Protocol of the Session on May 3, 2006

Mit 1 Promille ist man nicht mehr fahrtüchtig, und Sie sind nicht mehr politiktüchtig.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie haben das, was Sie den Leuten vor der Wahl versprochen haben, in Wirklichkeit überhaupt nicht erfüllt. Versprochen, gebrochen!

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist das, was Sie mit diesem Haushalt gemacht haben. Die Änderung, die Sie vorgenommen haben, ist reine Makulatur und soll nur dazu dienen, die Volksseele zu besänftigen.

Ich muss vor allem auch feststellen, dass die FDP als Bettvorleger des Finanzministers gelandet ist, denn gerade die FDP hatte im Landtag noch sehr vollmundig angekündigt, Korrekturen an diesem Haushalt vorzunehmen. Sie sind als Pappkamerad gelandet.

Ich kann Herrn Linsen nur gratulieren: Sie haben sich wirklich vollständig durchgesetzt und die Fraktionen mit ihren Abgeordneten zu Statisten degradiert. Sie haben Ihnen noch einige Zückerchen hingehalten, um einige Veränderungen – nämlich 48 Millionen €, dieses berühmte 1 Promille – am Haushalt vornehmen zu können.

Schauen wir uns das einmal an: Veränderungen bei 48 Millionen € hat Ihnen der Finanzminister gestattet. Eine wirkliche Deckung haben Sie für diesen Betrag nicht, sondern haben diese über die Mieten und Pachten beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb erzielt. Als wir das vorher nachgefragt hatten, hieß es vonseiten des Ministeriums: Keine Änderungen! – Jetzt auf einmal ging an der Stelle etwas.

Auch die Mittel aus dem Länderfinanzausgleich haben wir noch nicht, sondern das ist etwas, was möglicherweise kommt. Also an der Stelle keine seriöse Haushaltspolitik, und es sind auch die Änderungen nicht solide finanziert.

Heute Morgen haben wir dann noch etwas zum Thema „Schülerverkehr“ erlebt. In seltener Arroganz der Macht wollten Sie noch nicht einmal die Spitzenverbände anhören. Das haben Sie dann mit Haushaltresten aus dem Jahr 2005 finanziert. Wenn das solide und tatsächlich zukunftsgerichtet finanziert ist, kann ich wirklich nur lachen! – Es gibt viele Menschen in Nordrhein-Westfalen, die

mit der Politik, die Sie betrieben haben, unter die Räder kommen. Das, was Sie hier servieren, ist ein karges Linsengericht. Und es werden falsche Prioritäten gesetzt.

Wir müssen feststellen, dass dieser Haushalt sozial unausgewogen ist und darin Ihre Klientelpolitik festgeschrieben, aber nicht das erfüllt wird, was hier groß angekündigt worden ist, nämlich eine sozial gerechte, den Haushalt konsolidierende Politik zu betreiben.

Sie steigen auf den „Kahlen Asten der Verschuldung“ mit jetzt fast 6 Milliarden € Neuverschuldung. Damit haben Sie schon im Nachtragshaushalt 2005 angefangen, als sie die Verschuldung um 2 Milliarden € erhöht haben.

(Oh-Rufe von der CDU)

Wenn ich mir ansehe, dass Sie bei der mittelfristigen Finanzplanung – das sind die Zahlen, die der Finanzminister selber ausweist – eine Verschuldung von 132,6 Milliarden € für das Jahr 2009 prognostizieren, und das beinhaltet, dass Sie einen Schuldendienst von 5,2 Milliarden € pro Jahr haben, sagt das einiges über Ihre nachhaltige Finanzpolitik aus, die Sie hier beschreiben.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Dr. Robert Orth [FDP])

Wir werden vermutlich bei der nächsten Landtagswahl 140 Milliarden € Schulden haben. Das heißt, 25 % der Gesamtschulden des Landes NordrheinWestfalen werden Sie in fünf Jahren aufgenommen haben. Das sind Ihre eigenen Zahlen, die ich zitiere.

(Zuruf von der CDU: Das sind alles Ihre Zin- sen!)

