Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung liegt jetzt vor. Mit Ja haben 149 Abgeordnete gestimmt. Mit Nein stimmten 19 Abgeordnete. Niemand hat sich der Stimme enthalten. Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 14/10867 angenommen und der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/10380 abgelehnt.
Ich lasse nun über den Entschließungsantrag der SPD-Fraktion Drucksache 14/10902 abstimmen. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die SPD-Fraktion. Wer ist dagegen? – Das sind CDU, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und der Abgeordnete Sagel. Damit ist dieser Entschließungsantrag mit der Mehrheit der Stimmen der Abgeordneten abgelehnt.
Der Abgeordnete Sagel hat gemäß § 46 der Geschäftsordnung eine Erklärung zur Abstimmung als Anlage zu Protokoll gegeben. Sie wird dem Protokoll beigefügt und nicht verlesen. (Siehe Anlage 2)
5 „Kaum die Münze im Kasten klingt, schon die Seele in den Himmel springt“ (Johann Tetzel) – Schluss mit dem steuerrechtlichen Ablasshandel
Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende SPD-Fraktion dem Abgeordneten Peschkes das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne! Der Präsident hat es schon gesagt: Kaum die Münze im Kasten klingt, schon die Seele in den Himmel springt. – Das war der Leitspruch von Johann Tetzel, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts als Ablassprediger auf den öffentlichen Märkten unterwegs war.
Dieser Ablassgedanke liegt im Prinzip auch der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung gemäß § 371 der Abgabenordnung zugrunde. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass hier, um Straffreiheit zu erlangen, nicht einmal eine Geldbuße entrichtet werden muss – von Reue ganz zu schweigen. Das ist ein Privileg, das im deutschen Strafrecht einmalig ist und dem ehrlichen Steuerzahler nur sehr schwer zu vermitteln ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeder Hartz-IVEmpfänger, der falsche Angaben macht, wird gnadenlos verfolgt, auch wenn er sich den Behörden offenbart und den Schaden wiedergutmacht, und das bei vergleichsweise geringen Beträgen.
Anders sieht es im deutschen Steuerrecht aus. Hier hat jeder Steuerhinterzieher die Möglichkeit, seine Straftaten den Finanzbehörden zu offenbaren. Das gilt selbst bei höchsten Beträgen. Er geht straffrei aus. Voraussetzung ist, dass die Straftat noch nicht entdeckt ist. Die Chance, dass die Steuerhinterziehung entdeckt wird, ist angesichts der personellen Ausstattung der Finanzbehörden aber äußerst gering. Die Steuerhinterziehung wird für den Hinterzieher kalkulierbar. Auch über diesen Punkt sollte man einmal nachdenken, Herr Minister Linssen. Schließlich sind Sie für die personelle Ausstattung der Finanzverwaltung zuständig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir Steuergerechtigkeit in unserem Lande einigermaßen gewährleisten wollen, dann müssen wir alles dafür tun, dass Steuerhinterziehung nicht mehr als Kavaliersdelikt angesehen wird. Wer Steuern hinterzieht, schädigt in hohem Maße unser Gemeinwesen.
Ich sage Ihnen in diesem Zusammenhang auch: Arbeitnehmer haben gar nicht die Möglichkeit, den Fiskus um seine Steuern zu prellen. Denen wird das Geld einfach abgezogen.
Angesichts der vermuteten Höhe der jährlich hinterzogenen Steuerbeträge kann man davon ausgehen, dass die Steuerlast in ganz Deutschland erheblich
niedriger wäre, wenn alle ihre Steuern nach Recht und Gesetz entrichteten. Wir müssten aktuell auch nicht über die Schließung von Schwimmbädern, Bibliotheken und Schauspielhäusern nachdenken und diskutieren, wenn sich alle an geltendes Steuerrecht hielten und ihrer Verpflichtung nachkämen.
Es ist wichtig, dass Steuerhinterziehung gesellschaftlich geächtet wird und der Steuerhinterzieher nicht als besonders clever angesehen wird.
Zumindest der Bundesgerichtshof hat zu erkennen gegeben, dass er Steuerhinterziehung nicht für akzeptabel hält und diese hart bestraft werden muss. Er hat einen Rahmen gesetzt: Ab einem Betrag von 100.000 € hinterzogener Steuern muss eine Freiheitsstrafe verhängt werden. Ab 1 Million € hinterzogener Steuern darf diese Strafe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Ich sage: Das ist auch gut so!
Dass es ohne Druck nicht geht, belegt die Tatsache, dass wir schon einmal ein Steueramnestiegesetz zur strafbefreienden Einkunftserklärung von Kapitaleinkünften hatten. Der Erfolg dieses Gesetzes war sehr überschaubar. Die Hinterzieher haben sich sehr sicher gefühlt und deshalb auch erst gar nicht die Möglichkeiten dieses Amnestiegesetzes in Anspruch genommen. Dieses Verhalten zeigt ganz deutlich, dass von Steuerhinterziehern keine Einsicht zu erwarten ist, von Reue ganz zu schweigen.
Ich denke: Unsere Antwort darauf muss lauten, die strafrechtlichen Daumenschrauben anzuziehen. Nur Druck hilft weiter. Das zeigt im Übrigen jetzt die hohe Anzahl von Selbstanzeigen, die bei den Finanzbehörden eingehen, nachdem die CD mit den Steuerdaten in den Händen der Finanzverwaltung ist.
