Protocol of the Session on March 23, 2010

Deshalb nehmen wir das auch nicht ernst, dass Sie wirklich die Verfassung ändern wollen. Denn dazu bräuchten Sie die Zweidrittelmehrheit. Die werden Sie in diesem Hohen Hause mit einer solchen Schuldenbegrenzung, die keinen Sinn macht, nicht bekommen. Sie haben diese Mehrheit nicht gesucht, meine Damen und Herren. Deshalb entlarvt sich das Ganze als ein großes Wahlkampfgetöse. Das ist ein Ablenkungsmanöver von Ihrem finanziellen Desaster, meine Damen und Herren, mehr nicht.

Ich will Ihnen noch ein Argument nennen, warum das ein Ablenkungsmanöver ist. Wenn Sie das ernst meinen würden und ein Konzept hätten, dann müssten Sie das ja vorlegen. Wir haben doch erst vor Kurzem noch den Nachhaltigkeitsbericht im Haushalts- und Finanzausschuss beraten. Es ist eindeutig so, dass wir eine strukturelle Lücke von 5 Milliarden € jedes Jahr haben. Nun erklären Sie doch einmal, wie Sie die schließen wollen! Sagen Sie einfach dem Hohen Hause, wie Sie die schließen wollen! Es gibt dazu kein Konzept.

(Zuruf von der CDU)

Es gibt eine Lücke von 5 Milliarden €. Die können Sie nicht schließen. Sie wollen jetzt in die Verfassung schreiben, es dürfen keine Schulden mehr aufgenommen werden. Das wird nicht funktionieren. Sie machen in diesem Jahr 6,6 Milliarden € Schulden. Sie machen im nächsten Jahr – nach der Planung; es wird wahrscheinlich mehr werden – drei.

(Zuruf von der CDU: Bei uns nicht! Das war bei Ihnen so!)

In Ihrer Planung. Sie regieren dann schon gar nicht mehr, aber es sind noch einmal drei geplant. Dann sind wieder drei geplant. Dann sind wieder drei geplant. Dann sind wieder drei geplant. Ruckzuck sind wir auch schon bei 2019/2020.

(Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Meine Damen und Herren, Ihre Schuldenbremse, so wie sie konzipiert ist, ohne Begleitgesetz, ohne Mehrheit in diesem Hohen Haus, ohne Zweidrittelmehrheit, die Sie nicht gesucht haben, ohne eine Absicherung der Kommunen gegen den Raubbau,

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

den Sie in den letzten fünf Jahren betrieben haben und der in der Zukunft wieder droht, hat hier keine Mehrheit. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Groth. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Linssen das Wort. Bitte sehr, Herr Minister.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute in zweiter Lesung das Gesetz. Wir haben morgen also noch ausreichend Gelegenheit, uns dasselbe von Herrn Groth noch einmal anzuhören, was wir jetzt schon seit Monaten hören.

Herr Groth, Sie leben offensichtlich nach dem Motto: Bei Wiederholung bleibt vielleicht irgendwann etwas hängen. – Sie halten immer dieselben Reden, egal, zu welchem Thema Sie sprechen.

(Beifall von der CDU)

Wir haben allein morgen die Gelegenheit, zweimal dasselbe zu hören. Herr Groth wird nämlich zur Finanzpolitik sprechen, und dann wird er auch wieder zur Schuldenbremse sprechen. Immer dasselbe, Herr Groth! Es wird auch durch Wiederholung nicht besser.

Wir befassen uns heute zum zweiten Mal mit dieser Schuldenbremse. Ich will deshalb auch darauf verzichten, Einzelheiten des Gesetzentwurfs und der Verfassungsänderung, die wir beantragt haben, zu beschreiben.

Sie wissen alle, dass eine Verfassungsänderung auf Landesebene zur Umsetzung der bundesgesetzlichen Schuldenbremse nicht zwingend erforderlich ist. Sie tritt sowieso ein. Deshalb ist Ihr Gejammere darüber, dass Sie jetzt irgendetwas Besonderes für die Kommunen tun wollen, einfach nur vorgeschoben.

(Beifall von der CDU)

Die Schuldenbremse tritt 2020 sowieso ein. Diese Regierung ist der Meinung, wir sollten ein Signal setzen. Wir sollten klare Zeichen setzen, dass wir auch den zweiten Teil von Keynes verstanden haben, den Sie in Ihrer Regierungszeit nie beachtet haben.

Herr Groth, Sie haben wirklich eine Chuzpe, hier aufzutreten. Einen, der 1995 bis 2000 mehr Steuereinnahmen hatte und am Ende der Zeit mehr Nettoneuverschuldung vorgelegt hat, den nimmt man bei diesem Thema nicht mehr ernst.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn Sie noch einmal Revue passieren lassen, was in der Anhörung passiert ist: Im Grunde genommen waren außer Herrn Schneider vom DGB alle der Meinung: Jawohl, das ist das richtige Zeichen, das ihr da setzt.

Ich habe die Bedenken der Kommunalen auch gehört. Die hören Sie jedes Mal. Nur: Die Grenzen

sind in der Verfassung festgelegt. Es hängt mit der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes zusammen, was wir an Dotationen für die Kommunen geben. Sie haben das immer so gehalten, dass Sie ihnen viel weniger gegeben haben als wir. Das ist doch das Faktum.