Das ist Ihre haushaltskonsolidierende Politik.

(Ralf Witzel [FDP]: Mit Ihnen hätten wir doch 170 Milliarden! – Helmut Stahl [CDU]: Schon einmal etwas von Zinseszinsfaktoren ge- hört?)

Die Zinsen sind auch ein Punkt: Sie gehen von einem Zinssatz aus, der bei 4 % liegt. Nachhaltig davon auszugehen, dass die Zinsen bei 4 % liegen, ist mehr als fragwürdig. Das hat übrigens auch unsere Haushaltskommission gesagt.

(Zuruf von der CDU: Ja, wenn die das sagt!)

In Wirklichkeit werden sie wahrscheinlich deutlich höher liegen. Dann werden wir ganz andere Probleme haben; denn Sie wissen genau, dass ein halbes Prozent höhere Zinsen 500 Millionen € ausmachen, die Ihnen in der Landeskasse fehlen.

Es ist auch interessant, was Sie ansonsten noch so treiben.

(Dr. Robert Orth [FDP]: Was ist das denn für eine Sprache?)

Es gibt keine Impulse für Wirtschaft und Arbeit, über 1 Million Arbeitslose. Es ist keinerlei Konzept zu erkennen, was Sie in Nordrhein-Westfalen dagegen machen. Interessanterweise habe ich bisher bei keiner Ihrer Haushaltsreden nur ein Sterbenswörtchen zum Thema „Wirtschaft und Arbeit“ gehört. Ich muss sagen: Das ist mehr als enttäuschend.

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Gerade Sie haben den Mund sehr voll genommen. Wir sagen: Wir müssen etwas für Wirtschaft und Arbeit tun. Sie sollten bei den Steinkohlesubventionen anfangen.

(Beifall von Angela Freimuth [FDP])

Doch offensichtlich macht sich nun auch die CDU – über die FDP brauchen wir gar nicht mehr zu reden – zum Verteidiger der Steinkohle.

(Lachen von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Es ist schon sehr interessant, dass Sie sich offensichtlich durch hohe Parteispenden Ihre Meinung abkaufen lassen. Das gilt gerade für die FDP.

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE] – Wi- derspruch von CDU und FDP)

Das soziale Ungleichgewicht habe ich schon angesprochen. Es ist ein völliges Versagen von Minister Laschet bei zukunftsgerechter Politik für Kinder und Jugendliche, also für die nachfolgenden Generationen zu erkennen. Gerade der Kinder- und Jugendbereich ist massiv unter die Räder gekommen. Die Änderungen, die Sie vorgenommen haben, sind nicht dazu angetan, positive Impulse zu setzen.

Sie betreiben Klientelpolitik. Denn auf der einen Seite kürzen Sie bei Kindern und Jugendlichen, also den zukünftigen Generationen. Auf der anderen Seite erhöhen Sie den Ansatz um 11 Millionen € beim Flughafen Münster/Osnabrück, Sie erhöhen die Ansätze beim Straßenbau und bei den Landwirtschaftskammern. Das heißt, gerade die FDP müsste sich das Thema eigentlich zu Eigen machen: Sie sorgen für mehr Bürokratie. Unser Slogan „Rinder statt Kinder“ trifft genau das, was Sie mit diesem Landeshaushalt betreiben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist richtig, dass wir Grünen den Haushalt konsolidieren wollen. Deswegen haben wir ein umfas

sendes Gesamtkonzept vorgelegt. Mit unserem Entwurf liegen wir rund 100 Millionen € unter dem, was der Finanzminister vorgeschlagen hat und was die Koalitionsfraktionen jetzt absegnen werden. Nimmt man die Prognosen von der SPD – rund 350 Millionen € Steuermehreinnahmen – und die von CDU und FDP angenommenen 25 Millionen € durch Haushaltsverbesserung des Länderfinanzausgleichs, lägen wir – wenn man das dazurechnet – rund eine halbe Milliarde unter dem Haushaltsentwurf des Finanzministers. Das heißt, wir würden eine halbe Milliarde € weniger Schulden machen. Das machen wir als Grüne.

