beantwortet worden sind. So hatte die SPD-Fraktion im zuständigen Hauptausschuss die Landesregierung gefragt, was geschieht, wenn ein Vierzehnjähri

ger, der religionsmündig wird, aus der Kirche austritt, aber die Erziehungsberechtigten nicht bereit oder auch nicht in der Lage sind, die Gebühr von 30 € zu bezahlen. Auf die Höhe der Gebühr komme ich übrigens später noch einmal zurück. Aber diese Frage wurde überhaupt nicht beantwortet.

Wird hiermit nicht das Recht auf Religionsfreiheit und Mündigkeit berührt – vielleicht sogar verletzt? Was ist mit den Bürgerinnen und Bürgern mit geringem Einkommen wie zum Beispiel mit Studenten? Wer trägt die Gebühr bei Empfängern von Arbeitslosengeld II? Wird es sogar eine „Austrittsgebühr light“ geben? Auch diese Fragen sind völlig unbeantwortet. Die Frage, wie man eigentlich in die Kirche eintritt, spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Bei den meisten Menschen, die einer Konfession angehören, ist es wie bei mir: Sie treten durch die Taufe in die Kirche ein. Diese Taufe findet bei den meisten im Übrigen kurz nach der Geburt statt.

Müsste man nicht vielmehr darüber nachdenken, ob nicht ein religionsmündiger Jugendlicher entscheidet, ob er zur Kirche gehören will oder nicht und ob er dies nicht im Alter von 14 Jahren dem Staat gegenüber erklärt?

(Svenja Schulze [SPD]: Das ist nur in Deutschland so!)

Kommt es nicht auch der Auffassung unter anderem der katholischen Kirche sehr nahe, dass Religionszugehörigkeit nicht von einem formalen Akt des Staates abhängig gemacht werden kann?

(Minister Oliver Wittke: Genau! Darum ja: Taufe!)

Der Kirchenaustritt ist mehr als ein formaler Akt, um Kirchensteuern zu sparen. Er ist vielmehr der Ausdruck einer Überzeugung.

Eine weitere Frage in diesem Zusammenhang ist auch noch nicht beantwortet worden: Was passiert eigentlich im Falle einer Konvertierung? Oder verhält es sich in diesem Fall so, dass für einen Katholiken, der zum evangelischen Glauben übertritt, die Gebühr fällig wird, weil er konvertiert, dass im umgekehrten Fall jedoch die Gebühr nicht zu zahlen ist, da ja nach katholischer Überzeugung der Gläubige in den Schoß von Mutter Kirche heimkehrt? – Eine interessante Frage.

Meine Damen und Herren, eine überaus wichtige weitere Frage für die Kirchen in unserem Land ist ebenfalls nicht geklärt: Soll in absehbarer Zeit auch eine Kircheneintrittsgebühr eingeführt werden? Dies würde natürlich eine weitere Schwelle für Gläubige darstellen, sich zu ihrem Glauben zu bekennen. Darüber hinaus ist Religion und Glau

be eine sehr private Angelegenheit, die nicht mit zusätzlichen Hürden belegt werden sollte.

Wenn es schon einen Verwaltungsakt gibt, der erledigt werden muss: Warum überträgt man ihn nicht auf die Standes- und Meldeämter, was wesentlich kostengünstiger wäre?