(Beifall von CDU und FDP)

Also: Ohne Änderung der Landesverfassung wird die bisherige Fassung des Art. 83 Satz 2 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen verfassungswidrig. Das steht fest. Es ist einer Landesverfassung nicht angemessen, wenn sie verfassungswidrige Normen enthält. Diese Auffassung werden Sie vielleicht auch noch teilen. Einer der Experten, meine Damen und Herren, sprach in diesem Zusammenhang von totem Verfassungsrecht, gar von einer Verfassungsleiche. Deshalb bedarf es einer Änderung auch der Landesverfassung, obwohl sie nicht zwingend aus dem Grunde notwendig ist, weil wir 2020 sowieso durch 109 Grundgesetz gebunden sind.

Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass CDU, SPD und FDP dieses Signal auf Bundesebene nun wirklich gesetzt haben. Es ist nicht erfindlich – Herr Moron, ich habe auch gehört, was Sie im Hauptausschuss vorgetragen haben –, warum Sie dieses ablehnen. Wir können nicht erst 2020 mit der Haushaltskonsolidierung beginnen, sondern wir müssen es jetzt machen,

(Markus Töns [SPD]: Dann fangen Sie doch an, Herr Minister!)

nach Überwindung der Krise.

Zu den Mitteln. Wenn Sie den Nachhaltigkeitsbericht vielleicht einmal richtig lesen würden: Herr Groth, da steht sogar nicht 5 Milliarden €, sondern da steht 4,5 bis 5,5 Milliarden, base case 5,5 Milliarden € strukturelles Defizit. Ja, das sage ich ganz deutlich. Das ist unser strukturelles Defizit.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Sagen Sie doch einmal, wie Sie es ausgleichen!)

Lieber Herr Groth, wenn wir statt 6,7 Milliarden wie Sie in drei Jahren es heruntergebracht haben auf 1,1 Milliarden und eigentlich einen ausgeglichenen Haushalt haben, dann werden wir das doch wohl bis 2020 schaffen. Herr Groth, warum sind Sie so wankelmütig?

(Ewald Groth [GRÜNE]: Ich bin überhaupt nicht wankelmütig!)

Sind Sie so irritiert durch das, was Sie früher hier geleistet haben? Es kommen vielleicht noch einmal andere Zeiten. Sie können ja vielleicht auch noch besser werden.

Also wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, ehrlich zu sich selbst sind, dann stellen Sie fest, dass all die Gründe, die Sie hier heute angeführt haben, wirklich nur vorgeschoben sind.

Letztlich scheuen Sie davor zurück, gemeinsam mit dieser Landesregierung erfolgreich einen wichtigen Schritt in Richtung der Konsolidierung der Landesfinanzen zu gehen.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Konsolidieren Sie!)

Selbst wenn Sie der Landesregierung diesen Erfolg nicht gönnen können – ich habe dafür in Wahlkampfzeiten wirklich Verständnis –, überwinden Sie sich doch und gönnen es wenigstens dem Land, dessen Wohl zu bewahren und zu mehren Sie hier eigentlich angetreten sind.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Man muss auch gönnen können!)

Ich werbe deshalb nachdrücklich dafür: Überwinden Sie zum Wohle unseres Landes Ihre ablehnende Position und statten Sie den Gesetzentwurf wenigstens morgen in dritter Lesung – Sie haben noch eine Nacht, darüber nachzudenken – mit einer breiten Mehrheit aus! – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Linssen. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratung sind.

Bevor wir zur Abstimmung kommen können, will ich noch folgenden Hinweis geben: Gesetzentwürfe zur Änderung der Verfassung – Art. 69 LV – werden in drei Lesungen beraten. Die dritte Lesung ist für morgen als Tagesordnungspunkt 3 vorgesehen. Nach dem vorgenannten Art. 69 der Verfassung bedarf es für eine Verfassungsänderung der Zustimmung von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl des Landtags. Um die Änderung der Verfassung zu beschließen, müssten dann morgen in der dritten Lesung somit 125 Mitglieder der vorgeschlagenen Änderung zustimmen. Dies wird das Präsidium im Anschluss an die dritte Lesung festzustellen haben. Im Anschluss an die dritte Lesung haben wir dann auch über den Entschließungsantrag Drucksache 14/10901 zu entscheiden.

Wir können nun zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/10907 kommen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die anwesenden Abgeordneten der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und SPD. Gegenstimmen? – Das sind die anwesenden Abgeordneten der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Ich lasse nun zweitens abstimmen über den Gesetzentwurf. Der Hauptausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 14/10862, den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/10358 unverändert anzunehmen. Wer dieser

Empfehlung folgen möchte, den darf ich jetzt um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen der CDU und der FDP. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Damit, meine Damen und Herren, sind die Beschlussempfehlung angenommen und der Gesetzentwurf in zweiter Lesung verabschiedet.

Zum Schluss möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass über diesen Gesetzentwurf morgen in dritter Lesung abschließend beraten wird.

Nun rufe ich auf:

7 Prozesskostenhilfe muss verfassungskonform und sozial bleiben – Wiedervorlage!

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/10845