Protocol of the Session on May 17, 2006

Eine Politik, die nur darauf baut, vordergründige Stimmungen in der Bevölkerung zu befriedigen oder den Wünschen von Interessengruppen nachzukommen, was Sie ja perfektioniert haben in Ihrem System der Seilschaften in die verschiedenen Interessengruppen unseres Landes hinein, machen wir nicht. Wir haben im Gegensatz zu Ihnen deshalb auch keine Angst, uns mit Interessengruppen, mit Lobbyisten, anzulegen, wie wir das bei der Steinkohle machen. Da haben Sie doch gekuscht. Die Steinkohlelobby hat ihre Interessenvertreter doch über Jahrzehnte wie selbstverständlich in die Reihen Ihrer Fraktion eingespeist. Damit ist jetzt Schluss. Wir machen das, was nötig ist. Und nötig ist es, meine sehr verehrten Damen und Herren, den Subventionsbergbau zu beenden und die Milliarden, die dort eingespart werden, in die Zukunft unseres Landes zu investieren. Dafür stellen wir jetzt die Weichen. Dafür legen wir uns auch mit denen an, die meinen, uns an dieser Erneuerungspolitik für NordrheinWestfalen hindern zu können, Frau Kollegin.

(Beifall von der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, RotGrün hat uns einen Schuldenberg von 112 Milliarden € hinterlassen. Was die Koalition nun leisten muss, um den Haushalt wieder in den Griff zu bekommen, das erinnert an die berühmte Aufgabe von Herkules, den Augiasstall auszumisten. Ich bin trotz der Dimension der Herausforderung fest davon überzeugt, dass es uns gemeinsam mit Ihnen, Herr Finanzminister, gelingen wird, diese Aufgabe zu bewältigen, auch dann, wenn wir nicht zu so einer radikalen Methode greifen können wie Herkules, der dafür ja bekanntlich einen Fluss umgeleitet hat. Zum Glück ist unsere Aufgabe dann doch nicht ganz so beschwerlich. Denn das Land ist ja gut, nur die alte Regierung war Mist. Deshalb werden wir das gemeinsam in den Griff bekommen.

In NRW geht es gut voran. Das ist in der Bilanz, die wir in den letzten Tagen schon vorgelegt haben, deutlich geworden. Das können wir in die einzelnen Politikfelder herunterbrechen.

Noch einmal: Wir sind erst am Anfang einer langen Wegstrecke. Das wird niemand aus der Regierung, auch der Ministerpräsident selbst nicht, leugnen. Wir stehen am Anfang. Wir werden noch viele Jahre brauchen, um die Kraft dieses Landes wieder so zu entfalten, dass Nordrhein-Westfalen dort steht, wo es hingehört, nämlich an der Spitze der deutschen Bundesländer. Wir werden in den nächsten Jahren erkennbar noch weiter vorankommen bei der Aufgabe, die Kräfte, die in jedem Einzelnen stecken, auch wieder zur Geltung zu bringen. Aber wir haben eine Erblast von Ihnen übernommen, die nicht von Pappe ist. Wo würde das deutlicher als in der Haushaltspolitik oder etwa in der Bildungspolitik?

(Beifall von der FDP)

Es geht in Nordrhein-Westfalen, meine sehr verehrten Damen und Herren, gut voran. Aber ich will hier auch ganz freimütig bekennen: Unser Reformexpress wird behindert durch die politischen Rahmenbedingungen in Berlin, durch die Stillstandskoalition dort. Wir hatten uns – das Ergebnis war von daher natürlich enttäuschend – von der neuen Regierung nach der Bundestagswahl Rückenwind erhofft. Stattdessen haben wir Gegenwind bekommen. Wir bräuchten gerade auch in Nordrhein-Westfalen Steuersenkungen. Es gibt Steuererhöhungen. Wir bräuchten gerade auch in Nordrhein-Westfalen eine Reform der sozialen Sicherungssysteme. Stattdessen werden die Sozialversicherungsbeiträge, wie wir in diesen Tagen wieder gehört haben, voraussichtlich weiter steigen. Wir bräuchten auch und gerade in NordrheinWestfalen die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Auch dort gibt es bisher leider nur eine Fehlanzeige. Ich will offen sagen, welche Kopfschmerzen es uns bereitet, dass es jetzt auch noch statt eines Bürokratieabbaus dieses Antidiskriminierungsgesetz gibt, welches aus dem rot-grünen Schattenreich wiederbelebt wurde.