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Sie von CDU und FDP aber verfrühstücken dieses Geld – das gilt im Übrigen genauso auch für die SPD, wie ich kritisch anmerken muss –, indem Sie Nachbesserungen am Haushalt vornehmen, während wir das solide aus dem Haushalt heraus finanzieren wollen.

Wir ducken uns auch nicht finanzpolitisch weg, wenn es um den Bund geht, wie das der Ministerpräsident macht. Denn es geht natürlich darum, in Berlin deutliche Worte anzuschlagen, weil wir die Unterstützung des Bundes brauchen, um zu höheren Steuereinnahmen für die Länder zu kommen, also auch für das Land Nordrhein-Westfalen.

Das ist im Übrigen auch in der Anhörung, die wir durchgeführt haben, deutlich gesagt worden. Die Deutsche Steuergewerkschaft unterstützt uns dabei, dass wir zum Beispiel dadurch Mehreinnahmen erzielen, dass wir die kw-Stellen – was die Steuerprüfer angeht – nicht wegkürzen. Dadurch würden wir in diesem Haushaltsjahr mindestens 100 Millionen € Steuermehreinnahmen erzielen. Der DGB spricht von Ihrem Haushalt als einem Dokument der Hilflosigkeit. Das RWI kritisiert das, was Sie zukünftig steuerpolitisch machen wollen, also zum Beispiel die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Denn auch das ist für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen völlig abträglich. Damit werden Sie keine neuen Arbeitsplätze schaffen.

(Zuruf von Dr. Robert Orth [FDP])

Wir meinen, dass man sich auch Gedanken um die Bundespolitik machen muss. Deswegen haben wir in unserem Haushaltskonzept gesagt, dass wir eine Erhöhung der Erbschaftsteuer, eine Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 % und natürlich auch eine Schließung der Steuerschlupflöcher brauchen.

Schaut man sich den Haushalt konkret an, ist es so, dass wir uns auch für die Kommunen einsetzen. Durch die Kreditierung, die Sie ablehnen,

würden wir die Finanzierung sichern. Darüber haben wir uns sehr intensiv im Haushalts- und Finanzausschuss unterhalten. Aber auch da waren Sie nicht bereit mitzumachen.

Wir wollen die Kürzungen in vielen sozialen Bereichen rückgängig machen, zum Beispiel bei der Stiftung Wohlfahrtspflege in Höhe von 11 Millionen €. Wir wollen 30 Millionen € zusätzlich in den Ausbau und die Sanierung der Krankenhäuser investieren, und wir wollen ein Investitionsprogramm von 25 Millionen € auflegen – anstelle der Steinkohlesubventionierung, die wir, wie gesagt, massiv kürzen wollen und bei der wir immer noch darauf warten, dass die FDP tatsächlich zur Sache kommt und nicht den Bettvorleger der CDU und der großen Koalition in Berlin bildet.

Wir haben sehr kritisch geprüft, welche Haushaltsvorschläge Sie in der Vergangenheit gemacht haben. Sie haben gesagt: Die Mittel für Öffentlichkeitsarbeit und für Sachverständige sollen auf null reduziert werden. Genau das Gegenteil machen Sie: Sie haben die Positionen sogar noch erhöht.

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Sie haben zum Beispiel die Position für Sachverständige erhöht. Die Staatskanzlei hat sich eine halbe Million Euro mehr für Sachverständige gegönnt, obwohl sie auf der anderen Seite das Personal massiv aufgestockt hat; so gibt es allein 27 neue Stellen in der Staatskanzlei.

Ihre Stellenpolitik ist äußerst interessant. Sie haben sich als erstes, nachdem Sie an die Regierung gekommen sind, über 90 neue Stellen geschaffen. Das heißt, die Ministerialbürokratie, die Bürokratie, die Sie eigentlich reduzieren wollen, stocken Sie erst einmal ordentlich auf, damit Ihre Leute versorgt sind. Gleichzeitig werfen Sie uns vor, Frau Ministerin Höhn hätte nicht genügend Stellen abgebaut.