Steuergerechtigkeit bekommen wir in unserem Land nur, wenn sich Steuerhinterzieher nicht mehr sicher fühlen können und damit rechnen müssen, dass ihre Straftaten aufgeklärt und anschließend verfolgt werden.
Das Selbstanzeigenprivileg steht diesem Gerechtigkeitsgedanken diametral entgegen und gehört deshalb abgeschafft. Von daher auch unser Antrag. Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen, weil er der richtige Weg zu mehr Steuergerechtigkeit ist.
Meine Damen und Herren, so wie es aussieht, werde ich bei der parlamentarischen Umsetzung dieser Initiative nicht mehr dabei sein. Viel wahrscheinlicher ist, dass ich bei der praktischen Umsetzung dieser Initiative innerhalb der Finanzverwaltung – unter welchem Finanzminister auch immer, Herr Linssen – dabei sein werde.
Daran erkennen Sie, dass dieses meine letzte Rede in diesem Hohen Hause ist. Ich darf mich bei allen Kolleginnen und Kollegen bedanken, mit denen ich in den letzten fünf Jahren zu tun hatte. Ich werde Sie alle in bester Erinnerung behalten, zumindest – sagen wir es einmal so – die meisten. Einige werde ich sogar vermissen. Das gilt für beide Seiten des Hauses.
Ich sage auch: Sollte ich dem einen oder anderen einmal auf die Füße getreten haben, gehen Sie davon aus: Es geschah mit voller Absicht. – Ganz herzlichen Dank fürs Zuhören!
Vielen Dank, lieber Kollege Theo Peschkes. Wir danken dir auch ganz herzlich für deine Mitarbeit in diesem Landtag, wünschen dir und deiner Familie alles Gute. Sei in deiner Funktion beim Finanzamt nicht so streng mit den Bürgern.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Theo Peschkes, ich hoffe, ich gehöre zu den Kollegen, die von Dir eine gewisse Wertschätzung erfahren. Ich darf das für meine Person Dir gegenüber auf jeden Fall zum Ausdruck bringen. Wir haben überwiegend sachlich miteinander diskutiert.
Heute diskutieren wir allerdings über einen Antrag der SPD zu einer steuerrechtlichen Themenstellung, zum dem ich feststellen muss: Der Antrag lässt wieder einmal den notwendigen Sachverstand und die Seriosität im Umgang mit einer solch brisanten Materie vermissen. Das macht schon die Überschrift deutlich. Das Zitat ist zudem falsch gewählt. Der Reim lautet richtig: Wenn die Münze im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt.
Ich will aber der SPD auch gerne weiter auf die Sprünge helfen und sachlich bleiben. Die Voraussetzung für Straffreiheit bei einer Selbstanzeige liegt darin, dass ein Steuerhinterzieher den Sachverhalt umfassend erläutern muss, die Einkünfte komplett erklären muss und die hinterzogenen Steuern nachentrichten muss, und zwar mit einer entsprechenden Verzinsung. Den Finanzbehörden werden umfangreiche Ermittlungsarbeiten erspart. Zudem gelangt der Fiskus nicht selten zu Steuereinnahmen, die ohne dieses Instrument möglicherweise nie vereinnahmt worden wären.
Im Laufe der Jahrzehnte hat es immer wieder einmal Wellen von verstärkten Zahlen von Selbstanzeigen gegeben – so auch heute.
Wenn wir den Wahlkampf ausblenden, der die SPD umtreibt, können wir feststellen, dass Sachverhalte wie ein solcher CD-Ankauf die absolute Ausnahme in der mehr als 90-jährigen Geschichte des Instruments der Selbstanzeige darstellen.
Schon 1919 wurde die Selbstanzeige in die damalige neu gestaltete Reichsabgabenordnung aufgenommen. Bis hin zur letzten größeren Überarbeitung der heute gültigen Abgabenordnung im Jahr 2002 wurde die Selbstanzeige nicht wesentlich verändert. Warum wohl? Weil sie sich bewährt hat, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD.
Im Übrigen war es Ihr Bundesfinanzminister Hans Eichel, der Eiserne Hans, der über zeitlich befristete Sonderinstrumente wie Straffreiheit bei nur pauschaler Entrichtung von Steuern die Selbstanzeige sogar ausgedehnt hat. Das war seinerzeit richtig – und was damals richtig war, kann heute nicht falsch sein.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, das Streben Ihres Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel nach Anerkennung und medialer Aufmerksamkeit veranlasst ihn, zu jedem Thema auf den Putz zu hauen. Man kann Herrn Gabriel vieles unterstellen – aber sicherlich nicht, besondere Kenntnisse des Steuerrechts zu besitzen.
Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl von der SPD zeichnet sich da schon eher durch Fachkenntnis aus. Ausweislich einer dpaMeldung hat er erklärt – ich zitiere –:
Die Möglichkeit der Selbstanzeige ist eine Chance für den Staat, fiskalische Erträge zu erzielen. Sie gibt Steuersündern auch einen Anreiz, auf den Pfad der Tugend zurückzukehren.
Natürlich ist es schwierig, ein solches Thema in der Öffentlichkeit zu diskutieren, weil viel zu sehr mit Emotionen und nicht mit sachlichen Argumenten gearbeitet wird.