(Beifall von der FDP)

Das ist wirklich der Höhepunkt einer sehr negativen Entwicklung. Das will ich für meine Fraktion offen bekennen. Es heißt jetzt zwar Gleichbehandlungsgesetz, aber Frau Justizministerin Zypries hat in aller Offenheit gesagt, es sei im Wesentlichen das Gesetz der alten rot-grünen, abgewählten Bundesregierung. Da hat sie Recht.

Wir haben in Nordrhein-Westfalen klar vereinbart, mit uns werden EU-Vorgaben in Zukunft nur noch 1:1 umgesetzt. Es wird nichts mehr draufgepackt. Eine solche Vereinbarung steht übrigens auch im Berliner Koalitionsvertrag. Der Unterschied ist: Wir

in Nordrhein-Westfalen halten uns an das, was wir vereinbart haben, Frau Kollegin Kraft.

(Hannelore Kraft [SPD]: Was machen Sie denn jetzt?)

Ich will in dieser Debatte noch einmal klar sagen: Uns muss niemand darauf hinweisen, dass man Minderheiten nicht diskriminieren darf.

Was wir aber erleben werden, ist, dass ältere Mitbürger und Behinderte in Zukunft nicht mehr Chancen bekommen werden, wenn dieses Gesetz in Kraft getreten ist. Sie werden nicht besser vor einer möglichen – abzulehnenden – Diskriminierung geschützt, sondern sie werden gar nicht mehr die Chance bekommen, zu Vorstellungsgesprächen auch nur eingeladen zu werden.

(Beifall von der FDP)

Der Gipfel ist, dass es Ihnen, Frau Kraft, und Ihren Genossinnen und Genossen noch gelungen ist, ein Klagerecht der Gewerkschaften einzubauen, das sogar so weit geht, dass gegen den Willen der Betroffenen geklagt werden kann. Ich will das noch einmal sagen, weil das mit zur Gesamtbewertung der politischen Entwicklung in Nordrhein-Westfalen gehört.

Ich sage das nicht nur, weil Sie in Berlin die Verantwortung tragen, sondern weil wir in den zentralen Feldern Wirtschaftspolitik, Arbeitsmarktpolitik, Entbürokratisierung und Deregulierung in Nordrhein-Westfalen kaum eigene Gestaltungskraft haben und auf das angewiesen sind, was auf Bundesebene passiert. Bei all der guten Bilanz in Nordrhein-Westfalen haben wir seit der Bundestagswahl leider keinen Rückenwind bekommen. Im Gegenteil!

Deshalb werden wir das nicht widerspruchslos hinnehmen. Sie können das meinem Redebeitrag entnehmen. Wir werden nicht stillschweigend hinnehmen, dass in Berlin jetzt 1:1 der gleiche Murks umgesetzt wird, den Rot-Grün begonnen hat. So war die Vereinbarung einer 1:1-Umsetzung in Berlin doch wohl nicht gemeint.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es darum geht, das Land mit bürokratischen Regelungen zu überziehen und den Unternehmern und Bürgern neue Belastungen aufzubürden, dann ist auch die gute alte „Dosenpfand-Partei“ nicht weit. Die Grünen haben in den letzten Tagen noch eigene Gedanken zur Sanierung des Landeshaushaltes entwickelt. Sie haben hastig eine Finanzkommission einberufen.

Frau Kollegin Löhrmann, weshalb geschah dies eigentlich nicht in den zehn Jahren, in denen Sie

in der Regierungsverantwortung gestanden haben? Das ist doch nicht glaubwürdig. Sie haben zehn Jahre lang eine hemmungslose Verschuldungspolitik betrieben, ohne mit der Wimper zu zucken.

(Beifall von der FDP)

Jetzt sind Sie mit Karacho aus Ihren Ministersesseln gefegt worden. Dann berufen die Grünen eine Finanzkommission ein, der an wesentlicher Stelle sinnigerweise auch noch ausgeschiedene grüne Staatssekretäre angehören, und legen eine Reihe von Vorschlägen vor.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Jetzt mal kon- kret!)

Liebe Frau Kollegin Löhrmann, bei aller Grundsympathie: Das ist doch nicht glaubhaft. – Dabei ist dann allerdings wieder alte rot-grüne – vor allem grüne – Politik herausgekommen.

Zu den Vorschlägen zur Sanierung des Landeshaushalts gehören ein neues Wasserentnahmeentgelt für den Braunkohletagebau,

(Beifall von Rüdiger Sagel [GRÜNE] – Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

eine Abwärmeabgabe, eine Neuversiegelungsabgabe,

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

die Ausweitung der LKW-Maut auf Bundesstraßen, eine Mautpflicht für LKW ab 3,5 Tonnen, eine Fluglärmabgabe, höhere Start- und Landegebühren nicht ausgeschlossen.

(Beifall von Rüdiger Sagel [GRÜNE] – Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Wenn die Bürgerinnen und Bürger im letzten Jahr nicht die Reißleine gezogen und Sie in die Wüste geschickt hätten, dann hätten Sie zwischenzeitlich wahrscheinlich auch noch eine Atemsteuer in Nordrhein-Westfalen eingeführt. Daran sind wir wahrscheinlich gerade noch vorbei geschlittert.

Frau Kollegin Löhrmann, wir haben uns Ihre konkreten Vorschläge angeschaut. Was Ihre konkreten Vorschläge für den Landeshaushalt 2006 angeht, so handelt es sich um großzügige Mehrausgaben, die durch kraftvolle Luftbuchungen gegenfinanziert werden. Sie wollen allen Ernstes 226,5 Millionen € an Rückzahlungen von Steinkohlesubventionen in den Haushalt 2006 einstellen.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

Dabei liegen für die Jahre 2004 und 2005 noch nicht einmal die Abrechnungen vor. Herr Kollege Priggen ist wahrscheinlich mit Schamesröte im Gesicht aus dem Saal gerannt, nachdem er mitbekommen hat, dass Sie das heute möglicherweise noch einmal vortragen und systematisieren würden. Das ist einfach nur peinlich, Frau Kollegin Löhrmann.

(Beifall von der FDP)

Das wird in den nächsten Jahren nicht besser werden. Das will ich Ihnen auch noch erklären dürfen.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

Es wird deshalb nicht besser, weil Sie es versäumt haben, in den Jahren Ihrer Regierungsverantwortung dafür zu sorgen, dass wir zu einem schnelleren Abrechnungsmechanismus bei den Steinkohlesubventionen kommen. Die Grünen haben es mit zu verantworten, dass in die Steinkohlevereinbarung für den Zeitraum nach 2005 eine sogenannte Sprechklausel zugunsten der RAG eingefügt wurde, die den Rückzahlungsanspruch zu einem stumpfen Schwert machen könnte.

Im Übrigen darf ich noch einmal daran erinnern, wer die rechtsverbindlichen Zuwendungsbescheide verschickt hat. Das war nicht diese Regierung. Wir hätten das nicht gemacht. Ich ahne zumindest, dass Sie nicht zugestimmt hätten, für den Zeitraum nach 2005 bis 2008 rechtsverbindliche Zuwendungsbescheide zu versenden, Herr Ministerpräsident.

(Beifall von der FDP)

Das ist Ihre Verantwortung, Frau Kollegin Löhrmann.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [GRÜNE])

Meine Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss will ich noch auf eines hinweisen. Die Grünen kritisieren mancherlei Entwicklung und sprechen gelegentlich auch von Parteibuchwirtschaft. Wenn ich sehe, mit welcher Selbstverständlichkeit Sie auch jetzt in der Opposition noch versuchen, Ihre Leute in Stellungen zu bringen, dann ist das schon bemerkenswert.

Ich will zum Schluss Folgendes noch sagen dürfen, weil es ein wichtiger Punkt ist: Wir haben in der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen jetzt mit dem ausgeschiedenen, weil gerade aus dem Amt gewählten Ex-Umweltminister Schleswig-Holsteins noch jemanden bekommen, der so

gar noch nach seiner Wahl als Chef der Verbraucherzentrale

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Unabhängige Gremien!)

er wird dort übrigens mit Steuergeldern bezahlt –, Statements en masse für die Erneuerung der Grünen einschließlich des Hinweises abgegeben hat, dass sich die Erneuerung der Grünen über die Länder vollziehen müsse.

Die Konstellation ist doch klar: Sie bringen auch in der Opposition Ihre Spezies in Stellung, wo immer es geht. Unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

oder von anderen scheinbar objektiven Interessen feuern diese Breitseiten gegen diese Landesregierung.